Start 1 Archiv Michael Schiefer, „Philosoph”: ein Liter Schwarzriesling für 5 Euro

Michael Schiefer, „Philosoph”: ein Liter Schwarzriesling für 5 Euro

0
2008 Schwarzriesling trocken - Weingut Schiefer

Gewiss, der Schwarzriesling ist stets ein hellfarbener, im besten Fall delikater, nie jedoch großer Rotwein. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Sorte in Frankreich Pinot Meunier heißt und fester Bestandteil edler Champagner ist. In Deutschland, genauer gesagt: in Württemberg, ist der Grat zwischen einem fahlen, dünnen Weinchen aus dieser Sorte und einem feineren Exemplar ziemlich schmal. Doch es gibt diese feineren Exemplare – allerdings nur unter besonderen Umständen.

Der besondere Umstand dieses Schwarzrieslings heißt Michael Schiefer. Dem heute 43jährigen Betriebinhaber des kleinen Weinguts in dem Neckar-Städtchen Lauffen war Wein schon bei Geburt in die Wiege gelegt worden. Seine Eltern waren fleißige Weingärtner. Sie lieferten den Ertrag ihrer Wingerte regelmäßig bei der örtlichen Genossenschaft ab. Und sie wünschten sich, dass der Sohn später Gleiches tue. Das schien dieser auch vorzuhaben. Zumindest absolvierte er brav eine Weinbaulehre (beim Remstäler Weingut Jürgen Ellwanger), diplomierte dann in Geisenheim.

Raus aus der Genossenschaft

Aber ein echter Württemberger ist vielschichtig veranlagt, erst recht, wenn er aus der Hölderlin-Geburtsstadt Lauffen kommt. So studierte Schiefer nach dem Önologie-Diplom erst einmal Musikwissenschaft und Philosophie, um danach darüber zu befinden, ob er sich dem Wein widmen solle oder nicht. Unter einer  Bedingung war er bereit, in seine Heimatstadt zurückzukehren und den elterlichen Betrieb zu übernehmen: Austritt aus der Genossenschaft. Wenn schon Weinbau, so seine Überlegung, dann aus den eigenen Trauben einen guten Wein machen.

Im Jahr 2001 war es soweit. Schiefer kelterte seinen ersten Jahrgang. Inzwischen scheint er seinen Stil gefunden zu haben. Er erzeugt beispielsweise kraftvolle Lemberger und hochklassige Spätburgunder, einige davon im Holzfass gereift. Doch als seine „Aushängeschilder“ bezeichnet er den Grauen Burgunder** und den Samtrot** – „nicht die teuersten Weine meines Sortiments (€ 7,40 bzw. € 8,40), aber meine momentanen Lieblinge“ – wie er mit verblüffender Ehrlichkeit zugibt.

Auch lokalen Klassikern die Treue halten

Bei aller Ambition, mit der er an diesen Weinen feilt, ist Schiefer jedoch souverän genug, um auch den lokalen Klassikern die Treue zu halten, um sie in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

So ein lokaler Klassiker ist in Lauffen der Schwarzriesling. Und Schiefers trockener Literwein aus dieser Sorte ist von einer Qualität, die locker mit den besten 0,75-Liter-Abfüllungen der Württemberger Wein-Elite mithalten kann: nuancenreicher Duft nach Schwarztee und roten Johannisbeeren, saftiger, weicher Trinkfluss mit einer zurückhaltenden Prise Gerbstoff, trockenes Geschmacksbild von sehr natürlicher Anmutung, ganz harmonisch und ohne den geringsten Anflug von Strenge, dazu ein langer, fruchtgetragener Abgang. Bei diesem Schwarzriesling wird das Glas schnell leer, und dank des Liters bleibt trotzdem noch lange was in der Flasche.

Man schmeckt die Nobelesse der Burgunderfamilie

Dieser Schwarzriesling zeigt die Noblesse der Burgunderfamilie in einem Alltagsformat – besser, als es in der Regel eine Spätburgunder-Basisqualität kann. Denn der Spätburgunder offenbart erst in der höchsten Güteklasse Komplexität und Tiefgang und ist unschlagbar.

Ganz anders der Schwarzriesling: Wirklichen Tiefgang erreicht er praktisch nie, dafür geizt er nicht mit seiner feinen Frucht. Eben diese feine Frucht macht auch Schiefers Schwarzriesling zu einem Schnäppchen.

Ach ja, mit einem Riesling hat der Schwarzriesling nichts zu tun. Da irrten sich die Winzer, als sie in früheren Zeiten die relativ kleinen Beeren dieser Sorte zum Anlass nahmen, eine Verbindung zum ebenfalls kleinbeerigen, weißen Riesling herstellten.

Keine Kommentare

Die mobile Version verlassen