Das Gute am Masseto ist, dass man nicht lange nachdenken muss, wann und zu welcher Gelegenheit man ihn trinkt. Er selbst ist die Gelegenheit. Wer einer der wenigen Flaschen ergattert, macht sie auf und trinkt. Genauso wie man einen Pétrus trinkt, einen Le Pin oder Roberta’s Reserve der Kapcsandy Family aus dem Napa Valley – um drei große Merlots dieser Welt zu zitieren. Bei ihnen denkt niemand nach, ob eine Lammkeule oder ein Steak besser zu ihnen passen und ob das Steak besser medium oder rare serviert werden sollte. Weine ihrer Klasse genügen sich selbst.
Schwierig zu bekommen
Carlo AncelottiDas weniger Gute ist, dass es so schwierig ist, eine oder zwei, gar sechs Flaschen dieses toskanischen Merlots zu bekommen. Durchschnittlich 30.000 Flaschen gibt es von ihm, was zwar nicht wenig ist. Aber um diese Flaschen zanken sich Hunderte von Sterne-Restaurants in aller Welt.
Dazu kommen neuerdings Investoren, die sich von dem Wein mehr Dividende erwarten als Aktien derzeit abwerfen. Der Masseto ist unter den neun italienischen Weinen, die der Londoner Fine Wine-Index Liv-Ex 100 enthält, der derzeit am höchsten gerankte (Platz 12).
Sein Preis hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt. Mindestens 500 Euro muss man locker machen, um an ein Fläschlein zu kommen. Oder Ancelotti heißen. Der Trainer des Fußballclubs Bayern München bekam, nachdem er den Masseto einmal unvorsichtig als seinen Lieblingswein bezeichnet hatte, eine Kiste geschenkt. Von Ancellotti kommt übrigens auch der Satz, dass der Wein selbst die beste Gelegenheit sei.
Hohe und höchste Bewertungen
Ich habe den Masseto zuletzt vor zwei Wochen im Käfer Bistro in München getrunken, zusammen mit einem lockenmähnigen Mittvierziger namens Axel Heinz. Er ist der Direktor des Weinguts Ornellaia und derjenige Weinmacher, der für den Masseto verantwortlich ist. Er war gerade aus Florenz gekommen und hatte eine Flasche des 2013er Jahrgangs in seinem Reisegepäck mitgebracht. Der 2013er, seit ein paar Monaten auf dem Markt, hat bei internationalen Weinkritikern hohe und höchste Bewertungen erzielt: Parker 97 Punkte, Suckling 98 Punkte. “Erfüllt alle Voraussetzungen, um ein Superstar zu werden”, schrieb eine englische Weinfachzeitschrift.
Vorweg ein paar Hintergrundinformationen: Der Masseto ist ein Wein der Tenuta dell’Ornellaia. Er reift zwar in einem separaten Keller des Weinguts, wird aber vom Ornellaia-Team vinifiziert und ausgebaut. Auch die Rebflächen – es sind genau 6,63 Hektar – gehören zum Weingut Ornellaia. Es handelt sich um eine zusammenhängende Einzellage an den Flanken eines kleinen Hügels, der mitten im Anbaugebiet von Bolgheri liegt. Die Weinberge des Sassicaia, des berühmtesten Weins von Bolgheri, liegen nur wenige hundert Meter entfernt. Dieser ist jedoch ein reiner Cabernet Sauvignon/Cabernet franc-Wein. Er enthält keinen Merlot.
2013 Masseto, Tenuta dell’Ornellaia
Fleischig mit Noten von dunklen Früchten, Schokolade und gerösteten Kaffeebohnen, dazu ein Hauch von Gewürznelken und dunklem Tabak: ein reicher, aber kein opulenter Wein mit seidigem Tannin, sehr geschmeidig, aber erst in zehn (und mehr) Jahren sein ganzes Potenzial zeigend.
Bewertung: 96/100
Nur 6 Kilometer vom Mittelmeer gewachsen
Bestockt wurde der Masseto-Hügel 1984. Der erste Jahrgang kam 1986 als einfacher Merlot auf den Markt. Erst 1987 erhielt der Wein den Namen Masseto, benannt nach dem Hügel. Er liegt nur sechs Kilometer entfernt von den Stränden des Mittelmeers und nur 120 Meter über dem Meeresspiegel. Weil das Produktionsstatut von Bolgheri DOC keinen reinsortigen Merlot vorsieht, wird der Masseto als einfacher Toscana IGT deklariert, als Landwein.
Vom ersten Jahrgang an zeigte sich, dass es ein besonderer Merlot ist: noch reicher als der Merlot der übrigen Ornellaia-Weinberge sowie mit einem festeren Rückgrat und einem feineren Tannin ausgestattet. Für den Ornellaia-Gründer Lodovico Antinori damals eine Überraschung. Er war es, der die Entscheidung traf, den Wein separat zu füllen und nicht in die Cuvée des Ornellaia eingehen zu lassen.
