Mosel GG 2018: Gut mit kleinen Kratzern

Sebastian Bordhäuser hat die Grossen Gewächse (GG) des Jahrgang 2018 von Mosel, Saar, Ruwer probiert. Hier die Kommentare und Bewertungen aus der Sicht des erfahrenen Ex-Sommeliers und Weinkolumnisten.

Bei der dies­jäh­ri­gen „Vor­pre­mie­re“ der Gro­ßen Gewäch­se in Wies­ba­den mar­kier­te die Mosel die Spit­ze, was die Anzahl der ein­ge­stell­ten Wei­ne betraf: Gan­ze 60 Gro­ße Gewäch­se von ins­ge­samt 19 Gütern boten einen detail­lier­ten Blick auf das Jahr 2018. Wie­der ein­mal wur­de deut­lich, dass die Saar der Gewin­ner der Kli­ma­ver­än­de­rung ist. Von den ein­stel­len­den Betrie­ben stamm­ten sechs von der Saar und zwei von der Ruwer, der Rest ent­fiel auf die Mittel- und Ter­ras­sen­mo­sel. Ernst Loo­sen ging mit sage und schrei­be neun GG ins Rennen.

 

Die Terrassenmosel: Knebel und Heymann-Löwenstein

Ter­ras­sen­mo­sel

Eröff­net wur­de die Mosel-Phalanx mit einem Kra­cher: Mit sei­nem 2018er Rött­gen leg­te Mat­thi­as Kne­bel die Lat­te hoch – und nicht allein für die Ter­ras­sen­mo­sel. Schie­fer­wür­zig ver­ein­te sein Ries­ling Stof­fig­keit mit aus­la­den­der Frucht bei schlan­kem Kör­per, das Gan­ze glo­cken­klar mit lan­gem Nach­hall. Ein per­fek­ter Wein zur Kali­brie­rung, der zeig­te, wie man mit dem Jahr­gang 2018 umge­hen konn­te (94). Kne­bel und Heymann-Löwenstein tei­len sich den ers­ten Flight, wobei bei Löwen­stein die Wär­me des Jahr­gangs deut­li­cher her­vor­stach, was sich ins­be­son­de­re beim für gewöhn­lich sehr kar­gen Blau­füs­ser Lay in Rich­tung Pfir­sich ver­schob und für apar­ten Frucht­speck auf den Rip­pen sorg­te. Auch der sub­til rau­chi­ge Rött­gen Heymann-Löwensteins sowie sein Lau­bach und sein Kirch­berg zeig­ten sich von ihrer frucht­be­ton­ten Sei­te, wobei der Lau­bach am fokus­sier­tes­ten wirk­te und sich in der Nase bereits ziem­lich dis­zi­pli­niert zeig­te (92). Die fast sali­ne Schie­fer­mi­ne­ra­lik ver­lieh ihm ordent­lich Druck und hohe inne­re Span­nung, wäh­rend der Kirch­berg sich offen­her­zi­ger prä­sen­tier­te mit üppi­ger Frucht: eine in sich geschlos­se­ne, char­man­te und expres­si­ve Kollektion.

Blauer Devonschiefer
Blau­er Devonschiefer

 

Clemens Busch: Aromenregler auf maximalem Anschlag

Im zwei­ten Flight tra­fen Heymann-Löwenstein, Cle­mens Busch und Dr. Loo­sen auf­ein­an­der: ein Clash der Sti­lis­ti­ken, wie er grö­ßer nicht sein könn­te. Heymann-Löwensteins Stol­zen­berg reih­te sich sti­lis­tisch in die vor­an­ge­gan­ge­nen Wei­ne ein, der Mari­en­burg und Mari­en­burg „Rothen­pfad“ von Cle­mens Busch besta­chen durch ihre Prä­zi­si­on und Rein­tö­nig­keit. Der Mari­en­burg zeig­te sich glas­klar mit war­mer Frucht nach wei­ßen Pfir­si­chen und fül­li­gem Natu­rell, wohin­ge­gen der „Rothen­pfad“ aro­ma­tisch mehr ins Dunk­le ten­dier­te. Bei­de Wei­ne schie­nen unter­legt von gro­ßen Men­gen an Gestein, das sich förm­lich ins Glas ergoss. Mit deut­li­cher Phe­n­o­lik und etwas Bit­ter­scho­ko­la­de oder Tabak zeig­te sich der „Rothen­pfad“ fest mit dich­ter Sta­tur und soli­dem sali­nen Fun­da­ment und sprach zu die­sem Zeit­punkt mehr von der Zukunft als von bal­di­ger Trink­rei­fe (93): kom­pro­miss­lo­se Wei­ne, die ihre Aro­men­reg­ler auf maxi­ma­len Anschlag gedreht haben.

