Der Vater von Vijay Sapre, dem Herausgeber des Hamburger Gourmetmagazins EFFILEE, kam jeden Tag in der Mittagspause von der Arbeit nach Hause, um seinen Kindern ein warmes Essen zu kochen. Dafür hatte er stets eine Prise Glutamat griffbereit. „Lecker war’s“, sagt der Sohn heute, obwohl Glutamat einen denkbar schlechten Ruf bei uns hat. Der Geschmacksverstärker und seine Wirkungen interessieren ihn noch immer so sehr, dass er nach München zu einem Workshop einlud.
„Glutamat ist völlig in Ordnung“, sagt Professor Vilgis
Einer der Redner an diesem Tag ist der Physiker Thomas Vilgis. Der Professor arbeitet am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und ist Autor einiger Standardwerke zum Thema Geschmack. „Alles ist Gift in letzter Zeit. Salz, Zucker, Koffein und Zitronensäure. Jetzt ist gerade das Glutamat dran.“ Glutamat, oder besser Glutaminsäure (eine Aminosäure), spricht die Rezeptoren des Geschmackssinns Umami an. Und das künstlich hergestellte Glutamat hat in etwa den Ruf von Blausäure. Dabei sei Glutamat völlig in Ordnung, sagt Vilgis.
Seinen Ausführungen nach ist es egal, woher der Stoff stammt, ob aus der Natur oder dem Labor. Denn wenn man sich den Geschmackssinn einmal auf molekularer Ebene anschaut, dann „schmecken“ wir am Ende elektrische Ladungen, ausgelöst von bestimmten Molekülen, die an die Rezeptoren auf unserer Zunge andocken. Eines dieser Moleküle ist eben die Glutaminsäure.
In Japan spielt Glutamat eine größere Rolle als im Westen
Sie ist ein Teil von Proteinen, also Eiweißen, und kommt in vielen Lebensmitteln vor. Vor allem in Fleisch. Durch langes Kochen oder Schmoren werden die Proteine gespalten, die Aminosäuren lösen sich, Glutaminsäure wird frei, kann an die Umami-Rezeptoren andocken – das Essen schmeckt besonders gut. In der asiatischen, besonders der japanischen Küche, spielt Glutamat eine bedeutend größere Rolle als im Westen. Dort ist Dashi ein weit verbreitetes Mittel zum Würzen von Speisen. Dashi ist ein Sud, der aus Bonito (ein enger Verwandter des Thunfischs), Kombu-Algen und Shiitakepilzen gewonnen wird und enorm viel Glutamat enthält.
Umami zu beschreiben und zu erkennen, ist nicht ganz so leicht wie bei den anderen vier Geschmacksrichtungen. Salzig, sauer, bitter und süß kennt und erkennt jeder. Umami hingegen ist schwerer zu fassen. Es schmeckt herzhaft, fleischig, würzig. „Es sorgt für Komplettheit am Gaumen“, so beschreibt es Eric König, Sommelier im japanischen Restaurant Koi in München. „Jeder hatte es schon mal, aber war sich dessen vielleicht nicht bewusst. Deshalb stellt sich jeder was anderes drunter vor“, sagt er.
Für den Sommelier sind Umami-Gerichte eine große Herausforderung
Für ihn als Sommelier sind Speisen, die diesen Geschmackssinn stark anregen, eine besondere Herausforderung. „Wie gesagt macht Umami den Geschmackseindruck komplett. Wenn jetzt die Speise schon so vieles anspricht, was servierst Du dann dazu?“ fragt König. Den passenden Wein zu von Umami geprägten Gerichten zu finden, ist also viel schwieriger als bei den anderen Geschmäckern. „Parmesan zum Beispiel hat sehr viel Umami“, sagt der Sommelier. „Einen trockenen Riesling dazu? Kannst du nicht saufen! Verdejo? Zu viele Bitterstoffe. Restsüße? Zu viel davon geht auch nicht.“ Es kommen also schnell eine Menge Ausschlusskriterien zusammen.
König empfiehlt zum Beispiel einen ordentlich gereiften Riesling von der Mosel. Mit fortgeschrittenem Alter ist die Süße nicht mehr so spürbar. Königs Empfehlung: eine Spätlese von Prüm aus dem Jahr 1982. Gut geht seiner Meinung nach auch ein Brunello di Montalcino mit nicht zu viel Säure und ebenfalls gereift. „Dann sind die Tannine schon weit zurückgegangen. Ich hatte mal einen von Brunello von Soldera aus dem Jahr 1988 im Glas – wunderbar“, sagt er.
Fragt ihn der Gast nach etwas Besonderem, empfiehlt der Sommelier aber keinen europäischen Wein. „Sake, der japanische Reiswein, geht sehr gut.“