Nach der Premiere der GG: Anmerkungen zum Jahrgang 2018

2018 wird überall in der Presse als grosser Jahrgang gefeiert. Nach der Verkostung der Grossen Gewächse dieses Jahrgangs hat Jens Priewe Zweifel. Er fand dramatisch gute, aber auch viele spannungslose Weine.

Dass 2018 nicht der ganz gros­se Jahr­gang ist, als der er gefei­ert wur­de (und wird), hat sich inzwi­schen her­um­ge­spro­chen. Die per­sön­li­chen Kom­men­ta­re vie­ler der rund 200 Jour­na­lis­ten, die Ende August zur Vor­pre­mie­re der Gros­sen Gewäch­se (GG) die­ses Jahr­gangs nach Wies­ba­den ins Kur­haus ein­ge­la­den waren, klan­gen teil­wei­se ernüch­ternd (komi­scher­wei­se ist der Tenor der ers­ten Arti­kel eben die­ser Jour­na­lis­ten erstaun­lich posi­tiv).

Ein ambivalenter Jahrgang

Mein Urteil zum Jahr­gang lau­tet: ambi­va­lent. Es gibt Wei­ne zum Nie­der­kni­en, und es gibt Wei­ne, die zwar gut schme­cken, aber eigent­lich nicht den Ansprü­chen an ein GG genü­gen. Und selbst die gelun­ge­nen GG sind nicht immer so über­ra­gend, dass die 30 bis 50 Euro, die sie mitt­ler­wei­le kos­ten, gut ange­legt sind. Zuge­ge­ben: Die 2018er sind sug­ges­ti­ve Wei­ne, die teil­wei­se schon jetzt gut antrink­bar sind, die mit viel Frucht auf­war­ten, „lecker“ schme­cken. Die geho­be­ne Gas­tro­no­mie, die sie bereits in den ers­ten zwei, drei Jah­ren auf die Kar­te setzt, wird über den Jahr­gang glück­lich sein. Auch manch pri­va­ter Wein­trin­ker, der nicht vor­hat, die Wei­ne zehn Jah­re lang zu bun­kern. Wes­sen Geniesser-Glück jedoch nicht an den Buch­sta­ben GG hängt, ist mei­ner Mei­nung nach in 2018 mit den Orts­wei­nen oft bes­ser bedient. Sie kos­ten die Hälf­te, sind in die­sem Jahr teil­wei­se ähn­lich gut (manch­mal sogar bes­ser) und haben, weil meist ein paar Tage frü­her gele­sen, ein grös­se­res Rei­fe­po­ten­zi­al als das eine oder ande­re GG.

Bis zu 99 Punkten gut

Mei­ne kri­ti­schen Anmer­kun­gen zum Jahr­gang soll­ten aber nicht den Ein­druck erwe­cken, als gäbe in 2018 kei­ne gross­ar­ti­gen Wei­ne. Von Mosel und Saar, die eigent­lich für ihre fruch­ti­gen bezie­hungs­wei­se fein­her­ben Wei­ne berühmt sind, kom­men über­ra­gen­de GG. Der heis­se Jahr­gang spielt den bei­den eher küh­len Anbau­ge­bie­ten in die Hän­de. Sebas­ti­an Bord­thäu­ser hat die Wei­ne ver­kos­tet und wird sie in den nächs­ten Tagen kom­men­tie­ren. Ähn­li­ches gilt für die Nahe. Die Pfäl­zer Wei­ne habe ich die­ses Jahr nicht selbst pro­biert. Das hat Roma­na Echen­sper­ger MW für den Wein­ken­ner getan. Auf ihr Res­u­mé bin ich gespannt. Ich habe dafür die GG aus Rhein­hes­sen unter die Lupe genom­men und eini­ge gran­dio­se Wei­ne gefun­den. Einem habe ich sogar 99 Punk­te gege­ben – nicht aus Über­mut. Auch in Würt­tem­berg und Baden gibt es mei­ner Mei­nung nach exzel­len­te GG von Char­don­nay und Ries­ling. Auch davon in den nächs­ten Wochen mehr.

Vielfach kleinerer Spannungsboden als in 2017

Noch ein Wort zum Kli­ma­ver­lauf des Jahr­gangs. Son­ne allein – und davon gab es genug in 2018 – macht noch kei­nen guten Jahr­gang. Son­ne und Licht machen, dass die Trau­ben voll aus­rei­fen kön­nen und gesund sind. Die­se bei­den Attri­bu­te sind auf jeden Fall für die 2018er gül­tig. Aber die Rei­fe­pha­se war rela­tiv kurz. Bevor die Näch­te kühl wur­den, was für die Aro­men­in­ten­si­tät und die Säu­re unge­mein wich­tig ist, hat­ten vie­le Wein­gü­ter die Trau­ben schon im Kel­ler. Das heisst: Der für die Win­zer angeb­lich so „unpro­ble­ma­ti­sche“ Jahr­gang war in Wirk­lich­keit gar nicht so leicht zu hän­deln.

Kluge Winzer ernteten früh, aber nicht zu früh

Das Kunst­stück bestand dar­in, nicht zu früh und nicht zu spät zu lesen. Vie­le 2018er deu­ten dar­auf hin, dass das Lese­fens­ter, das ein Win­zer zur Ver­fü­gung hat, voll aus­ge­nutzt wur­de und die Trau­ben einen Tick zu spät ein­ge­bracht wur­den. Indi­ka­to­ren dafür sind die teil­wei­se mode­ra­ten Säu­re­wer­te, die leicht erhöh­ten Alkohol- und damit Extrakt­wer­te sowie die von der Süße über­la­ger­te Mine­ra­li­tät. Das gilt beson­ders für eini­ge badi­sche Grau­bur­gun­der, die an frü­he­re Rulän­der erin­nern, und manch Würt­tem­ber­ger Weiss­bur­gun­der, der zu mäch­tig und mol­lig gera­ten ist. Aber auch Ries­lin­ge aus der Pfalz und vor allem aus dem Rhein­gau sind, fin­de ich, die­ser Gefahr erle­gen. Der gros­se Span­nungs­bo­gen, den zum Bei­spiel die 2017er GG auf­wei­sen, ist in 2018 klei­ner.

 

Ins­ge­samt war die 2018er Lese die frü­hes­te Lese in den Anna­len der meis­ten Wein­gü­ter – durch­weg zwei Wochen frü­her als in dem berüch­tig­ten Hit­ze­jahr 2003. Ange­sichts der Dau­er­hit­ze im Sep­tem­ber haben klu­ge Win­zer sich ent­schie­den, eher früh zu lesen – eini­ge aber auch zu früh. Dar­auf deu­ten Wei­ne hin, die auf­fäl­lig kräu­ter­wür­zig sind und vie­le grü­ne Ele­men­te in ihrem Aro­men­spek­trum ent­hal­ten. Unge­wöhn­lich für einen heis­sen, tro­cke­nen Jahr­gang. Die­se GG wer­den nor­ma­ler­wei­se mit den Jah­ren nicht bes­ser. Aber alle Theo­rie ist grau. War­ten wir ab, wie die Wei­ne sich ein paar Jah­ren prä­sen­tie­ren. Im Ver­kauf sind sie ab 1. Sep­tem­ber die­sen Jah­res.

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