 

Kontrapunkt: die GG von Dr. Loosen

Das Trio von Erde­ner Trepp­chen, Ürzi­ger Würz­gar­ten und Lös­ni­cher Förs­t­erlay setz­te im Anschluss einen Kon­tra­punkt zur vor­an­ge­gan­gen Sti­lis­tik. Der im Ver­gleich deut­lich höhe­re Schwe­fel­ein­satz erschwer­te den Zugang zu den Wei­nen, die sich nach etwas Belüf­tung aber trenn­scharf prä­sen­tier­ten. Das Trepp­chen zeig­te sich in der Nase schweig­sam, die Frucht erblüh­te am Gau­men und zier­te den feder­leich­ten Wein mit kris­tal­li­nem Fluss und fein gear­bei­te­tem Säur­enerv (89). Der Würz­gar­ten zeig­te sich gewohnt reich­hal­ti­ger mit deut­li­cher Gelb­frucht und würzig-pfeffrigem, schiefer-schmelzigem Gau­men mit anstän­di­gem Druck, wäh­rend der Förs­t­erlay in der Nase leicht drop­sig wirk­te und auch am Gau­men mit Rest­zu­cker kokettierte.

 

Domprobst und Sonnenuhr aus Wehlen: verschiedener geht es nicht

Im drit­ten Flight tra­ten vier Son­nen­uh­ren gegen­ein­an­der an, gefolgt von zwei Dompröbs­ten. Geheim­rat J. Wege­ler, Dr. Loo­sen, S.A. Prüm und Schloss Lie­ser zeig­ten dabei unter­schied­li­che Inter­pre­ta­tio­nen der berühm­ten der Weh­le­ner Lagen. Wege­ler zeig­te sich in der Nase und am Gau­men sehr üppig (88), Dr. Loo­sen schien im Ver­gleich schlank, stahlig und glo­cken­klar (89), wäh­rend S.A. Prüm mit dem Holz spiel­te, was dem Wein einen gewis­sen Charme ver­lieh (88). Schloss Lie­ser setz­te dage­gen auf die der­zeit popu­lä­re Reduk­ti­ons­no­te und zeig­te mit sei­ner Son­nen­uhr, wie man ein Maxi­mum an Span­nung auch aus war­men Jah­ren wie 2018 her­aus­holt: ein weit gespann­ter Säu­re­bo­gen, umhüllt von hohem Extrakt und unter­legt von vibrie­ren­der Mine­ra­lik, die einen durs­tig wer­den lässt (94). Die zar­te­ren Wei­ne vom Graa­cher Dom­probst zeig­ten sich danach erwar­tungs­ge­mäß leicht, wobei Dr. Loo­sen noch sehr jugend­lich wirk­te, das GG von S.A. Prüm hin­ge­gen durch sei­nen Holz­ein­sat­zes und sei­ne fei­ne Säu­re­struk­tur bestach.

 

Licht und Schatten in Graach und Bernkastel

Im vier­ten Flight betrat Nik Weis vom St. Urbans-Hof mit sei­nem Meh­rin­ger Lay­et die Are­na. Gelb­fruch­tig zeig­te sich sein GG von der jovia­len Sei­te, am Gau­men saf­tig mit pikan­ter Säu­re und einem fest geschnür­ten phe­n­o­li­schen Kor­sett, das ihn apart kon­tu­rier­te (90). Von den drei GG Dr. Loo­sens über­zeug­te allein das Bern­kas­te­ler Johan­nis­brünn­chen, wohin gegen das Graa­cher Him­mel­reich und die Bern­kas­te­ler Lay karg und span­nungs­arm wirk­ten. Auch der Bern­kas­te­ler Doc­tor von Geheim­rat J. Wege­ler blieb mit sei­nem mollig-sahnigen Natu­rell (88) ein­deu­tig hin­ter den Mög­lich­kei­ten die­ser historisch-großen Lage zurück und liess die nöti­ge Zün­dung am Gau­men vermissen.

