Bremerhavener Aromaforscher haben 14 Merlot-Weine aus aller Welt im Labor analysiert. Das Ergebnis: Ein Leitaroma, das sich wie ein roter Faden durch alle Weine zieht, scheint es im Gegensatz zu anderen Sorten bei der Merlot nicht zu geben. Ist die „Charakterlosigkeit“ der Rebsorte damit belegt, wie sie die amerikanische Filmkomödie Sideways vor einigen Jahren beschwor? Von Ulrich Sautter
Schwäche könnte eine Stärke sein
Im Gegensatz zu Cabernet Sauvignon-Weinen, die das Leitaroma Methanthiol (Cassis) verbindet, oder zu Riesling-Weinen, die neben in einer ganzen Reihe von Terpenen den Aromastoff Linalool gemeinsam aufweisen (Bergamotte), haben die Wissenschaftler für die Sorte Merlot bislang kein vergleichbares Leitaroma gefunden. Spötter könnten daraus folgern, dass die Charakterlosigkeit der Rebsorte Merlot nun wissenschaftlich belegt sei. Aber ist das Fehlen eines konsistenten, sortentypischen Geschmacks tatsächlich ein Mangel? Gar ein Indiz für Charakterlosigkeit? In der berühmten amerikanischen Filmkomödie Sideways, die 2004 in Amerika einen Weinboom ausgelöst hatte, wurde Merlot als uninteressanter, minderwertiger Wein gedeutet: Vor einem Date mit zwei Frauen im Restaurant warnt der Wein-Snob Miles seinen Freund Jack mit den Worten: „Wenn einer von euch Merlot bestellt, haue ich ab. Ich trinke keinen Scheiß Merlot.“ Umgekehrt ließe sich aus der vermeintlichen Charakterlosigkeit der Sorte aber ebenso gut folgern, dass im Merlot das Terroir über die Rebsorte dominiert. Dann wäre das Fehlen eines durchgängigen Leitaromas der Beweis für die Wandlungsfähigkeit der Sorte – und damit eine Stärke.