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Mainzer Weinbörse: Erste Eindrücke von den 2009er Weinen

Mainzer Weinbörse

Beim Jahrgang 2009, dem naturgemäß die größte Neugier der Besucher galt, war vor allem eine Frage spannend: Würde sich der Vorschuss-Lorbeer, den der Jahrgang erhalten hat, als gerechtfertigt erweisen? Der milde Jahresverlauf mit einem nahezu perfekten Herbst hatte Hoffnungen auf reichhaltige Weine genährt, aber auch Ängste vor säurearmen und zu alkoholreichen Weinen geschürt. Um es pauschal zu sagen: Im Licht der Weine, die in Mainz zu probieren waren, ist die Sorge um einen zu opulenten Jahrgang kaum begründet. Die Winzer haben es besser als im Hitzejahr 2003 verstanden, die Lesetermine nicht zu weit hinauszuziehen. Die Rieslingsäuren sind tendenziell eher zurückhaltend, doch in der Regel geben sie den Weinen ausreichend Halt und Balance. Bestes Zeichen: Die Mehrheit der trockenen Kabinett-Weine weist Kabinett-typische Alkoholgehalte um die zwölf Volumenprozent auf – nicht mehr selbstverständlich in den letzten Jahren. Und die fruchtsüßen Kabinett- und Spätleseweine von Mosel, Saar und Ruwer zeigen Schliff und Präzision. Beispiele gefällig? 2009 Pündericher Marienburg Kabinett aus dem Weingut Clemens Busch und 2009 Trittenheimer Apotheke Spätlese aus dem Weingut Grans-Fassian. Einzig manche Auslese ließ im Abgang einen Hang zur Breite durchscheinen.

Ein Jahr für Weiß- und Grauburgunder

Den weißen Burgundersorten kam das Jahr besonders entgegen: Sie präsentieren sich sehr aromatisch und üppig, doch nicht strukturarm. Dass der Jahrgang perfekte Reifebedingungen bot, lässt sich an den Farben der Grauburgunder-Weine ablesen: Viele Vertreter dieser Sorte stehen hellgolden mit leicht kupferfarbenen Reflexen im Glas. Grauburgunder-Trauben haben von Natur aus eine Bronzefarbe – normalerweise treten die Farbpigmente jedoch nicht in den Weißwein über. Im Jahr 2009 bildeten die Beeren durch die gute Reife jedoch so viel Farbstoffe, dass ein leicht rötlicher Schimmer kaum zu vermeiden war. Positiv: Wo sich eine solche Tönung zeigt, kann man sicher sein, es mit einem besonders aromatischen Wein zu tun zu haben.

Im Trend: Mehr Maischekontakt für Weißweine

Die Mainzer Weinbörse ist auch ein Trend-Barometer. Zwei Trends waren dieses Jahr besonders deutlich zu erkennen – einer, der durch weinbaupolitische Überlegungen gesteuert ist. Und ein zweiter, der von einem Stilwechsel kündet.

Um mit dem Stilwechsel zu beginnen: Mehr und mehr Winzer überdenken den Produktionsprozess, um die Weine langlebiger zu machen. “Langsamkeit” ist ein Stichwort. Nach der gesteigerten Aufmerksamkeit für slow food geht der Trend nun zum slow wine. Konrad Salwey, Juniorchef des gleichnamigen Kaiserstühler Weinguts, hat mit seinen 2009er Weißweinen die Messlatte im ohnehin schon hoch angesiedelten Betrieb nochmals höher gelegt: “Meine Idee bei den 2009ern war: mehr Maischekontakt auch für die Weißweine, und hoch mit den Gärtemperaturen.” Bei niedrigen Gärtemperaturen entstehen nämlich Bonbontöne, die den Wein in seiner Jugend zwar gefällig wirken lassen, doch die Frucht verdecken. Spitze der äußerst gelungenen Salwey-Kollektion ist die trockene Weißburgunder-Chardonnay-Cuvée aus 2009, die momentan noch verschlossen wirkt, ihr großes Potenzial jedoch bereits andeutet.

