Österreich sieht rot: Pinot Noir und Blaufränkisch marschieren

Teaser VieVinum 2
Blaufränkisch als besserer Lemberger. Pinot Noir im Höhenflug. Zweigelt als Kuschelwein vor dem Fernseher – Jens Priewe hat versucht, sich auf der VieVinum 2014 durchzutrinken. Vergeblich.

Einen Tag vor Beginn der Vie­Vinum gab es eine breit ange­leg­te Hori­zon­tal­pro­be aller nam­haf­ten Rot­wei­ne der Jahr­gän­ge 2011 und 2012. Eine gute Gele­gen­heit, Qua­li­tät, Sti­lis­tik und Stand­ort öster­rei­chi­scher Rot­wei­ne zu über­prü­fen. Zuerst habe ich 28 Pinot Noirs durch­pro­biert. Fazit: 28 ver­schie­de­ne Sti­lis­ti­ken. Die Band­brei­te reicht von harmlos-fruchtig auf der einen bis auf­ge­bla­sen, mastig, tan­nin­be­tont auf der ande­ren Sei­te – Pinot Noir qua­si im Michel-Rolland-Stil. Reprä­sen­ta­tiv für die­sen Stil steht der Wein von Schloss Halbthurn.

Doch zwi­schen harm­los und über­zo­gen gibt es durch­aus spie­le­risch fei­ne, facet­ten­rei­che Pinot Noirs. Der bes­te ist für mich Fritz Wien­in­gers Grand Sel­ect – kei­ne wirk­li­che Über­ra­schung. Auch ver­sier­te Österreich-Kritiker urtei­len ähn­lich. Wien­in­ger ver­steht es, trotz 14 Vol.% Alko­hol einen leicht­fü­ßi­gen, zart­fruch­ti­gen Wein ohne pene­tran­te Röst­aro­ma­tik auf die Fla­sche zu bringen.

Blaufränkisch gut auch im unteren Bereich

Blau­frän­kisch | Foto: © ÖWM­Beim Blau­frän­ki­schen ist das Spek­trum der Qua­li­tä­ten etwas klei­ner. Das liegt dar­an, dass die Sor­te seit Jahr­hun­der­ten schon im Donau­raum prä­sent ist – im Gegen­satz zur Pinot Noir. Sie hat sich dort bewährt. Sie passt zu Kli­ma und Böden.

Am bes­ten erkenn­bar ist das an den ein­fa­chen Blaufränkisch-Weinen, die aus unklas­si­fi­zier­ten Lagen kom­men und ohne den Anspruch erzeugt wur­den, Hoch­ge­wäch­se zu sein. Zwar gibt es auch unter die­sen Wei­nen Licht und Schat­ten. Aber es ist nicht schwer, ein paar gute Exem­pla­re zu finden.

Besser als Lemberger

Etikett KerschbaumSchon die­se Basis­wei­ne, die in der Regel unter 10 Euro kos­ten, über­zeu­gen mit aus­drucks­vol­ler Frucht bei mitt­le­rer Struk­tur. Da fiel mir zum Bei­spiel der Blau­frän­kisch Ried Mönch­sa­cker von Ste­fan Zehet­bau­er in Schüt­zen am Stein auf: ein schnör­kel­lo­ser, sehr duf­ti­ger Wein, der viel natür­li­chen Charme aus­strahlt und in sich ein­fach stim­mig ist. Auch der herz­haf­te Blau­frän­kisch aus der Rie­de Alt Satz des Rot­wein­guts Prick­ler aus Lutz­mann­burg über­zeug­te in sei­ner ehr­li­chen, unver­bil­de­ten Art.

Beson­ders ein­drucks­voll die Eisen­berg DAC Reser­ve von Jalits aus dem Süd­bur­gen­land. So einen saf­ti­gen, mineralisch-würzigen Wein fin­det man in die­ser Preis­klas­se sel­ten. Er stellt auch anspruchs­vol­le Wein­trin­ker zufrie­den. Im Ver­gleich mit den Lem­ber­gern aus Würt­tem­berg geht er mei­ner Mei­nung nach als Sie­ger hervor.