 

Ein Feuerwerk der Haag-Brüder

Ein Riesling-Feuerwerk hin­ge­gen zün­de­ten Schloss Lie­ser, Fritz Haag und Haart. Eröff­net wur­de es mit Tho­mas Haags Nie­der­ber­ger Hel­den (Schloss Lie­ser). Mit jugend­lich ver­hal­te­ner Frucht unter fei­ner Reduk­ti­on zeigt er sich am Gau­men span­nungs­reich mit per­fek­ter Balan­ce von Extrakt, ani­mie­ren­der Säu­re und Mine­ra­lik (94). Der Brau­ne­ber­ger Juf­fer sei­nes Bru­ders Oli­ver (Fritz Haag) zeig­te sich fili­gran und pul­sie­rend mit fei­ner Wür­ze und prä­gnant zit­ri­schen Kom­po­nen­ten in der Kopf­no­te, unter­legt mit mar­kan­ter Schie­fer­wür­ze. Der tief wum­mern­de Brau­ne­ber­ger Bass fand sich sowohl in Schloss Lie­sers als auch Haags Juf­fer Son­nen­uhr wie­der, wobei Tho­mas Haags Inter­pre­ta­ti­on expe­ri­men­tel­ler aus­fiel. Geschlif­fen und klar trotz des war­men Typs hat­te er dank grif­fi­ger Säu­re und sal­zi­ger Mine­ra­lik eine unglaub­li­che Span­nung. Fritz Haags Ver­si­on ist im Ver­gleich dazu kei­nes­falls schlech­ter, nur etwas mehr­heits­fä­hi­ger mit der ihm eige­nen zit­ri­schen Note im Ober­ton­be­reich (bei­de 92).

 

Maximin Grünhaus und Karthäuserhof: vibrierend und mit sonorem Bass

Maxi­min Grün­haus und der Kart­häu­ser­hof eröff­ne­ten danach den Ruwer-Reigen, wobei von Schu­berts Abts­berg einen Tick vor dem Bru­der­berg und dem Her­ren­berg ran­gier­te. Geschlif­fen und klar prä­sen­tier­te sich die­ses GG, kräu­ter­wür­zig und kühl, mit pikan­ten Noten von wei­ßem Pfef­fer und gene­rell wenig Frucht. Am Gau­men mineralisch-filigran und vol­ler Vibra­ti­on mit sehr guter Län­ge, dabei straff und seh­nig mit küh­lem Finish und leicht min­zi­ger Kopf­no­te (93). Der Her­ren­berg bestach durch sei­ne tie­fe, dunk­le und wür­zi­ge Frucht, die an Brom­bee­ren und Cas­sis, Min­ze und Johan­nis­beer­laub erin­ner­te (91). Der Eitels­ba­cher Kart­häu­ser­hof­berg bril­lier­te dage­gen durch sei­ne flo­ra­len Kopf­no­ten, die an Stock­ro­sen, Mus­kat­blü­te und Rosen erin­ner­ten. Am Gau­men mit sat­tem Extrakt und fül­li­gem Kör­per, sono­rem Bass und ath­le­ti­scher Figur sowie einem Hauch Puder­zu­cker im Nach­hall (91).

 

Zwei Stars von der Saar: Van Volxem und von Othegraven

Kom­men wir zur Saar. Van Vol­xem eröff­ne­te mit sei­nem Wawer­ner Gold­berg den Rei­gen von ins­ge­samt sechs Gro­ßen Gewäch­sen. Kel­ler­meis­ter Domi­nik Völk gelingt es Jahr für Jahr bes­ser, das sehnig-straffe Natu­rell der Wei­ne prä­zis her­aus­zu­ar­bei­ten. Die Frucht dient dabei nur als Vehi­kel für die Struk­tur, die Mine­ra­lik wird gestützt von zar­ter Phe­n­o­lik. Alle GG sind durch hohe Rei­fe und ein lan­ges Hefelager geprägt, das sie frisch hält. Sie besit­zen in 2018 einen rasan­ten Trink­zug, wobei der Schwe­fel etwas locker zu hän­gen scheint. Der Alten­berg steu­ert mit vol­lem Wumms vor­aus, gefolgt vom Volz mit apar­tem Bit­ter­man­del­ton in der Kopf­no­te. Der Scharz­hof­berg zeigt sich offen­her­zi­ger und zugäng­li­cher (93) als der Scharz­hof­berg „Per­gents­k­nopp“, der in der Nase wie ver­na­gelt war und sei­ne Anla­gen nur am Gau­men preis­gab: ein Renn­wa­gen am Start, der die Power, die unter der Küh­ler­hau­be steckt, nur ahnen lässt (94). Der Alten­berg von Othe­gra­ven ver­bin­det Rei­fe mit dunk­ler Frucht – ein freud­vol­ler Wein, dicht gewo­ben mit einer ordent­li­chen Ladung Schie­fer, satt und gleich­zei­tig fili­gran: in 2018 ein Aspi­rant auf die Top Five an Mosel/Saar (94).

