Österreich 2014: im Fußball zweitrangig, beim Weißwein Weltklasse

Alle zwei Jahre findet Österreichs Weinmesse VieVinum statt
Alle zwei Jahre findet Österreichs Weinmesse VieVinum statt
Grü­ner Velt­li­ner in Top-Qualität. Ries­ling im Kon­kur­renz­kampf mit Deutsch­land – knapp 30 Jahre nach dem Wein­skan­dal ist Öster­reich auf­er­stan­den wie Phö­nix aus der Asche. Jens Priewe war auf der Wein­messe Vie­Vi­num in Wien.

Fuß­bal­le­risch mag Öster­reich ein Zwerg sein. Beim Wein ist das Land ein Rie­se, auch wenn sei­ne Reb­flä­che nur halb so groß ist wie die Deutsch­lands. Knapp 30 Jah­re nach dem Wein­skan­dal, der die Alpen­re­pu­blik bis ins Mark erschüt­ter­te und zum völ­li­gen Zusam­men­bruch aller Struk­tu­ren geführt hat­te, glänzt Öster­reich hel­ler denn je.

Aus der Asche von damals ist ein Land erstan­den, in dem Kul­tur nicht nur aus  Mozart, Johann Strauss, Robert Musil und dem Burg­thea­ter besteht, son­dern sich auch als Wein mani­fes­tiert. Und dass Öster­reich qua­li­ta­tiv auf Augen­hö­he mit den gro­ßen Wein­na­tio­nen der Welt ist, wis­sen nicht nur die wein-chauvinistischen Ösis, zumin­dest beim Weiß­wein. Der Grü­ne Velt­li­ner genießt auch in Ham­burg und Man­hat­tan, in Zürich, Kopen­ha­gen und Tokio hohe Anerkennung.

Weinmäßig spielt Österreich in der höchsten Liga

Ter­ras­sen in der Wach­au­Die bes­ten Trop­fen aus die­ser ur-österreichischen Sor­te ran­gie­ren auf der Ska­la der inter­na­tio­na­len Juro­ren bei 92+. Stei­ri­scher Sau­vi­gnon blanc aus der küh­len Stei­er­mark spielt in einer Liga mit den gro­ßen Wei­nen von der Loire. Die Ries­lin­ge aus Wach­au, Krems und dem Kamp­tal duel­lie­ren sich mit den famo­sen deut­schen Ries­lin­gen. David Schild­knecht, Par­kers Mann für alles Öster­rei­chi­sche und Deut­sche, hat einem Wach­au­er Ries­ling letz­ten Monat erst­mals die Ide­al­no­te von 100 Punk­ten gege­ben. Einem tro­cke­nen deut­schen Ries­ling wur­de die­se Ehre noch nicht zuteil.

Auch bei den Rot­wei­nen hat Öster­reich mäch­tig auf­ge­holt. Der Blaue Zwei­gelt ist die wohl bes­te Ein­stiegs­dro­ge in die Welt des Weins. Als Tisch­wein macht er sei­ne Sache eben­so gut wie als Kuschel­wein vor dem Fern­se­her. Zur Ken­ner­dro­ge avan­ciert ist dage­gen der Blau­frän­ki­sche. Die Spit­zen­qua­li­tä­ten sind einem Gevrey-Chambertin näher als einem Lem­ber­ger aus Würt­tem­berg. Im Höhen­flug befin­det sich auch der Pinot Noir. Aller­dings ist bei die­ser Reb­sor­te die Her­aus­for­de­rung grö­ßer als die bis­her erreich­ten Ergebnisse.

Ihren Wein trinken die Österreicher am liebsten selbst

550 Aussteller auf der VieVinum
550 Aus­stel­ler auf der VieVinum

So etwa wür­de mei­ne Resü­mee lau­ten nach drei Tagen auf der Vie­Vinum, Öster­reichs zwei­jähr­lich in Wien statt­fin­den­der Wein­mes­se. 550 Aus­stel­ler waren zuge­gen. Über 15.000 Besu­cher kamen aus allen Tei­len der Welt. Das größ­te Pro­blem, das Öster­reich der­zeit hat, sind die zu gerin­gen Men­gen sei­ner Spit­zen­wei­ne. Der aller­größ­te Teil wird näm­lich in Öster­reich selbst getrun­ken – zum Ärger ita­lie­ni­scher und fran­zö­si­scher Wein­pro­du­zen­ten, die frü­her viel mehr nach Öster­reich ver­kauft hat­ten. Von den rest­li­chen 30 Pro­zent bekommt Deutsch­land das meis­te ab, die Schwei­zer wenigs­tens ein biss­chen. Für Ame­ri­ka­ner, Chi­ne­sen, Japa­ner bleibt danach nicht mehr viel übrig.

