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Masseria Li Veli: Apulien von seiner besten Seite

Negroamaro ist die am häufigsten angebaute rote Traube in Apulien. Sie sieht gut aus, hat pralle, violettrote Beeren, und die Weine, die aus ihr gewonnen werden, sind herrlich fruchtig, feurig, aber selten fein. Besonders die sogenannten besseren Weine, etwa die Riserve, wirken behäbig. Ihr Tannin ist streng. Ihre Frucht marmeladig. Es fehlt ihnen an Frische.

Händler und Journalisten, vor allem wenn sie lokalpatriotisch eingefärbt sind, haben diesen altbackenen, ja dilettantischen Stil zum Markenzeichen der Negroamaro-Weine erhoben. Sie sprechen vom „typischen“ Bouquet, wenn der Wein nach getrockneten Datteln oder Geleefrucht riecht. Sie erwarten, dass ein guter Negroamaro Likörnoten zeigt. Alt werden können muss er ebenfalls, auch wenn sich seine schlechten Eigenschaften dabei noch verstärken. Kurz: Es herrscht eine große Konfusion darüber, ob die Negroamaro überhaupt gute Weine hervorbringen kann, und wenn ja, wie diese dann beschaffen sein müssen.

Die Negroamaro – kein wildes Biest

Dabei wäre alles ganz einfach. Man braucht nur die Weine der Masseria Li Veli zu probieren, um herauszufinden, dass die Negroamaro kein wildes Biest ist. Die Weine zeigen, dass man aus einer autochthonen Rebsorte wie ihr Charakterweine erzeugen kann, die nicht überladen, nicht überreif, nicht alkoholisch sind. Überteuert übrigens auch nicht.

Primonero

Ihr einfachster Wein, der Primonero, kostet gerade mal 6,90 Euro. Er verbindet den Duft frischer Pflaumen mit einer kräftigen Prise schwarzem Pfeffer. Er ist dicht gewirkt und für einen Wein dieser Preisklasse ungemein lang am Gaumen. Auch nach drei, vier Jahren besitzt er noch Frische, obwohl der Kenner diesen Wein vermutlich eher jung trinken wird: etwa zu den Orecchiette mit Kirschtomaten und einem Fleisch-Sugo. Orecchiette sind die regionale Pasta-Spezialität Apuliens: Hütchennudeln.

Moderne Rotweine aus einheimischen Rebsorten

Masseria ist der apulische Ausdruck für ein großes Gut mit Getreide, Oliven und Wein. Viele Masserie sind heute chice Landhotels oder Relais geworden. Die noch bewirtschafteten Masserie konzentrieren sich meist ausschließlich auf Wein. Li Veli liegt im Salento, wie der südlichste Teil Apuliens heißt: der Absatz des italienischen Stiefels. Genau: 25 Kilometer nördlich der imposanten Barockstadt Lecce.

Masseria Li Veli
Masseria Li Veli

 

Das Gut mit seinen dicken Mauern aus weißem Sandstein sieht aus wie ein stark befestigtes Castello, ist es aber nicht. Es ist ein klassisches Landgut, das im 19. Jahrhundert von einem berühmten Wirtschaftsprofessor der Universität Lecce gegründet worden war. Nach seinem Tod ging es durch mehrere Hände und verfiel am Ende. 2009 erwarb es Alberto Falvo, der zusammen mit seinem Bruder das Weingut Avignonesi in Montepulciano in der Toskana gegründet und zu weltweiter Bekanntheit geführt hatte. Li Veli wurde von Grund auf renoviert, die Weinberge (33 Hektar) auf Vordermann gebracht beziehungsweise neu angelegt. Das Ziel: moderne Weine aus einheimischen Rebsorten zu erzeugen.

Was macht die Masseria Li Veli so besonders?

Die Sorte Negroamaro ist eine Massenrebe. Wer sie nicht zähmt, bekommt riesige Mengen an Wein, der bitter und sauer und süßlich zugleich ist. Falvo und seine beiden Söhne Edoardo und Alfredo, die das Gut heute leiten, haben als erstes die Erträge reduziert. Als zweites achteten sie darauf, dass die Trauben nicht zu lange am Stock hängen und zeitig gelesen werden. Sie zur Reife zu bringen, ist auch bei vorgezogener Lese kein Problem angesichts der hohen Temperaturen, die im Salento herrschen.

Alberello-Rebstock
Alberello-Rebstock

Aber sie sollen nicht überreif sein. Der Wein würde seine Frische verlieren und marmeladig schmecken. Außerdem würde der Alkohol steigen. Ganz wichtig ist auch, dass die Trauben gleich nach der Lese auf die Kelter kommen und kühl vergoren werden. Im Übrigen wird auch der einfache Negroamaro in Barriques ausgebaut, allerdings in gebrauchten Barriques und nur kurz (vier Monate), sodass man den Holzeinfluss nicht schmeckt. In der Toskana ist ein solcher Umgang mit Trauben und Wein selbstverständlich. In Apulien ließen (und lassen) nur wenige Weingüter so viel Sorgfalt walten. Der allergrößte Teil des apulischen Negroamaro wird nur im Edelstahltank ausgebaut.

Den Ruf der Negroamaro aufpoliert

Der Negroamaro ist in erster Linie ein Alltagswein. Doch wenn die Reben alt und die Erträge automatisch gering sind, kann man, wenn der Winzer keine groben Fehler macht, auch höherwertige Qualitäten aus ihr erzielen. In diese Kategorie gehört der Passamante, ein reinsortiger Negroamaro von alten, drahtlos gezogenen Bäumchenreben (italienisch: alberello), die nur noch wenig tragen. Dieser Wein – offiziell ein Salice Salentino DOC – hat vielleicht etwas weniger Biss als sein kleiner Bruder, aber mehr Fülle.

Passamante und Riserva Pezzo Morgana

Der ultimative Negroamaro von Li Veli ist die Riserva Pezzo Morgana: eines der wenigen großen Gewächse aus Apulien, hochkonzentriert mit faszinierendem Aromenspiel, in das sich neben Rumtopf-Früchten auch Bitterschokolade, Pfeffer, Süßlakritz und ein Hauch von Wermutkraut mischen (15,90 Euro). Die Trauben für diese beiden Weine hingen etwas länger am Stock. Sie wurden vor dem Keltern in Kühlzellen gelagert. Und der Barrique-Ausbau war intensiver als bei dem jungem Primonero. „Mit diesen Weinen“, sagt Alfredo Falvo, „haben wir nicht nur international großen Erfolg. Wir glauben auch, dass wir den Ruf der Rebsorte aufpoliert haben.“

 

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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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