Wenn der Preis ein Kriterium für die Klassifikation wäre, gehörte der Wein von Chateau La Mission Haut-Brion schon seit einigen Jahren dem Club der Premiers an. Mit über 1000 Euro pro Flasche gibt es nur wenige Premiers, die höher ranken als er, aber viele, die sich unter ihm einordnen – übrigens auch der Haut-Brion selbst. Das liegt sicher nicht nur daran, dass La Mission Haut-Brion die Hälfte der Weinmenge produziert wie der große Bruder Haut-Brion. Er ist ein Wein von eigener Klasse, der sein Terroir perfekt interpretiert. Parker gibt ihm sowohl in 2010 wie in 2009 dieselbe Note wie Haut-Brion: nämlich 98-100 Punkte. Das ist definitiv Premier-Cru-Status.
Definitiv Premier-Cru-Status
In den letzten Jahren hat Prinz Robert von Luxembourg, der Verwalter, große Summen investiert, um Weinberge und Keller von La Mission zu erneuern: im Keller neue Cuves und 100 Prozent neue, kräftig getoastete Barriques, im Weinberg neue Rebstöcke.
Auf den relativ hohen Anteil an jungen Reben (ein Großteil unter 20 Jahren) reagiert das Chateau, indem es die Mengen für den Grand Vin reduziert und nur auf alte Rebstöcke zurückgreift. Cabernet Sauvignon ist nach wie vor die vorherrschende Sorte (2010: 62 Prozent), während Haut-Brion einen höheren Merlot-Anteil hat.
Überhaupt sind La Misssion Haut-Brion und Haut-Brion ziemlich unterschiedliche Weine, obwohl die Chateaux Luftlinie nur zwei Kilometer voneinander entfernt liegen und beide denselben Eigentümer haben: die Familie Dillon. Haut-Brion gilt als leichtester und am frühesten reifender Wein unter den Premiers, während La Mission Haut-Brion als sehr langlebig gilt und in der Regel erst nach 15 bis 20 Jahren seine Klasse zeigt.
Parker: „Fetter und cremiger als Haut-Brion“
Allerdings scheint sich der Stil von La Mission in den letzten Jahren leicht geändert zu haben. Aus dem knochigen, teilweise übermäßig würzigen Wein ist ein eleganter, weicherer Wein mit viel Süße und Röstaromen geworden. „Er ist etwas fetter und cremiger als sein Zwilling, der Haut-Brion“, schrieb Parker über den 2010er.
Auf die jungen Jahrgänge hatten Carlo Wolf, der Gründer und Inhaber des Fine Wine-Händlers WeinArt (der sich kürzlich von seiner namensgleichen deutschen Tochter getrennt hat), und seine Tochter Katherina (als Geschäftsführerin) deshalb verzichtet, als sie zur großen La Mission Haut-Brion- Probe an den Attersee baten. Der jüngste Wein war der 2001er, der älteste der 1909er – insgesamt also 35 Jahrgänge (davon der 1955er zweimal: einmal als Chateau-Abfüllung, einmal als Händlerabfüllung), dazu einmal der Haut-Brion zum Vergleich: beim 1989er.
Legendäre Raritäten-Proben am Attersee
Wie immer bei den Raritätenproben im alten Forsthaus von Steinebach wurden kleine Gerichte mit Produkten aus der eigenen Landwirtschaft beziehungsweise dem lokalen Umfeld gereicht, etwa gekochte Brust vom Atterochs, Rote Bete aus dem eigenen Garten, Lamm vom nahen Holzberg und Tatar von der Attersee-Reinanke. Sie wurden zu den einzelnen Flights serviert.
Das Fazit der Probe: Viele große Weine, darunter einige anbetungswürdige, aber auch viele flaue Weine, die den großen Ruf nicht rechtfertigen konnten, der den Weinen von La Mission Haut-Brion vorauseilt. Dass die Familie Woltner, die das Chateau von 1919 bis 1983 gehalten hatte, in den letzten Jahren in finanziellen Schwierigkeiten war, glaubt man dem einen oder anderen Wein anmerken zu können – vor allem in den schwächeren Jahren, in denen die Natur es nicht selbst gerichtet hat und menschlicher Einsatz gefragt war.
Gott mag den La Mission Haut-Brion
Allerdings waren die Probleme nach der Übernahme durch die Dillons vom benachbarten Haut-Brion nicht sofort gelöst. Es begann ein langsamer, zäher Renovierungsprozess, der bis heute anhält. Trotzdem kann man feststellen, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – seitdem auch in kleinen Jahren festliche, ja feierliche Weine erzeugt werden, die denen von Haut-Brion nicht nachstehen. „Wenn Gott ihn nicht gemocht hätte, hätte er den Wein von La Mission nicht geschaffen“, heißt es auf dem Chateau.