Es sei denn, sie las­sen ihn sich bei ihren Österreich-Besuchen in Heu­ri­gen, Gast­häu­sern, Buschen­schän­ken und Restau­rants ser­vie­ren. Rund 5 Pro­zent des Weins wird dort von Aus­län­dern kon­su­miert. Öster­reichs Gas­tro­no­mie flo­riert. Zu Wie­ner Schnit­zel, Back­hendl, Tafel­spitz, Kalbs­rahm­gu­lasch trinkt man nun mal kei­nen Soave aus Ita­li­en und kei­nen Ribe­ra del Due­ro aus Spa­ni­en, son­dern Grü­nen Velt­li­ner oder saf­ti­gen Zweigelt.

Sauguter Wein bei Ingrid Groiss

Ingrid Grois­sA­pro­pos Grü­ner Velt­li­ner. Der ers­te, der mei­ne Auf­merk­sam­keit auf der Vie­Vinum erreg­te, hieß Sau­berg. Ein Wein­vier­tel DAC der jun­gen Win­ze­rin Ingrid Groiss. Sie kommt zwar aus einer Win­zer­fa­mi­lie, hat aber BWL stu­diert und meh­re­re Marketing-Jobs gemacht, bevor sie zurück aufs Land zog und sich ins Aben­teu­er Wein stürz­te. „Spürst du die Mine­ra­lik?“, duz­te sie mich in bewähr­ter Ösi-Manier, um gleich die pas­sen­de Ant­wort zu geben: „Da schmeckst du den Wein­berg.“ Stimmt, obwohl ich eher die sat­te, saf­ti­ge Frucht wahr­nahm. In jedem Fall: ein sau­gu­ter Wein, doch eher für genaue Hin­schme­cker als für Drauf­los­trin­ker. Aber Letz­te­re kön­nen sich, da Drauf­los­trin­ken schnell ins Geld geht, auch vor­züg­lich an den ein­fa­che­ren Wei­nen der Frau Groiss ver­gnü­gen. Sie gibt es schon für 7,50 Euro. Mein Sau­berg kos­tet knapp 30 Euro.

Stirn­run­zeln dage­gen bei den Wei­nen von Bern­hard Ott. Alle drei Lagen­ge­wäch­se (Stein, Spie­gel, Rosen­berg) spon­tan ver­go­ren und von üppi­ger Fül­le, aber deut­lich rest­süß. Ich fin­de nicht, dass es ein Sakri­leg ist, einen Wein mit Rein­zucht­he­fen zu ver­gä­ren. Haupt­sa­che, er gärt durch. Das gilt ins­be­son­de­re für Spit­zen­wei­ne. Rest­sü­ße über­tüncht Terroirnoten.

Jurtschitsch auf der Überholspur

Alwin Jurtschitsch­Ganz anders die Kamp­tal DAC Reserve-Weine des jun­gen Alwin Jurtschitsch und sei­ner Lebens­ge­fähr­tin Ste­fa­nie Has­sel­bach (aus dem Nacken­hei­mer Wein­gut Gun­der­loch): eben­falls spon­tan ver­go­ren, aber ohne jeg­li­che Rest­sü­ße. Es geht also! Die Ers­ten Lagen sind alle­samt prä­zis und tief­fruch­tig: Lamm hoch­mi­ne­ra­lisch, Loi­ser­berg wun­der­bar cre­mig, Hei­li­gen­stein eher seh­nig als fett und extrem fines­sen­reich, Sol­che Wei­ne kriegt nur, wer sei­ne Böden genau kennt und sei­ne Reb­stö­cke wie klei­ne Lebe­we­sen behan­delt. Gro­ße Wei­ne, mit Herz und Intel­li­genz erzeugt. Übri­gens: Schon Jurtschitschs Grü­ner Velt­li­ner „Stein“, ein ein­fa­cher Kamp­tal DAC für unter zehn Euro, ist ein denk­wür­di­ger Wein in sei­ner Kategorie.

2013 in der Wachau: toller Jahrgang

Knoll Pfaffenberg
Knoll Pfaf­fen­berg

Die Wach­au ist glück­lich über den Jahr­gang 2013. Gesun­des Lese­gut, wenig bis kei­ne Botry­tis und schö­ne Säu­ren, was beson­ders den Grü­nen Velt­li­nern zu Gute kommt. Wenn ich Ban­ker wäre, wür­de ich Högls Grü­nen Velt­li­ner Sma­ragd von der Lage „Schön Alte Par­zel­len“ Sixpack-weise kau­fen. Die Fla­sche kos­tet über 35 Euro. Bei Knoll wür­de ich den dies­mal beson­ders gelun­ge­nen Ries­ling Sel­ec­tion vom Pfaf­fen­berg ordern (der von Krem­ser Lagen kommt). Kos­tet auch um die 30 Euro. Bei Pra­ger wür­de ich den gan­zen Laden kau­fen (par­don: das gan­ze Sor­ti­ment), so gut sind dort die 2013er.

Ries­ling stän­de natür­lich auch auf mei­nem Ein­kaufs­zet­tel. Sich für die Sma­rag­de von FX Pich­ler (Kel­ler­berg) und Hirtz­ber­ger (Sin­ger­rie­del) zu ent­schei­den, ist leicht und nicht sehr ori­gi­nell. Bei­des Weltklasse-Weine. Sie kann man nicht links lie­gen las­sen, nur weil man Deut­scher ist.

