Nahe-Winzer Martin Tesch macht Hosen-Riesling

Die Punkrock-Band die Toten Hosen und der Winzer Martin Tesch haben sich gefunden. Nach dem „Machmalriesling“ vor einem Jahr ist jetzt der 2009 Riesling „Weißes Rauschen“ fertig – ein typischer Tesch-Wein: pur, ungeschminkt, gnadenlos trocken. Er passt nicht nur zur Musik der Hosen, sondern auch zu einem Chicken-Wrap und einem Veggie-Burger. Findet Jens Priewe.

Cam­pi­no liebt Rot­wein. Aber die fünf ande­ren Toten Hosen trin­ken nach dem Kon­zert (und auch sonst) Bier oder Ries­ling – wenn die­ser von Tesch kommt. Mar­tin Tesch ist Win­zer an der Nahe, aber einer, der einen eige­nen Weg geht. Er ver­wei­gert sich den main­strea­mi­gen Wei­nen und dem eta­blier­ten Wein­be­trieb eben­so wie den rocki­gen Schnul­zen eines James Blunt oder Ste­ve Gar­rett. Sei­ne Wei­ne wol­len nicht um jeden Preis gefal­len. Sie sind unge­schminkt, pur. Manch­mal gibt es Dis­har­mo­nien. Tesch sagt, sie besä­ßen „Ecken und Kan­ten und Gräten“.

Vor eini­gen Wochen hat Tesch einen neu­en Ries­ling her­aus­ge­bracht, der für die Toten Hosen und ihre Fans gemacht ist und nach einem ihrer Songs benannt ist: Wei­ßes Rau­schen. Ein dröh­nen­des Gitarren-Gewitter, dra­ma­tisch und unme­lo­di­ös. Punk­rock eben. Aber nicht nur die Musik, auch der Text hat Tesch gefallen:

„Ich lau­fe auf zwei Bei­nen rum, die nicht zu mir gehören.
Sie rei­chen ganz knapp bis zum Boden, doch ich kann sie nicht spüren.
Sie tra­gen mich durch die Gegend, kei­ne Ahnung wohin.
Sie gehen nicht so wie ich es will, blei­ben auch nicht stehen.

Wei­ßes Rau­schen – es ist so ein lan­ger Weg
zurück zu dir.

Die Zeit rast wie ein Schnell­zug an mir vorbei.
Ich ste­he auf dem Bahn­steig, denk mir nichts dabei.
Über mir brennt der Him­mel und unter mir tobt das Meer,
ich flie­ge in mei­nem Kopf alten Träu­men hinterher.

Wei­ßes Rau­schen – es ist so ein lan­ger Weg
zurück zu dir,
zurück zu mir,
zurück zu uns.“

Die letz­ten vier Zei­len ste­hen auf dem Rücke­ti­kett des Weins. „Zurück zum Glück“, fügt Tesch hinzu.

Eigent­lich ist der Wein ganz anders als der Song. Eher still, leicht­füs­sig und fein struk­tu­riert. Er wur­de nicht chap­ta­li­siert, nicht ent­säu­ert. Obwohl er bis zum bit­te­ren Ende durch­gär­te und somit gna­den­los tro­cken ist, hat er nicht mehr als 12 Vol.% Alko­hol. Und ein Holz­faß hat er auch nicht gese­hen. Den­noch ist die­ser Ries­ling kein Desas­ter. „Bladerunner-sharp“ hat der in Ber­lin leben­de Riesling-Experte Stuart Pigott über Wei­ßes Rau­schen geschrie­ben. Frei über­setzt: ein Wein auf des Mes­sers Schneide.

Tesch ist in Lan­gen­lo­ins­heim bei Bin­gen auf­ge­wach­sen. Mit 15 lief er in lan­gem, schwar­zen Leder­man­tel rum, klau­te Schall­plat­ten und begeis­ter­te sich für die Musik von The Clash, Dead Ken­ne­dys, Sex Pis­tols. Er war ein Punk. Heu­te ist er 39, heißt kor­rekt Dr. Mar­tin Tesch und lei­tet das 300 Jah­re alte Fami­li­en­wein­gut an der Nahe. Der Wein ist ihm inzwi­schen sehr wich­tig, nicht nur, weil er sei­nen Lebens­un­ter­halt mit ihm ver­dient: „Das, was lebt, hat mich schon mein gan­zes Leben inter­es­siert. Tie­re, Pflan­zen – das ist schon sehr nah an mir dran.“

