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Logonovo: neuer Merlot aus Montalcino

Die Vergleichsprobe enthielt alles an Merlot aus Italien, was Rang und Namen hat. Und was teuer ist. Der Masseto der Tenuta dell’Ornellaia, Italiens teuerster Merlot, kostet zum Beispiel durchschnittlich 500 Euro pro Flasche. Nicht dass der Logonovo, wie der Merlot von Marco Keller heißt, ihm das Wasser reichen könnte – aber zwanzigmal schlechter ist er auch nicht, weil er nur 25 Euro kostet. Auch an den berühmten Cheval Blanc aus St. Emilion (der zwischen 350 und 700 Euro pro Flasche kostet) kommt der Logonovo nicht heran. Doch auch hier gilt: So viel schlechter ist der Logonovo nicht, wie der Preisunterschied suggeriert.

Merlot von einem großen Terroir

Logonovo-WeinbergeVergleiche dieser Art seien problematisch, warnen Experten. Aber für Weintrinkern, die nicht auf Etiketten schielen, bietet der Logonovo etwas, das weit über ein normales Merlot-Trinkerlebnis hinausgeht. Der Wein ist nicht nur handwerklich perfekt gemacht. Er ist auch vielschichtig, aromentief und nie banal, wie so viele andere Merlots. Man schmeckt, dass er von einem großen Terroir kommt – dem des Brunello di Montalcino.

Was ihn von den ganz großen Merlots Italiens und der Welt unterscheidet, ist, dass er so völlig geheimnislos ist. Alles was in ihm steckt, zeigt er auch. Das macht ihn attraktiv. Kein Wein wie der Brunello di Montalcino, der in der Regel viele Jahre braucht, um sich zu öffnen, sondern ein Wein, der alles, was in ihm steckt, sofort präsentiert. Wer Frische und Primäraromen liebt, kommt bei diesem Wein voll auf seine Kosten. „Ich bin zu alt für einen Brunello“, bekennt Marco Keller, der altersmäßig auf die 70 zugeht.

Auf der Titanic gab es keinen Sangiovese-Wein

Marco KellerKeller ist ein Italo-Schweizer: Er stammt aus Mailand und lebt in Lugano. Die Firma, die er gegründet hat, stellt Heizungs-Radiatoren her, die er erfolgreich nach Algerien vekauft hat. So ist er zu Wohlstand gekommen. Er liebt den Wein, auch den Brunello, aber er wollte, nachdem er das Weingut auf einer Versteigerung erworben hatte, „nicht der 251. Brunello-Produzent werden“. So pflanzte er Merlot und engagierte den bekannten Önologen Roberto Cipresso, der ihm in Weinberg und Keller mit Rat und Tat zur Seite steht: „Ich will einen großen Wein aus einer noblen Rebsorte machen“, beschreibt Keller seine Motivation. Und als Begründung dafür, dass er nicht Sangiovese gepflanzt hat: „Ich habe mir die Weinliste der Titanic angeschaut, bevor sie sank. Dort waren Champagner, Portwein und Chambertin aufgeführt, aber kein Sangiovese-Wein.“

In Deutschland ist der Logonovo noch nicht erhältlich. In der Schweiz findet man ihn für 29,50 CHF bei Silvino in Zürich und bei Logonovo selbst.

Die Weine


2008 L’Apparita | Castello di Ama2008 L’Apparita | Castello di Ama
Schon im Bouquet tief mit Duft von Brombeeren und schwarzen Johannisbeeren, viel Beerenfrucht auch am Gaumen, dabei noch leicht vom Holz geprägt: zweifellos ein großer, komplexer, bei aller Fülle feingliedriger Merlot aus einer Spitzenlage im Chianti classico, der noch etwas widerspenstig, aber schon gut antrinkbar ist.
Preis: ca. 130 Euro
Bewertung: 93/100 Punkte


2008 Baffo Nero | Rocca di Frassinello2008 Baffo Nero | Rocca di Frassinello
Der Darling der Gambero Rosso-Tester: dunkler, konzentrierter Merlot von der toskanischen Küste, Veilchen, schwarze Johannisbeeren, Pflaumen in der Nase, auch auf der Zunge klar und eindeutig: leicht verständlicher, wohlschmeckender Designerwein, ohne große Zukunft, aber heute sehr suggestiv.
Preis: ca. 120 Euro
Bewertung: 91/100 Punkte