Parkers 100-Punkte-Riesling

Dann habe ich noch die 1995er  Ries­ling Vino­the­ken­fül­lung vom Wein­gut Niko­lai­hof pro­biert, jenen Wein, der bei Par­ker 100 Punk­te bekom­men hat. Leicht­fü­ßig tän­zelt er über die Zun­ge, ist zart­fruch­tig und unglaub­lich frisch auch nach 17 Jah­ren im Holz­fass noch. Beein­dru­ckend. Aber 90 Punk­te wären auch okay. Denn der Wein ist mit 12,5 Vol.% nach offi­zi­el­ler Les­art nur ein Feder­spiel und kommt nicht aus einer der gro­ßen Wach­au­er Lagen.

Niko­laus Saah­sIr­gend­wie woll­te David Schild­knecht mit sei­nem Urteil noch etwas ande­res als pure Qua­li­tät aus­drü­cken, ver­mu­te ich. Viel­leicht, dass ihn die opu­len­ten und alko­hol­schwe­ren Sma­rag­de lang­wei­len. Übri­gens schenk­te mir Niko­laus Saahs noch die 97er Vino­the­ken­fül­lung ein, den Nach­fol­ger. Er ist, glau­be ich, nicht schlech­ter als der 95er und noch erhält­lich.  Ich fürch­te nur, dass er mehr als 69 Euro kos­ten wird.

Doch der Jah­res­bo­nus, der mir als Ban­ker zustän­de, ist sowie­so schon fast auf­ge­braucht. Ich könn­te mir höchs­tens noch ein paar Fläsch­lein der klei­ne­ren, unbe­kann­te­ren Erzeu­ger gön­nen. Von vie­len von ihnen kom­men in 2013 eben­falls sehr gute Wei­ne – nur etwas bra­ver und oft­mals zu tech­nisch. Es fehlt die Magie.

Ein Brut Rosé vom Schilcher ohne Schwefel

Brut Rosé­Wo­mit wir bei der Eso­te­rik wären. Im Pala­vici­ni Palais neben der Hof­burg fand die Raw statt. Das ist eine Mes­se für bio-organische und bio-dynamische Wei­ne sowie für natu­ral wines (also Wei­ne ohne jede Zusät­ze, auch nicht Schwe­fel). Ich misch­te  mich unter die vie­len San­da­len­trä­ger mit Dreiviertel-Schlabberhosen, bestaun­te nack­te Waden mit Graswurzel-Tattoos, blick­te in lau­ter Gesich­ter mit Zie­gen­bärt­chen. Rasiert und in Jackett war ich der Exot. Jeden­falls hat­te ich nicht den Ein­druck, posi­ti­ve Ener­gie auszustrahlen.

Die Augen gerie­ben habe ich mir aller­dings bei einem unge­schwe­fel­ten Brut Rosé aus Schil­ch­er­trau­ben: herr­lich cre­mig, packend, voll durch­ge­go­ren. So eine schö­ne Fla­schen­gä­rung habe ich schon lan­ge nicht mehr im Glas gehabt (und Cham­pa­gner trin­ke ich nicht nur zu Sil­ves­ter). Der Brut Rosé kam aus der (bio­dy­na­mi­schen) Wein- und Sekt­ma­nu­fak­tur von Franz und Chris­ti­ne Stroh­mei­er in der West­stei­er­mark (ca. 20 Euro).

„Neue österreichische Schule“ beim Chardonnay

Zum Schluss zu Erwin Saba­thi. Der jun­ge Stei­rer hat sich mit Char­don­nay einen Namen gemacht, was in der Sauvignon-lastigen Stei­er­mark auf­fällt. Wer die kna­cki­ge, natur­va­nil­li­ge Ver­si­on des Char­don­nay mag, also die Stei­ri­sche Klas­sik, kommt bei ihm selbst­ver­ständ­lich auf sei­ne Kos­ten. Wer hin­ge­gen das bur­gun­di­sche Ele­ment sucht, könn­te jedoch ins Schwär­men gera­ten. Saba­thi ver­gärt sei­ne Spit­zen­wei­ne im klei­nen Holz­fass und baut sie, wie inter­na­tio­nal üblich, auf der Fein­he­fe aus. Aber er rührt die Hefe nicht auf. Durch Ver­zicht auf die­se Bâto­na­ge ist sein Wein säu­re­be­ton­ter, weni­ger cre­mig, den­noch immens tief­fruch­tig und lang­le­big. Der 2012er Char­don­nay Alte Reben ist ein Wein die­ser „neu­en öster­rei­chi­schen Schu­le“ (die nicht nur von Saba­thi prak­ti­ziert wird). Wer weiß, was gute Puli­gnys und Meurs­aults kos­ten, macht für so einen Wein ger­ne 20 Euro locker. Selbst 37,50 Euro für den noch bes­se­ren Char­don­nay Mer­veil­leux sind nicht zu viel.

Wein­gut Erwin Sabathi

Kommentar hinzufügen

Antwort schreiben