Einen Tag vor Beginn der VieVinum gab es eine breit angelegte Horizontalprobe aller namhaften Rotweine der Jahrgänge 2011 und 2012. Eine gute Gelegenheit, Qualität, Stilistik und Standort österreichischer Rotweine zu überprüfen. Zuerst habe ich 28 Pinot Noirs durchprobiert. Fazit: 28 verschiedene Stilistiken. Die Bandbreite reicht von harmlos-fruchtig auf der einen bis aufgeblasen, mastig, tanninbetont auf der anderen Seite – Pinot Noir quasi im Michel-Rolland-Stil. Repräsentativ für diesen Stil steht der Wein von Schloss Halbthurn.
Doch zwischen harmlos und überzogen gibt es durchaus spielerisch feine, facettenreiche Pinot Noirs. Der beste ist für mich Fritz Wieningers Grand Select – keine wirkliche Überraschung. Auch versierte Österreich-Kritiker urteilen ähnlich. Wieninger versteht es, trotz 14 Vol.% Alkohol einen leichtfüßigen, zartfruchtigen Wein ohne penetrante Röstaromatik auf die Flasche zu bringen.
Blaufränkisch gut auch im unteren Bereich
Blaufränkisch | Foto: © ÖWMBeim Blaufränkischen ist das Spektrum der Qualitäten etwas kleiner. Das liegt daran, dass die Sorte seit Jahrhunderten schon im Donauraum präsent ist – im Gegensatz zur Pinot Noir. Sie hat sich dort bewährt. Sie passt zu Klima und Böden.
Am besten erkennbar ist das an den einfachen Blaufränkisch-Weinen, die aus unklassifizierten Lagen kommen und ohne den Anspruch erzeugt wurden, Hochgewächse zu sein. Zwar gibt es auch unter diesen Weinen Licht und Schatten. Aber es ist nicht schwer, ein paar gute Exemplare zu finden.
Besser als Lemberger
Schon diese Basisweine, die in der Regel unter 10 Euro kosten, überzeugen mit ausdrucksvoller Frucht bei mittlerer Struktur. Da fiel mir zum Beispiel der Blaufränkisch Ried Mönchsacker von Stefan Zehetbauer in Schützen am Stein auf: ein schnörkelloser, sehr duftiger Wein, der viel natürlichen Charme ausstrahlt und in sich einfach stimmig ist. Auch der herzhafte Blaufränkisch aus der Riede Alt Satz des Rotweinguts Prickler aus Lutzmannburg überzeugte in seiner ehrlichen, unverbildeten Art.
Besonders eindrucksvoll die Eisenberg DAC Reserve von Jalits aus dem Südburgenland. So einen saftigen, mineralisch-würzigen Wein findet man in dieser Preisklasse selten. Er stellt auch anspruchsvolle Weintrinker zufrieden. Im Vergleich mit den Lembergern aus Württemberg geht er meiner Meinung nach als Sieger hervor.
Licht und Schatten im Mittelburgenland
Etikett GesellmannSpannend wird es bei den hochklassigen Blaufränkisch-Weinen. Ihre Zahl hat sich den letzten 15 Jahren verdreifacht oder vervierfacht. Aber nicht alles, was da für 20 oder gar 40 Euro angeboten wird, ist sein Geld wert. Im Mittelburgenland, das sich selbst gerne als „Blaufränkischland“ feiert, ist die Spanne der Qualitäten besonders groß. Weine mit hoher Säure (bis 6,5 gr/l) und gleichzeitig hohem Alkohol (nicht selten bis 14,5 Vol.%) sind selten balanciert. Das trifft zum Beispiel auf den Well von Wellanschitz zu.
Auf der anderen Seite gibt es sehr gelungene Blaufränkisch-Gewächse, auch im Preisbereich bis 20 Euro: etwa Paul Kerschbaums Ried Dürrau. Auch Gager setzt mit seiner DAC Reserve Ried Mitterberg Maßstäbe hinsichtlich Preis-/Qualitätsverhältnis: ein von seiner Struktur her eher moderater Wein, der sehr reduktiv ausgebaut ist und Frucht, Säure und Alkohol gut ausbalanciert. Man könnte sagen: Punktlandung am Gaumen. Überragend Gesellmanns Ried hochberc. Aber für 40 Euro darf man auch etwas Besonderes erwarten.
Im Südburgenland glänzt Wachter-Wiesler
Im Südburgenland wird fast nur Blaufränkisch angebaut. Dort ragen im Moment die Weine von Wachter-Wiesler heraus. Mit beängstigender Sicherheit kitzelt der junge Christoph Wachter feine und feinste Nuancen aus den Weinen heraus. Kopfensteiners Blaufränkische sind etwas weniger ambitiös, aber ebenfalls ausdrucksstark und sehr trinkfreundlich. Krutzlers Perwolff, eine Weinlegende, ist ohne Fehl und Tadel, reißt mich aber diesmal nicht zu Begeisterungsstürmen hin. Der Spannungsbogen zwischen Opulenz und Eleganz reißt ab, es bleibt der Eindruck eines dicken, etwas behäbigen Schlachtschiffes.
