Prosecco gehört zu den beliebtesten, aber journalistisch am hartnäckigsten ignorierten Weinen. Warum, kann eigentlich niemand sagen. Schluss damit. Ich habe mich dem Thema Prosecco genähert und eine kleine Verkostung für mich und ein paar Freunde von der Münchener Weinhandlung Garibaldi organisiert. Das Thema: die neuen Rive-Prosecco.
Ende des Wildwuchses
Nie gehört? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Selbst Sommeliers, Weinhändlern und anderen Fachleuten ist von der Existenz eines solchen Nobel-Prosecco wenig bekannt. Tatsächlich gibt es ihn auch erst seit vier Jahren. Solange existiert nämlich die neue DOCG. Also die neue amtliche Ursprungsbezeichnung. Mit ihr wurde die gesamte Prosecco-Welt neu geordnet. Das Ziel war, den Wildwuchs an billigen, industriellen Massenprodukten wenigstens einzudämmen und den „echten“ Prosecco wieder zu Ehren zu bringen. Mehr noch: Der Konsument soll ihn auch äußerlich als solchen erkennen können.
Zu der Neuordnung gehörte auch eine Klassifikation der besten Lagen im historischen Anbaugebiet um die Städte Conegliano und Valdobbiadene. Sie liegen in Venetien, nördlich der Stadt Treviso. Dort ist der Prosecco als schäumender Weißwein vor hundert Jahren geboren worden. Als Bauernwein, versteht sich, notdürftig mit einem Korken und einem Tuch darüber verschlossen. In den Osterien von Venedig floss er in Strömen, auf dem flachen Land sowieso.
Wie es zum Prosecco Superiore kam
Kurz rekapituliert: Der wichtigste Teil der Neuordnung bestand darin, der Traubensorte Prosecco ihren alten Namen wiederzugeben: Glera. Damit wurde der Begriff „Prosecco“ frei für den Wein. Aber darf seitdem nur verwendet werden für den „echten“ Prosecco von den Hügeln um Conegliano und Valdobbiadene und für den von den benachbarten Hügeln um Treviso (die teilweise ebenso gut geeignet sind für den Prosecco). Dieser kommt als Prosecco DOC in den Handel, der andere Prosecco Superiore DOCG (mit dem Zusatz Conegliano Valdobbiadene). All die industriellen Billig-Prosecco, die teilweise gar nicht aus Venetien kamen und statt aus der Prosecco-Traube aus Trebbiano, Pinot Bianco oder anderen in Norditalien angebauten Sorten bestanden, dürfen sich seitdem nicht mehr Prosecco nennen. Dadurch ist der Wildwuchs an Prosecco, die nur so heißen, aber keine sind, eingedämmt worden.
Die Rive-Prosecco
Die Lagenklassifikation, die gleichzeitig vorgenommen wurde, bezog sich allerdings nur auf die historische Zone um Conegliano und Valdobbiadene, also auf den Prosecco Superiore DOCG. 63 Lagen im Gebiet des Prosecco Superiore wurden dabei herausgehoben und genau definiert: alles Steillagen und damit hoch gelegene Weinberge, deren Untergrund steinig ist und deren Kleinklima sich durch hohe Temperatursprünge zwischen Tag und Nacht auszeichnet – gute Voraussetzungen für ausdrucksvolle, nervige Weine.
Charakteristik der Rive-Prosecco
Die Prosecco Superiore aus diesen Rive-Lagen zeichnen sich durch ein besonders feines Frucht-Säure-Spiel aus. Sie weisen mehr oder minder ausgeprägte mineralische Noten auf. Handlese ist zwingend vorgeschrieben (Maschinenlese wäre in diesen Lagen auch gar nicht möglich). Die Höchsterträge dürfen 13.000 Kilogramm Trauben nicht überschreiten (für den normalen Prosecco Superiore gelten 13.500 Kilogramm). Außerdem darf es Rive-Prosecco nicht in der Frizzante-, sondern nur in der Spumante-Version geben.
Teilweise begeisternde Qualitäten
Ich habe 31 dieser Rive-Prosecco verkostet – blind. Fazit: Diese Prosecco Superiore sind fast ausnahmslos technisch gut und sauber gemachte Weine. Fehlerhaft war kein einziges Produkt. Die meisten sind nachhaltiger als die normalen Prosecco Superiore. Sie wirken reifer und haben eine höhere Säure, was dazu führt, das ein großer Teil in der Geschmacksrichtung Extra Dry liegt (17 -35 Gramm Restzucker). Sie zeichnen sich durch ein feines Spiel zwischen Säure und Restsüße aus und ähneln ein wenig dem Cartizze.
Manchmal dem Cartizze ähnlich
Diese Bezeichnung steht für Prosecco, die aus der gleichnamigen, als besonders hochwertig betrachteten Einzellage (137 Hektar) kommen. Sie ist allerdings tief gelegen und vergleichsweise warm. Cartizze-Prosecco unterscheiden sich durch ihre reifen, ins Exotische gehenden Aromen von Orangen, Honigmelone, Stachelbeeren und Schwarzen Johannisbeeren von den eher „grünen“ Aromen der normalen Prosecco Superiore. Sie werden fast immer restsüß ausgebaut.
Extra Dry und Brut
Die besten Rive-Prosecco aber sind für mich die schlanken, rassigen Schäumer mit den hintergründig-mineralischen Noten: teilweise begeisternde Weine – natürlich in der Kategorie der Tank-Versektung (Charmat-Methode). Die meisten dieser Weine liegen in der Geschmacksrichtung Brut (unter 15 Gramm Restzucker, meist nur 5-7 Gramm). Meine Bewertungen der 31 Rive-Prosecco finden Sie auf der nächsten Seite.
Wie groß sind die Unterschiede?
Trotzdem habe ich den Eindruck, dass zwischen einem normalen Prosecco Superiore und einem Rive-Prosecco keine Welten liegen. Wir hatten drei normale Prosecco Superiore aus dem Garibaldi-Sortiment in die Probe geschmuggelt. Keiner fiel groß ab. Keiner fiel als weniger gut auf. Ob die Preisunterschiede immer gerechtfertigt sind, bezweifele ich. Rive-Prosecco liegen zwischen 10 und 19 Euro, normale Prosecco Superiore zwischen 7 und 10 Euro.
Übrigens: Die Rive-Prosecco wurden mir von den jeweiligen Erzeugern gratis zur Verfügung gestellt. Nicht alle sind in Deutschland im Handel.