 

Auch Lauer und Zilliken lassen die Saar hell strahlen

Flo­ri­an Lau­ers drei GG zei­gen sich alle­samt tän­ze­risch fili­gran, wobei der Ayler Schon­fels von über 100jährigen Reben am opu­len­tes­ten wirk­te und mit sei­nem dun­kel­fruch­ti­gen Natu­rell an Brom­bee­ren und Cas­sis erin­ner­te (92). Ein rarer Nek­tar, von dem jedes Jahr nur weni­ge Fla­schen ver­füg­bar sind. Die Ayler Kupp beweist ein­drucks­voll, dass trotz der enor­men Hit­ze des Jahr­gangs fei­ne, vibrie­ren­de Wei­ne mög­lich sind, die Rei­fe, Frucht und Säu­re zu einem gleich­schenk­li­gen Drei­eck zusam­men­fü­gen. Der von sei­nen Kies­bö­den gepräg­te Feils aus Bie­bel­hau­sen ist eine der wärms­ten Lagen Lau­ers, der mit üppi­ger Frucht und äthe­risch küh­ler Kopf­no­te von Bach­min­ze und Wie­sen­kräu­tern ent­spre­chend punk­tet (93). Sein GG von die­ser Lage ist Teil des Puz­zles, das die Saar zusam­men mit der Mosel bil­det und die­se beson­ders hell strah­len liess. Zil­li­ken wirkt 2018 etwas sah­ni­ger am Gau­men als im Vor­jahr und hebt sich sti­lis­tisch deut­lich ab von Lau­er, was sich beson­ders im direk­ten Ver­gleich bei­der GG von der Ayler Kupp zeigt. Die füllig-warme Frucht umhüllt die rei­fe Säu­re. Noten von Äpfeln und Tee sowie Apri­ko­sen zeich­nen dabei ein höchst erfreu­li­ches Bild. Die­ser feder­leich­te Wein besitzt einen immensen Trink­fluss und bie­tet hohen Genuss mit cre­mi­ger Tex­tur (91). Auch die Para­de­la­ge Rausch zeig­te sich die­ses Jahr etwas rei­fer, ohne jedoch Zil­li­kens Hand­schrift zu ver­leug­nen oder den Charme der Lage zu verkennen.

 

Ockfener Bockstein: teils agil wie Nurejew, teils herb wie Marlon Brando

Der letz­te Mosel-Flight bei der Wies­ba­de­ner „Vor­pre­mie­re“ galt dem Ock­fe­ner Bock­stein. Die Lage war mit fünf GG ein­drucks­voll ver­tre­ten. Zil­li­ken zeig­te sich mit sei­nem GG von die­ser Lage in bereits beschrie­be­ner Manier (91). Van Vol­xems GG ist fili­gran und fein­glied­rig (92). Von Othe­gra­ven prä­sen­tier­te sich in fes­tem phe­n­o­li­schen Gewand, dabei fül­lig mit durch­trai­nier­tem Kör­per, mus­ku­lös und den­noch höchst agil, ein wenig wie der Balett­star Nure­jew (93). Nik Weis hat in 2018 gleich zwei GG vom Bock­stein im Sor­ti­ment. Bei­de bril­lie­ren mit sat­ter Frucht und dis­zi­pli­nier­ter Fül­le. Der Bock­stein – Z – legt noch eine Schip­pe drauf – eine Art Über-Bockstein mit fast kind­li­chem, doch stets freund­li­chem Natu­rell trotz herb-phenolischer Rah­men­be­din­gun­gen (92). Er erin­nert an Mar­lon Bran­do in The Wild One, den mas­ku­li­nen Auf­tritt eines ein­fühl­sa­men Darstellers.

 

Die Mosel GG in der Gesamtschau: gut mit kleinen Kratzern

Ins­ge­samt hat es die Mosel in 2018 gut getrof­fen. Der Bestand alter Reben ermög­lich­te es, auch län­ge­re Tro­cken­pe­ri­oden schad­los zu über­ste­hen, wenn auch hier und dort Tro­cken­stress nicht ver­mie­den wer­den konn­te. Den­noch wir­ken eini­ge GG dank hoher Rei­fe rela­tiv fül­lig, was ver­bun­den mit nied­ri­gen Säu­re­wer­ten zu sehr cre­mi­gen Wei­nen führ­te. Der Ein­druck von Rest­sü­ße ver­stärkt sich dadurch eben­so wie der beherz­te Griff zum Schwe­fel, der dank nied­ri­ger Säu­re­wer­te deut­li­cher schmeck­ba­rer ist als in ande­ren Jah­ren. In man­chen Fäl­len wur­de aus Angst vor Über­rei­fe etwas zu früh gele­sen. Und dort, wo früh ent­blät­tert wur­de, ent­stan­den Wei­ne mit stark phe­n­o­li­schem Cha­rak­ter, deren Genuss durch bit­te­ren Gerb­stoff geschmä­lert wird.

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