Muss so ein Wein über 500 Euro kosten?
Der Keller von MassetoUm keine Begehrlichkeiten bei anderen Gästen zu wecken, hatten Axel Heinz und ich uns in den hintersten Winkel des Käfer Bistro zurückgezogen. Auf dem Tisch: nur die Flasche und zwei Gläser. Der erste Eindruck, den ich von dem 2013er hatte: offen, zugänglich, gut ausbalanciert, ohne Ecken und Kanten. Er fremdelt nicht. Er verweigert sich nicht dem schnellen Genuss. Ein nichtsahnender Weintrinker würde ihn als „lecker“ bezeichnen. Aber er würde vermutlich auch fragen: Muss so etwas 500 Euro kosten?
Mit dem zweiten Schluck ergibt sich ein differenzierteres Bild. Da fällt dieses weiche, süße Tannin auf, das so fein ist, dass es auf dem Lack keine Kratzer hinterließe, würde man sein Auto damit polieren. Auch die Säure, die, wie bei Merlot üblich, zwar nicht exorbitant hoch, aber immerhin so lebendig ist, dass der Wein Frische ausstrahlt. Und die gesunde Süße, die ein Resultat reifer, aber nicht überreifer Trauben ist. Überreife Trauben machen einen Merlot marmeladig.
Ein klassicher middle palate-Wein
Schließlich die Dichte: Der Masseto ist straff gewoben, ohne an den Rändern auszufransen. Er ist auf den Punkt gebracht. Middle palate nennen das die angelsächsischen Weinkritiker. Also ganz anders als die ultrakonzentrierten Merlot-Blockbuster aus Kalifornien und anderen Teilen der Neuen Welt, die manchmal so überladen sind, dass das Tannin den Wein nicht mehr zusammenhält und dieser ziellos und wild über den Gaumen läuft.
2013 Ornellaia Bolgheri Superiore
Im Bouquet feinfruchtig mit viel Brombeeren und Preiselbeeren, dazu die typisch mediterranen Würznoten wie Wachholder, Pinienduft, Minze sowie ein Hauch von orientalischen Gewürzen, am Gaumen muskulös mit viel gesundem, gut verschmolzenem Tannin, insgesamt etwas schlanker als seine Vorgänger.
Bewertung: 94/100
Geschmedig und mit hoher Trinkeleganz
Aber all das gilt mehr oder weniger auch für die vorhergehenden Jahrgänge. Speziell für den 2013er Masseto ist die Feststellung wichtig, dass er kein ausladender, in die Breite gehender Wein ist, sondern eher ein Wein von moderater Fülle. Dadurch ist er verhältnismäßig geschmeidig und besitzt eine hohe Trinkeleganz. Trotzdem würde ich sagen, dass er weder an Opulenz des 2006ers noch an die Komplexität des 2010ers herankommt. Sie gelten als die besten Jahrgänge im neuen Jahrtausend. Doch auch das muss gesagt werden: Der 2013er Masseto ist besser als die meisten 2013er aus Bolgheri, auch besser als der Ornellaia.
Historisch späte Lese in 2013
„2013 war ein Merlot-Jahr“, sagt Axel Heinz und erklärt warum: „Ende September begann es zu regnen, da war der Merlot bereits geerntet, während Cabernet Sauvignon und Cabernet franc noch draußen hingen.“ Diese beiden Sorten bilden, zusammen mit der Merlot, die Cuvée des Ornellaia (plus ein kleiner Anteil Petit Verdot). Am Ende, so berichtet der Weinmacher, konnten auch Cabernet Sauvignon & Co. gesund und physiologisch reif gelesen werden. Allerdings war 2013 eine der spätesten Ernten in der Geschichte des Weinguts: „Die letzten Trauben wurden erst am 14. Oktober geerntet.“
Axel Heinz ist übrigens in München geboren und zur Schule gegangen. Der Sohn eines Deutschen und einer Französin studierte danach in Bordeaux Önologie, bevor er seinen ersten Job auf einem kleinen Château in Saint Emilion antrat. Von dort wechselte er 2005 zu Ornellaia.
Später zum Essen haben wir dann noch den 2013er Ornellaia probiert – übrigens zu Fisch. Auch er ein Wein von moderater Fülle, eher elegant als schwer, dem 2012er nicht ganz unähnlich. Die monumentale Statur des 2010er hat er jedoch ebenso wenig wie die satte, überschwängliche Fülle des 2011ers.
Bezug: Die Ornellaia-Weine (inkl. Masseto) findet man bei Schlumberger in Meckenheim (mit seinem Privatkunden-Outlet Bremer Weinkolleg www.bremer-weinkolleg.de), bei www.superiore.de, www.tesdorpf.de, www.koelner-weinkeller.de, www.gute-weine.de, www.edelrausch.de und anderen.