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Michael Grimm über Bordeaux-Preise

Michael Grimm

„Als Weinliebhaber schmerzen auch mich die hohen Preise der Premier Crus, mancher Super Seconds, Pomerols und St. Emilions. Diese Weine sind unbezahlbar geworden, weil sie plötzlich Statussymbole und Spekulationsobjekt für wenige Reiche geworden sind. Aber muss man immer weiße Trüffeln für 4000 Euro das Kilo essen? Schmecken nicht auch Pfifferling und Steinpilze? Muss man immer Maybach oder Bugatti fahren? IWC, Glashütte und andere Nobel-Chronometer am Handgelenk tragen? Eigentlich nicht.

So ist es auch mit den Premiers Crus. Alle, die gerne Wein trinken, hätten sie gern (im Glas oder im Keller). Aber Latour und Lafite lassen sich nicht beliebig vermehren. Die Mengen werden durch die immer strengere Selektion eher noch geringer. Angebot und Nachfrage regeln den Preis – mit dramatischen Folgen traditionelle Bordeauxtrinker. Bordeaux ist teuer geworden. Zu teuer?

Die Frage muss gestellt werden, über welchen Prozentsatz der Gesamtproduktion wir sprechen? Im Bordelais werden auf über 100 000 Hektar Rebfläche knapp sechs Millionen Hektoliter Wein erzeugt. Die fünf Premier Crus erzeugen zusammen rund 8500 Hektoliter. Das sind 0,14 Prozent der Gesamtproduktion.

Und was ist mit dem großen Rest? Ist nichts dabei, das sich lohnt entkorkt zu werden? Ich bin der Meinung, dass man in Bordeaux auch für kleine Beträge einen großartigen Wein finden kann. Bordeaux ist in Bezug auf Preis-Genuss immer noch die Nummer Eins in Europa.

Natürlich bieten wir auch Premier Crus an. Aber der Reiz und Spaß liegt für uns liegt darin, im Preisbereich von 10, 20 oder 40 Euro Weine zu finden, die zu kaufen sich lohnt. Und ich versichere: Noch nie war Weinqualität in Bordeaux unter 20 Euro so großartig wie heute. Die Fülle des Angebots sprengt jedes Weinlager und jeden Weinkatalog.

Am Wochenende war ich auf einer 1990er Bordeauxprobe eingeladen. Es wurde nur die oberste Liga verkostet. Aber auch wenn der Gastgeber ein sehr großzügiger Weinfreund war: Solche Proben wird es mit 2009ern und kommenden großen Jahrgängen wohl kaum mehr geben. Schade? Nun ja, wenn ich sehe, wie sich zum Beispiel Montrose oder Léoville-Las-Cases platziert haben, mache ich mir keine Sorgen. Diese teuren und begehrten Flaggschiffe wecken den Ehrgeiz auch kleiner Winzer. Viele von ihnen erkennen, dass es sich lohnt, in Qualität zu investieren. Heute gibt es Bordeaux Supérieur zwischen 8 und 15 Euro, die eine Qualität ins Glas bringen, wie früher nur Cru Bourgeois oder gar klassifizierte Gewächse. Heute kommen großartige Weine aus Bordelaiser Appellationen, die früher nur für rustikale Einfach-Bordeaux bekannt waren: Côte de Bourg, Blaye, Premières Côtes de Bordeaux zum Beispiel.

Manche Weinliebhaber wenden sich wegen der extrem hohen Preise von Bordeaux ab. Aber wo finden sie eine Alternative? Meist kommen sie nach einiger Zeit zurück. Es geht hier um mehr als nur Parkerpunkte. Wer schon einmal an einer Probe mit wirklich reifen Bordeaux teilnehmen durfte, weiß, was ich meine.

Die vielen Enthusiasten, für die es schlicht keine Alternative zu Bordeaux gibt, werden sich innerhalb der mehr als 100.000 Hektar auf die Suche nach neuen Weinen machen müssen. Und sie werden fündig werden. Ich habe Kunden, die über Jahre hinweg immer ihre Premier Crus und einige andere Weine orderten. Die meisten von ihnen wollen jetzt Neues entdecken. Und umgekehrt werden viele Weintrinker, die mit Bordeaux nichts im Sinn hatten, neugierig auf diese Region.

Auf jeden Fall hatten wir noch nie so viel Nachfrage nach Bordeaux – ob jung und alt, klassifiziert oder nicht, teuer oder preiswert – wie seit dem Erscheinen der 2009er Preise.“

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