Licht und Schatten im Mittelburgenland

Eti­kett Gesell­mann­Span­nend wird es bei den hoch­klas­si­gen Blaufränkisch-Weinen. Ihre Zahl hat sich den letz­ten 15 Jah­ren ver­drei­facht oder ver­vier­facht. Aber nicht alles, was da für 20 oder gar 40 Euro ange­bo­ten wird, ist sein Geld wert. Im Mit­tel­bur­gen­land, das sich selbst ger­ne als „Blau­frän­ki­sch­land“ fei­ert, ist die Span­ne der Qua­li­tä­ten beson­ders groß. Wei­ne mit hoher Säu­re (bis 6,5 gr/l) und gleich­zei­tig hohem Alko­hol (nicht sel­ten bis 14,5 Vol.%) sind sel­ten balan­ciert. Das trifft zum Bei­spiel auf den Well von Wellan­s­chitz zu.

Auf der ande­ren Sei­te gibt es sehr gelun­ge­ne Blaufränkisch-Gewächse, auch im Preis­be­reich bis 20 Euro: etwa Paul Kersch­baums Ried Dürrau. Auch Gager setzt mit sei­ner DAC Reser­ve Ried Mit­ter­berg  Maß­stä­be hin­sicht­lich Preis-/Qualitätsverhältnis: ein von sei­ner Struk­tur her eher mode­ra­ter Wein, der sehr reduk­tiv aus­ge­baut ist und Frucht, Säu­re und Alko­hol gut aus­ba­lan­ciert. Man könn­te sagen: Punkt­lan­dung am Gau­men. Über­ra­gend Gesell­manns Ried hoch­berc. Aber für 40 Euro darf man auch etwas Beson­de­res erwarten.

Im Südburgenland glänzt Wachter-Wiesler

Weinberge Burgenland | Foto: © ÖWM/Lukin
Wein­ber­ge Bur­gen­land | Foto: © ÖWM/Lukin

Im Süd­bur­gen­land wird fast nur Blau­frän­kisch ange­baut. Dort ragen im Moment die Wei­ne von Wachter-Wiesler her­aus. Mit beängs­ti­gen­der Sicher­heit kit­zelt der jun­ge Chris­toph Wach­ter fei­ne und feins­te Nuan­cen aus den Wei­nen her­aus. Kopf­en­stei­ners Blau­frän­ki­sche sind etwas weni­ger ambi­ti­ös, aber eben­falls aus­drucks­stark und sehr trink­freund­lich. Krutz­lers Per­wolff, eine Wein­le­gen­de, ist ohne Fehl und Tadel, reißt mich aber dies­mal nicht zu Begeis­te­rungs­stür­men hin. Der Span­nungs­bo­gen zwi­schen Opu­lenz und Ele­ganz reißt ab, es bleibt der Ein­druck eines dicken, etwas behä­bi­gen Schlachtschiffes.

Der Leithaberg ist bestes Blaufränkisch-Terrain

Wein­ber­ge Leit­ha­berg | Foto: © ÖWM­Der Leit­ha­berg über dem Neu­sied­ler­see ist ein her­aus­ra­gen­des Ter­rain für Blau­frän­kisch. In den mit­tel­ho­hen, küh­le­ren Lagen die­ses Klein­ge­bir­ges ent­ste­hen kei­ne obs­zön alko­hol­rei­chen, son­dern eher ele­gan­te, mine­ra­li­sche Wei­ne. Fünf Wei­ne des Jahr­gangs 2011 rag­ten nach mei­ner Mei­nung her­aus: Ani­ta und Hans Nitt­naus Ried Tan­nen­berg, ein aro­m­en­tie­fer, nicht über­la­de­ner Blau­frän­kisch mit mode­ra­tem Holz­ein­satz. Dann Anton Hartls sub­li­mer, mit viel Fin­ger­spit­zen­ge­fühl gemach­ter Ried Rosen­berg. Natür­lich Prie­lers famo­ser Ried Gold­berg, der inzwi­schen so ele­gant ist, dass er manch­mal die Gren­ze zum Gefäl­li­gen streift. Und die zwei Lagen­wei­ne von Mar­kus Alten­bur­ger: der fast burgundisch-leichtfüßige Blau­frän­kisch von der Rie­de Jun­gen­berg (Schie­fer) und der etwas vol­le­re, rei­fe­re Blau­frän­kisch Ried Grit­schen­berg (Kalk). Als sechs­ten Wein könn­te man noch den Jagi­ni von Han­nes Schus­ter benen­nen, wäre er im Moment nicht so sper­rig, ver­schlos­sen, abweisend.

