Kult-Wein auf dem Prüfstand: 35 Jahrgänge La Mission Haut-Brion

Chateau La Mission Haut-Brion
35 Jahrgänge La Mission Haut-Brion an einem Abend zu verkosten, ist spannend, aber auch anstrengend. 35 Jahrgänge aber aufzutreiben, ist richtig schwer. Carlo Wolf, Inhaber der österreichischen WeinArt, und Tochter Katharina ist das gelungen. In ihrem alten Forsthaus am Attersee trafen sich zwei Dutzend Weinverrückte, um den Kult-Bordeaux bis zum Jahrgang 1909 zurückzuverkosten. Jens Priewe gehörte zu ihnen.

Wenn der Preis ein Kri­te­ri­um für die Klas­si­fi­ka­ti­on wäre, gehör­te der Wein von Cha­teau La Mis­si­on Haut-Brion schon seit eini­gen Jah­ren dem Club der Pre­miers an. Mit über 1000 Euro pro Fla­sche gibt es nur weni­ge Pre­miers, die höher ran­ken als er, aber vie­le, die sich unter ihm ein­ord­nen – übri­gens auch der Haut-Brion selbst. Das liegt sicher nicht nur dar­an, dass La Mis­si­on Haut-Brion die Hälf­te der Wein­men­ge pro­du­ziert wie der gro­ße Bru­der Haut-Brion. Er ist ein Wein von eige­ner Klas­se, der sein Ter­ro­ir per­fekt inter­pre­tiert. Par­ker gibt ihm sowohl in 2010 wie in 2009 die­sel­be Note wie Haut-Brion: näm­lich 98-100 Punk­te. Das ist defi­ni­tiv Premier-Cru-Status.

Definitiv Premier-Cru-Status

In den letz­ten Jah­ren hat Prinz Robert von Luxem­bourg, der Ver­wal­ter, gro­ße Sum­men inves­tiert, um Wein­ber­ge und Kel­ler von La Mis­si­on zu erneu­ern: im Kel­ler neue Cuves und 100 Pro­zent neue, kräf­tig getoas­te­te Bar­ri­ques, im Wein­berg neue Rebstöcke.

Auf den rela­tiv hohen Anteil an jun­gen Reben (ein Groß­teil unter 20 Jah­ren) reagiert das Cha­teau, indem es die Men­gen für den Grand Vin redu­ziert und nur auf alte Reb­stö­cke zurück­greift. Caber­net Sau­vi­gnon ist nach wie vor die vor­herr­schen­de Sor­te (2010: 62 Pro­zent), wäh­rend Haut-Brion einen höhe­ren Merlot-Anteil hat.

Über­haupt sind La Miss­si­on Haut-Brion und Haut-Brion ziem­lich unter­schied­li­che Wei­ne, obwohl die Cha­teaux Luft­li­nie nur zwei Kilo­me­ter von­ein­an­der ent­fernt lie­gen und bei­de den­sel­ben Eigen­tü­mer haben: die Fami­lie Dil­lon. Haut-Brion gilt als leich­tes­ter und am frü­hes­ten rei­fen­der Wein unter den Pre­miers, wäh­rend La Mis­si­on Haut-Brion als sehr lang­le­big gilt und in der Regel erst nach 15 bis 20 Jah­ren sei­ne Klas­se zeigt.

Parker: „Fetter und cremiger als Haut-Brion“

Aller­dings scheint sich der Stil von La Mis­si­on in den letz­ten Jah­ren leicht geän­dert zu haben. Aus dem kno­chi­gen, teil­wei­se über­mä­ßig wür­zi­gen Wein ist ein ele­gan­ter, wei­che­rer Wein mit viel Süße und Röst­aro­men gewor­den. „Er ist etwas fet­ter und cre­mi­ger als sein Zwil­ling, der Haut-Brion“, schrieb Par­ker über den 2010er.

Auf die jun­gen Jahr­gän­ge hat­ten Car­lo Wolf, der Grün­der und Inha­ber des Fine Wine-Händlers Wein­Art (der sich kürz­lich von sei­ner namens­glei­chen deut­schen Toch­ter getrennt hat), und sei­ne Toch­ter Kathe­ri­na (als Geschäfts­füh­re­rin) des­halb ver­zich­tet, als sie zur gro­ßen La Mis­si­on Haut-Brion- Pro­be an den Atter­see baten. Der jüngs­te Wein war der 2001er, der ältes­te der 1909er – ins­ge­samt also 35 Jahr­gän­ge (davon der 1955er zwei­mal: ein­mal als Chateau-Abfüllung, ein­mal als Händ­ler­ab­fül­lung), dazu ein­mal der Haut-Brion zum Ver­gleich: beim 1989er.

Legendäre Raritäten-Proben am Attersee

Lese 2011 in den Weinbergen von Chateau La Mission Haut-BrionWie immer bei den Rari­tä­ten­pro­ben im alten Forst­haus von Stein­e­bach wur­den klei­ne Gerich­te mit Pro­duk­ten aus der eige­nen Land­wirt­schaft bezie­hungs­wei­se dem loka­len Umfeld gereicht, etwa gekoch­te Brust vom Atte­rochs, Rote Bete aus dem eige­nen Gar­ten, Lamm vom nahen Holz­berg und Tatar von der Attersee-Reinanke. Sie wur­den zu den ein­zel­nen Flights serviert.

Das Fazit der Pro­be: Vie­le gro­ße Wei­ne, dar­un­ter eini­ge anbe­tungs­wür­di­ge, aber auch vie­le flaue Wei­ne, die den gro­ßen Ruf nicht recht­fer­ti­gen konn­ten, der den Wei­nen von La Mis­si­on Haut-Brion vor­aus­eilt. Dass die Fami­lie Wolt­ner, die das Cha­teau von 1919 bis 1983 gehal­ten hat­te, in den letz­ten Jah­ren in finan­zi­el­len Schwie­rig­kei­ten war, glaubt man dem einen oder ande­ren Wein anmer­ken zu kön­nen – vor allem in den schwä­che­ren Jah­ren, in denen die Natur es nicht selbst gerich­tet hat und mensch­li­cher Ein­satz gefragt war.

Gott mag den La Mission Haut-Brion

Aller­dings waren die Pro­ble­me nach der Über­nah­me durch die Dil­lons vom benach­bar­ten Haut-Brion nicht sofort gelöst. Es begann ein lang­sa­mer, zäher Reno­vie­rungs­pro­zess, der bis heu­te anhält. Trotz­dem kann man fest­stel­len, dass – von weni­gen Aus­nah­men abge­se­hen – seit­dem auch in klei­nen Jah­ren fest­li­che, ja fei­er­li­che Wei­ne erzeugt wer­den, die denen von Haut-Brion nicht nach­ste­hen. „Wenn Gott ihn nicht gemocht hät­te, hät­te er den Wein von La Mis­si­on nicht geschaf­fen“, heißt es auf dem Chateau.

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