Aber auch die Musik ist ihm wich­tig: “Man ver­liert da natür­lich nie so die­se Prä­gung aus den Jah­ren damals, und ich bin heu­te noch an neu­en Hardrock-Bands inter­es­siert. Air­bourne fin­de ich im Moment groß­ar­tig. Oder die Beat­steaks oder Smo­ke Blow, Bands, wo du merkst: Okay, das läuft wirk­lich mit einer gro­ßen Tiefe.“

Was den Wein angeht, ist Tesch ein Riesling-Purist gewor­den: kei­ne Most­kon­zen­tra­ti­on, kei­ne Säu­re­kor­rek­tur, kei­ne künst­li­che Erhö­hun­gen des Alko­hol­ge­hal­tes, kein Holz­fass­aus­bau, vor allem kei­ne Rest­sü­ße. Selbst sei­ne fünf Lagen-Spätlesen sind voll­kom­men durch­ge­go­ren. „Es ist Zeit für tro­cke­ne Wei­ne“, fin­det er.

Am bes­ten kommt Teschs Phi­lo­so­phie bei sei­nem ein­fachs­ten Wein rüber, dem Ries­ling Unplug­ged. 2001 hat er ihn zum ers­ten Mal gefüllt. Heu­te ist er sein erfolg­reichs­ter Wein. Fast 40 000 Fla­schen pro­du­ziert Tesch von ihm jähr­lich und ver­kauft ihn in alle Welt.

Unplug­ged heißt in der Musi­ker­spra­che unver­stärkt: ein schnör­kel­lo­ser, mine­ra­li­scher Wein, sau­ber, ein­fach, klar im Geschmack und mit 7,50 Euro nicht uner­schwing­lich teu­er. Ries­ling­trin­kern, deren Gau­men auf Gro­ße Gewäch­se oder teu­re Spät­le­sen geeicht ist, ist er mög­li­cher­wei­se zu sprö­de, zu span­nungs­los. Zum Veggie Bur­ger oder zum Chi­cken Wrap ist er dage­gen der idea­le Wein. Und von der Bot­schaft her sind Ähn­lich­kei­ten mit der Musik­auf­fas­sung der Toten Hosen da.

1983 hat­te Tesch die Toten Hosen erst­mals live erlebt, als die­se nach Bin­gen kamen und in der halb­vol­len Turn­hal­le ein Kon­zert gaben. Die vier Musi­ker in den schwar­zen Leder­ja­cken und mit der Sta­chel­fri­sur waren damals noch ziem­lich unbe­kannt. Tesch gefiel das Unan­ge­pass­te ihrer Musik. Aber er ver­folg­te die Kar­rie­re der Band nicht.

1998 – Tesch hat inzwi­schen im Fach Mikro­bio­lo­gie pro­mo­viert – hört er die Musik der Toten Hosen im Radio wie­der. Sie gefällt ihm. Als die Band 2005 ein neu­es Album her­aus­bringt und es Unplug­ged nennt, nimmt Tesch Kon­takt zu ihr auf und erzählt von sei­nem Unplugged-Wein. Drei Jah­re spä­ter kommt es zum ers­ten Zusam­men­tref­fen mit den Musi­kern im Rah­men des Rock am Ring-Festival am Nür­burg­ring. Dabei taucht die Idee auf, einen eige­nen Wein zu kre­ieren. „Mach mal“ lau­tet der Auf­trag an Tesch. So ent­stand der „Mach­mal­ries­ling“, der ers­te Band-eigene Wein: unplug­ged selbst­ver­ständ­lich mit nur 11,5 Vol.% Alko­hol. Er war nach kur­zer Zeit ausverkauft.

Wei­ßes Rau­schen ist nun der Nachfolge-Riesling: etwas kräf­ti­ger, etwas druck­vol­ler, leicht schmelzig: „Irgend­wo zwi­schen mei­nem Unplug­ged und mei­nen Spät­le­sen ein­zu­ord­nen“, sagt Tesch. Er passt nicht nur zu Veggie Bur­ger und Chi­cken Wraps. Er macht sich bei­spiels­wei­se auch gut zu fei­ne­ren Spei­sen: einem auf der Haut kross gebra­te­nen Zan­der oder einem Thun­fisch mit Sesam­krus­te. Lei­der kom­men die­se Gerich­te im Leben eines Punk­ro­ckers sel­ten vor. Aber die Toten Hosen fin­den, dass er not­falls auch solo schmeckt, am bes­ten nach dem Konzert.

Den 2009 Ries­ling Wei­ßes Rau­schen gibt es nur im Six­pack für 66 Euro beim Wein­gut, Ver­sand inklusive.

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