Xu Lei ist einer der profiliertesten zeitgenössischen Künstler Chinas. Der 48jährige Maler arbeitet für das die China Art Academy Design & Research Center, ist künstlerischer Direktor des Today Art Museums in Peking und Chefredakteur des Kunstmagazins Classic. Auch im Westen ist er kein Unbekannter. 2008 hat er an der Library of Congress in Washington D.C. Vorlesungen über „Das Wiedererwachen der Tradition in der zeitgenössischen chinesischen Kunst“ gehalten. Zahlreiche seiner Werke hängen in deutschen Kunstgalerien.
Mit der Bekanntgabe Xu Leis als nächstem Etikettengestalter geht eine wochenlange Spekulation von Brokern und Weinfonds auf, die hohe Summen für Futures auf den Jahrgang 2008 gezahlt haben. In den letzten Wochen ist der Preis für den 2008er Mouton Rothschild, der erst im Sommer 2011 auf den Markt kommt, um mehr als 200 Prozent gestiegen. Jetzt, da aus der Vermutung Gewissheit geworden ist, dürften die Preise noch einmal einen Sprung nach oben machen.
Dabei gilt 2008 qualitativ nicht als großer Jahrgang. Im Gegenteil: Die europäischen Kritiker waren von ihm alles andere als begeistert, nachdem sie ihn erstmals aus dem Fass probieren konnten. Ihr Urteil: von wenigen Ausnahmen abgesehen ein unspektakulärer Jahrgang. Entsprechend gering war die Nachfrage im en primeur-Handel. Der Wein von Mouton Rothschild wurde für 100 Euro pro Flasche ex Chateau freigegeben – so billig wie schon lange nicht mehr.
Dann kam das überraschende Urteil des amerikanischen „Weinpapstes“ Robert Parker, dem die 2008er Weine wesentlich besser zu schmecken schienen als seinen Kollegen diesseits des Atlantiks. Die Preise zogen an, blieben jedoch deutlich unter denen des Jahrgangs 2005, des bislang besten Jahrgangs dieses Jahrzehnts mit den höchsten Notierungen.
Doch wie so häufig in Bordeaux haben Qualität und Preis nichts miteinander zu tun. Die Acht gilt in China als Glückszahl – und die Nachfrage nach Premier Crus kommt derzeit vor allem aus dem Fernen Osten. Das hatte die en primeur-Kampagne 2009 eindrücklich gezeigt. Von der Preisexplosion der letzten sechs Monate profitierte auch der 2008er Jahrgang. Während er für europäische Bordeaux-Trinker kein Muss ist, wird er in China heiß erwartet.
Westliche Händler und Weinfonds decken sich daher schon seit Wochen vorsorglich mit dem 2008er ein. Sie gehen davon aus, dass viele Chinesen ihn sich als Glücksbringer in den Keller legen werden. Wahrscheinlich haben sie Recht: Aberglaube bewirkt Wunder.
Baron Eric vom benachbarten Chateau Lafite-Rothschild hat für seinen 2008er sogar eine neue Flasche entworfen. Er ließ die Jahreszahl 2008 ins Glas einarbeiten und darunter, quasi als Clou, das chinesische Schriftzeichen für Acht eingravieren. Prompt stiegen an der Londoner Weinbörse Liv-Ex die Futures für eine 12er Kiste dieses Weins auf knapp 10 000 Euro. Das entspricht einem Flaschenpreis von umgerechnet 830 Euro. Zum Vergleich: Der 2008er Lafite hatte in der ersten Tranche den Keller für 110 Euro verlassen: ein satter Wertzuwachs in weniger als 18 Monaten.
Lafite ist für die Chinesen der Primus unter den Premier Crus. Aber der Mouton-Rothschild scheint ihm nun dicht auf den Fersen zu sein – zumindest beim Jahrgang 2008. Unmittelbar vor der Bekanntgabe von Xu Lei als neuem Etikettengestalter wurde eine 12er Kiste dieses Weins in London für 8000 bis 9000 Euro gehandelt, also für nur unwesentlich weniger als für den Lafite. Das heißt: Für eine Flasche boten die Spekulanten zwischen 650 und 750 Euro. Mouton hat den Weg nach Asien für sich geschickt geebnet.