2008 Crosara | Maculan
Nase uneindeutig, Waldfrüchte mit einem Hauch von flüchtiger Säure, ansonsten dicht, konzentriert, nobles Holz, neben der deutlich spürbaren Fruchtsüße eine leicht grüne Note: ein reinsortiger Merlot aus Breganze im Veneto.
Preis: 68 Euro
Bewertung: 90/100 Punkte


2008 Lamaione | Marchesi de’Frescobaldi2008 Lamaione | Marchesi de’Frescobaldi
Opulenter, noch etwas wilder Merlot vom Nachbarweingut von Logonovo in Montalcino: würzige Süße in der Nase, dazu viel Brom- und Blaubeeren, beeindruckende Fülle, aber locker gewoben und ohne die Vielschichtigkeit großer Merlots.
Preis: ca. 41 Euro
Bewertung: 90/100 Punkte


2008 La Ricolma | San Giusto a Rentennano2008 La Ricolma | San Giusto a Rentennano
Mächtiger, noch etwas spröder Merlot aus dem Chianti classico: Nase von Waldfrüchten und Lakritz, dazu ein wenig flüchtige Säure, dabei üppig, wichtig, mitreißend, toughes Tannin – ein noch unaufgeschlossener Wein mit vermutlich riesigem Potenzial, aber ohne große Eleganz.
Preis: ca. 42 Euro
Bewertung: 92/100 Punkte


2008 Logonovo | Logonovo2008 Logonovo | Logonovo
Sauber und gradlinig im Bouquet, auf der Zunge saftig mit viel Beere, geschliffene Frucht, bestens integriertes Holz, perfekte Balance: ein toller, glatter Merlot, der allerdings schon fast fertig und im besten Sinne eindimensional ist.
Preis: ca. 25 Euro
Bewertung: 91/100 Punkte


2008 Masseto | Tenuta dell’Ornellaia2008 Masseto | Tenuta dell’Ornellaia
Merlot aus Einzellage bei Bolgheri an der toskanischen Küste: sehr straffer, dicht gewobener Wein mit Noten von Cassis und Schwarzwälder Kirsch, Lorbeer und hellem Tabak, von feinkörnigem, süßen Tannin durchzogen, das diesen reichen Wein zusammenhält.
Preis: ca. 500 Euro
Bewertung: 96/100 Punkte


2008 Messorio | Le Macchiole2008 Messorio | Le Macchiole
Beeindruckender Merlot aus Bolgheri, sehr sauber mit viel schwarzer Johannisbeere, Teer und Tabak, klar gegliedert und von gesundem Tannin durchzogen, attraktiver Wein, allerdings etwas einseitig frucht- und weniger Terroir-betont.
Preis: ca. 160 Euro
Bewertung: 93/100 Punkte


2008 Redigaffi | Tua Rita2008 Redigaffi | Tua Rita
Massiger, hochkonzentrierter Wein, fleischig, pfeffrig, beerenfruchtig, dazu ein Hauch von Sauerkirsche, gewaltige Fülle, feines, gut integriertes Tannin, edles Holz: suggestiver, muskulöser Wein, der vor Kraft allerdings nicht mehr Laufen kann.
Preis: ca. 180 Euro
Bewertung: 92/100 Punkte


2008 Chateau Cheval Blanc | Chateau Cheval Blanc2008 Chateau Cheval Blanc | Chateau Cheval Blanc
Schon in der Nase elegant und fein, am Gaumen konzentriert, aber nicht wuchtig, leicht röstig und noch stark vom Neuholz geprägt: geschliffener und perfekt ausbalancierte Merlot-/Cabernet franc-Cuvée aus St. Emilion, die im Vergleich zu den Italienern vielleicht weniger suggestiv, aber leichter und spielerisch eleganter wirkt.
Preis: ca. 550 Euro
Bewertung: 94/100 Punkte


2008 Merlot | Pahlmeyer Estate2008 Merlot | Pahlmeyer Estate
Berühmter Merlot aus dem kalifornischen Napa Valley, der zwar hoch im Alkohol ist (15 Vol.%), aber durch seine außerordentliche Vielschichtigkeit und Feinheit besticht: minzig-fruchtig mit viel Würze und deutlichen Röstaromen, neben deutlichen Cassisnoten vor allem schwarzer Pfeffer, Gewürznelken, Graphit, dazu reifes, schmelziges Tannin am Gaumen – ein komplexer Wein mit großem Alterunspotenzial, trotzdem jetzt schon mit großen Genuss zu trinken.
Preis: ca. 110 Euro
Bewertung: 94/100 Punkte


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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