Neue Cuvées aus Stahltank- und Holzfass-Ausbau

“Ich sehe die Eisbonbon-Aromen aus der Kaltvergärung mittlerweile geradezu als Weinfehler an”, bekennt auch Stephan Attmann, der junge Betriebsleiter des alt eingesessen Weinguts Dr. Deinhard in der Pfalz. Aus seinem beachtlichen Lagenportfolio keltert Attmann seit zwei Jahren eine Prestige-Linie, die nach dem früheren Weinguts-Inhaber Leopold von Winning benannt ist. Darin befinden sich Einzellagen-Weine wie Forster Ungeheuer oder Ruppertsberger Reiterpfad. Der Clou: Ein Teil der Moste vergärt im Holz, ein anderer im Stahltank.

Durch Verschnitt beider Partien nach der Gärung erhalten die Weine mehr Gleichgewicht. Vom Jahrgang 2009 hält Attmann ein begeisterndes und gänzlich unverkitschtes Bonbon für die Liebhaber authentischer Mittelhaardt-Rieslinge bereit: die im Von-Winning-Segment angesiedelte Cuvée “Win-Win”. Dieser würzige, fast puristische Zweitwein aus Grand Cru-Lagen wurde zu einem Viertel in gebrauchten Stückfässern vergoren und ausgebaut, zu Dreivierteln im Stahltank. Mit zehn Euro ist dieser Wein richtig günstig.

Tipp für Weinfreunde: die Zweitweine der Großen Gewächse

Der zweite Trend, der auf der Mainzer Weinbörse erkennbar war, hat mit der Politik des VDP zu tun. Bekanntlich strebt der Verband an, die Namen der besten Einzellagen für die Produktion von Großen Gewächsen zu reservieren, also dem Pendant zu den Grands Crus aus Burgund. Die Kehrseite dieser Idee: Wird beispielsweise ein Großes Gewächs aus der Lage Westhofener Morstein (in Rheinhessen) gekeltert, dann darf es keinen anderen Wein unter diesem Lagennamen mehr geben, also beispielsweise keine Westhofener Morstein Riesling Spätlese trocken.

In der Regel gehen aber nicht alle, sondern nur die besten Trauben aus der Lage Westhofener Morstein in das Große Gewächs ein. Was geschieht mit den anderen, ausgelesenen Trauben? Sie werden lagenrein gekeltert. Aber das Weingut muß sich etwas ausdenken, um die Weine statutengerecht in den Verkehr zu bringen. Die Einen schreiben statt der Einzellage nur den Ortsnamen aufs Etikett (z.B. Westhofener Riesling). Diese Möglichkeit hat das Weingut Gutzler für seine hochmineralische 2009 trockene Spätlese gewählt, deren Trauben vom Morstein kommen. Andere benennen den Wein nach dem Bodentyp ihrer Einzellage: beispielsweise “Kalkmergel”, “Rotschiefer”, “Basalt” oder ähnlich. Das Weingut Ökonomierat Rebholz nennt seinen superben Weißburgunder S einfach “Vom Muschelkalk”, das Weingut Wehrheim seinen hervorragenden Riesling S „Aus dem Rotliegenden“. Prinz Salm-Salm von der Nahe teilt auf dem Etikett seines exzellenten Lagen-Rieslings mit, auf welchen Böden die Reben stehen, von denen seine Trauben kommen: „Vom roten Schiefer“ (www.schloss-wallhausen.de). Alle drei Weine bieten tolle Qualitäten zu attraktiven Preisen. Vom Großen Gewächs trennt sie – abgesehen vom Preis – die sympathische Eigenschaft, schon etwas früher zum Genuß geeignet zu sein.

Vielleicht verdankt sich die Entstehung dieser Zweitweine der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation. Denn es sieht ganz so aus, als hätten die Weingüter unter dem Eindruck der Krise bei den Großen Gewächsen ein bisschen weniger Menge angestrebt. Das ist den Weinen der mittleren Preisklasse zugute gekommen sein: Irgendwo hin muss man ja hin mit all den guten Trauben.

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