Der Leithaberg ist bestes Blaufränkisch-Terrain
Weinberge Leithaberg | Foto: © ÖWMDer Leithaberg über dem Neusiedlersee ist ein herausragendes Terrain für Blaufränkisch. In den mittelhohen, kühleren Lagen dieses Kleingebirges entstehen keine obszön alkoholreichen, sondern eher elegante, mineralische Weine. Fünf Weine des Jahrgangs 2011 ragten nach meiner Meinung heraus: Anita und Hans Nittnaus Ried Tannenberg, ein aromentiefer, nicht überladener Blaufränkisch mit moderatem Holzeinsatz. Dann Anton Hartls sublimer, mit viel Fingerspitzengefühl gemachter Ried Rosenberg. Natürlich Prielers famoser Ried Goldberg, der inzwischen so elegant ist, dass er manchmal die Grenze zum Gefälligen streift. Und die zwei Lagenweine von Markus Altenburger: der fast burgundisch-leichtfüßige Blaufränkisch von der Riede Jungenberg (Schiefer) und der etwas vollere, reifere Blaufränkisch Ried Gritschenberg (Kalk). Als sechsten Wein könnte man noch den Jagini von Hannes Schuster benennen, wäre er im Moment nicht so sperrig, verschlossen, abweisend.
Der neue, puristische Blaufränkisch-Stil
Etikett JaginiAllerdings wird dieser Wein, selbst wenn er sich fängt, kontrovers beurteilt. Denn es gibt zwei Blaufränkisch-Schulen im Burgenland: die eher traditionelle, die reife, strukturbetonte Weine anstrebt. Und die puristische Schule, die auf moderaten Alkohol, spürbare Säure, Verzicht auf Neuholz, kurz: Eleganz setzt. Dieser Schule gehört auch Schuster an. Viele Weintrinker tun sich schwer mit Blaufränkisch-Weinen dieses Stils. Zu karg kommen ihnen die Weine vor, zu säurebetont. Roland Velich ist der Haupt-Exponent dieser Schule. Er hat mit seinem Moric-Projekt diese Schule begründet. Sein 2011 Blaufränkisch Lutzmannsdorf Alte Reben war für mich der beste Wein der ganzen Blaufränkisch-Probe: ein ungemein dichter, samtiger Wein ohne Röstaromen oder Schokonoten, dafür mit reifer Säure und gar nicht so niedrigem Alkoholgehalt (14 Vol.%) – der beste Moric, den es je gab. Die Vorstellung, wie dieser Wein in zehn Jahren schmecken könnte, lässt meine Augen glänzen.
Triebaumer, Achs & Co.: die Antipoden
Ernst Triebaumers Blaufränkisch Ried Marienthal ist eine Art Gegenentwurf zum puristischen Moric-Stil. Auch er ist hervorragend gelungen. Aber er ist dunkler und süßer, wirkt reifer und etwas weniger säurebetont, wenngleich die analytischen Werte denen des Moric-Blaufränkisch recht ähnlich sind. Natürlich ist der Barrique-Ausbau bei diesem Wein nicht zu leugnen. Deutlichere Antipoden sind jedoch die beiden Blaufränkisch von Paul Achs aus Gols: der extrem dichte Ried Spiegel und der hoch konzentrierte, fast süß schmeckende Ried Altenburg, wobei auch hier dazugesagt werden muss, dass beide mit der Säure wahrlich nicht geizen.
Dreimal Spitzerberg
Weinberge Wien | Foto: © ÖWM/ElzeAuch in der benachbarten Zweigelt-Hochburg Carnuntum breitet sich Blaufränkisch-Euphorie aus. Drei Weine konnte ich von dort probieren, alle vom Spitzerberg. Johannes Trapls Wein ist locker gewoben und nicht überambitioniert, weshalb er sich als der am wenigsten anstrengendste der drei entpuppt. Robert Payrs Wein steht für das Gegenteil: dick, überextrahiert, opulent – ein Blaufränkisch mit der Seele eines Zweigelt. Dorli Muhr und Dirk van Niepoort sind dagegen nicht der Versuchung erlegen, ihrem Wein krampfhaft mehr Struktur zu geben. Ihr Spitzerberg Blaufränkisch ist – wie alle spontan vergorenen Weine – im jungen Stadium schwer zu probieren. Aber die Entwicklung geht bei ihm in Richtung eines weichen, leicht säurebetonten Weins mit transparenter Frucht und hoher Trinkeleganz.
Zweigelt – die Cuvées
Und wo bleiben die Zweigelts? Ich habe sie nicht probiert. Mögen sie auch noch so populär sein, mögen sie von teilweise bestechender Qualität oder ideale Kuschelweine vor dem Fernseher sein – ich persönlich ziehe den Blaufränkischen vor. Cuvées unter Einschluss von Zweigelt sind etwas anderes. Allerdings habe ich, da die Zeit auf der großen VieVinum-Rotweinprobe zu kurz war, nur kurz hineinschmecken können. Immerhin soviel kann ich sagen: 2011 war ein sehr guter Jahrgang für Cuvées, egal ob diese von Gernot Heinrich, Pöckl, Claus Preisinger und den anderen üblichen Verdächtigen kommen.