Der neue, puristische Blaufränkisch-Stil

Eti­kett Jagi­ni­Aller­dings wird die­ser Wein, selbst wenn er sich fängt, kon­tro­vers beur­teilt. Denn es gibt zwei Blaufränkisch-Schulen im Bur­gen­land: die eher tra­di­tio­nel­le, die rei­fe, struk­tur­be­ton­te Wei­ne anstrebt. Und die puris­ti­sche Schu­le, die auf mode­ra­ten Alko­hol, spür­ba­re Säu­re, Ver­zicht auf Neu­holz, kurz: Ele­ganz setzt. Die­ser Schu­le gehört auch Schus­ter an. Vie­le Wein­trin­ker tun sich schwer mit Blaufränkisch-Weinen die­ses Stils. Zu karg kom­men ihnen die Wei­ne vor, zu säu­re­be­tont. Roland Velich ist der Haupt-Exponent die­ser Schu­le. Er hat mit sei­nem Moric-Projekt die­se Schu­le begrün­det. Sein 2011 Blau­frän­kisch Lutz­manns­dorf Alte Reben war für mich der bes­te Wein der gan­zen Blaufränkisch-Probe: ein unge­mein dich­ter, sam­ti­ger Wein ohne Röst­aro­men oder Scho­ko­no­ten, dafür mit rei­fer Säu­re und gar nicht so nied­ri­gem Alko­hol­ge­halt (14 Vol.%) – der bes­te Moric, den es je gab. Die Vor­stel­lung, wie die­ser Wein in zehn Jah­ren schme­cken könn­te, lässt mei­ne Augen glänzen.

Triebaumer, Achs & Co.: die Antipoden

Ernst Trie­baum­ers Blau­frän­kisch Ried Mari­en­thal ist eine Art Gegen­ent­wurf zum puris­ti­schen Moric-Stil. Auch er ist her­vor­ra­gend gelun­gen. Aber er ist dunk­ler und süßer, wirkt rei­fer und etwas weni­ger säu­re­be­tont, wenn­gleich die ana­ly­ti­schen Wer­te denen des Moric-Blaufränkisch recht ähn­lich sind. Natür­lich ist der Barrique-Ausbau bei die­sem Wein nicht zu leug­nen. Deut­li­che­re Anti­po­den sind jedoch die bei­den Blau­frän­kisch von Paul Achs aus Gols: der extrem dich­te Ried Spie­gel und der hoch kon­zen­trier­te, fast süß schme­cken­de Ried Alten­burg, wobei auch hier dazu­ge­sagt wer­den muss, dass bei­de mit der Säu­re wahr­lich nicht geizen.

Dreimal Spitzerberg

Wein­ber­ge Wien | Foto: © ÖWM/ElzeAuch in der benach­bar­ten Zweigelt-Hochburg Car­nun­tum brei­tet sich Blaufränkisch-Euphorie aus. Drei Wei­ne konn­te ich von dort pro­bie­ren, alle vom Spit­zer­berg. Johan­nes Tra­pls Wein ist locker gewo­ben und nicht über­am­bi­tio­niert, wes­halb er sich als der am wenigs­ten anstren­gends­te der drei ent­puppt. Robert Payrs Wein steht für das Gegen­teil: dick, über­ex­tra­hiert, opu­lent – ein Blau­frän­kisch mit der See­le eines Zwei­gelt. Dor­li Muhr und Dirk van Nie­po­ort sind dage­gen  nicht der Ver­su­chung erle­gen, ihrem Wein krampf­haft mehr Struk­tur zu geben. Ihr Spit­zer­berg Blau­frän­kisch ist – wie alle spon­tan ver­go­re­nen Wei­ne – im jun­gen Sta­di­um schwer zu pro­bie­ren. Aber die Ent­wick­lung geht bei ihm in Rich­tung eines wei­chen, leicht säu­re­be­ton­ten Weins mit trans­pa­ren­ter Frucht und hoher Trinkeleganz.

Zweigelt – die Cuvées

Und wo blei­ben die Zwei­gelts? Ich habe sie nicht pro­biert. Mögen sie auch noch so popu­lär sein, mögen sie von teil­wei­se bestechen­der Qua­li­tät oder idea­le Kuschel­wei­ne vor dem Fern­se­her sein – ich per­sön­lich zie­he den Blau­frän­ki­schen vor. Cuvées unter Ein­schluss von Zwei­gelt sind etwas ande­res. Aller­dings habe ich, da die Zeit auf der gro­ßen VieVinum-Rotweinprobe zu kurz war, nur kurz hin­ein­schme­cken kön­nen. Immer­hin soviel kann ich sagen: 2011 war ein sehr guter Jahr­gang für Cuvées, egal ob die­se von Ger­not Hein­rich, Pöckl, Claus Prei­sin­ger und den ande­ren übli­chen Ver­däch­ti­gen kommen.

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