Dienstag, September 17, 2024
15.9 C
München
spot_img

Kellerei Terlan: Mein Name sei Primo, ich koste 149 Euro

Dass die Kellerei Terlan die erste Adresse ist, wenn es um Südtiroler Weißwein geht, wissen alle, die sich ernsthaft mit Weißwein aus Italien beschäftigen. Jetzt hat die Kellerei ihrem Ruf alle Ehre gemacht und einen Weißwein erzeugt, der alle Grenzen sprengt, die für Südtiroler Wein bisher galten. Er heißt Terlaner I (sprich: Terlaner Primo) und kostet laut Liste 149 Euro. Damit ist er der teuerste Weißwein Italiens.

Zeugnis des Aufstiegs Südtirols

Erstaunlich? Wenn man bedenkt, dass die schlechtesten Weißweine Italiens vor 30 Jahren aus der Gegend um Bozen kamen – dann ist das schon ein wenig überraschend. Wer jedoch an die letzten zwei Jahrzehnte denkt, muss sagen: Woher sollten die besten Weißweine Italiens sonst kommen? Aus Süditalien? Sicher, die Weißweine von dort sind herrlich süffig, auch anspruchsvoll süffig, aber Micky Mäuse gegen die Spitzenweine aus Südtirol. Aus den Marken? Bei aller Wertschätzung für den Verdicchio – für große Weine braucht es doch noch ein bisschen mehr. Aus der Lugana? Wohl eher nicht. Aus dem Friaul? Selten hat eine Weißwein-Region ihren Vorsprung, den sie vor 30 Jahren besaß, so kläglich verspielt wie diese Region. Vielleicht von einzelnen Erzeugern wie Gaja (mit seinem Gaia & Rey) oder Antinori (mit dem Cervaro della Sala)? Möglich. Doch in Südtirol haben ein Dutzend Erzeuger gezeigt, dass aus dem Mix von kühlem mitteleuropäischen und warmem mediterranen Klima charakterstarke Weine hervorgehen können, wie es sie in dieser Breite nirgendwo in Italien gibt. In der Spitze auch sehr gute. Und mit dem Terlano I auch große.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Kellerei Terlan | Foto: © Udo BernhartUm es vorweg zu sagen: Diesen Wein gibt es bisher nur einmal. Er ist rar wie ein Montrachet. Es gibt es nur 2.850 Flaschen von ihm – ein Fliegenschiss also (pardon). Bei der Kellerei Terlan, die ihn erzeugt, ist er nicht käuflich zu erwerben. In Südtiroler Vinotheken ist er nicht zu finden. Überhaupt wird dieser Wein nicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien gehandelt. Er wird – gegen Geld natürlich – zugeteilt, und zwar nach einem simplen Schlüssel. Der sieht vor, dass er nahezu exklusiv in die Gastronomie geht, in die USA, nach Japan, nach Hongkong, ins italienisch-sprachige Italien. 300 Flaschen sind auch nach Deutschland gegangen, wobei es gar nicht unbedingt die Sterne-Gastronomie ist, die den Wein bekommen hat. Der alteingesessene Italiener La Grappa in Essen hat ihn im Keller, auch die brave Trattoria Eboli in Grünwald, wo sich die hochmögende Münchener Film- und Fußballprominenz zum Essen trifft. Um den Wein zu kaufen, muss man nach Hamburg fliegen und versuchen, ein Fläschlein in der Enoteca im Hanseviertel loszueisen. Die wird nämlich von Weinland Ariane Abayan betrieben, dem deutschen Generalimporteur.

Einzigartig für Südtirol

Ein paar Flaschen bleiben natürlich auch in Südtirol. Sie aufzuspüren, ist allerdings mühsam. Weil Neugier und Nachfrage dort am größten sind, setzen die Restaurants ihn oft nicht auf die Karte, sondern verstecken ihn im Keller.

Über die verworrenen Wege, über die dieser rare Tropfen zum Kunden gelangt, kann man sich lustig machen, über den Wein selbst nicht. Er ist einzigartig: opulent auf der einen, feingliedrig auf der anderen Seite. Und frisch. Bei aller Fülle und Komplexität brilliert er mit kraftvoller Mineralität. So einen Wein hat es noch nie in Südtirol gegeben.

Purer Ausdruck des Terroirs von Terlan

Weinberge bei Terlan
Weinberge bei Terlan

Rudi Kofler, der Kellermeister, hat die Intention dieses Weins so beschrieben: „Wir wollten einen Wein, der die Seele unseres Terlaner Terroirs möglichst pur und authentisch zum Ausdruck bringt. Dafür haben wir 2011 die besten Trauben der Sorten Weißburgunder, Chardonnay, Sauvignon blanc aus unseren Top-Lagen selektiert, den Wein dann langsam in großen Holzfässern vergoren und hinterher lange auf der Feinhefe ausgebaut.“

Klingt einfach. Aber allein die besten Parzellen zu bestimmen, setzt engmaschige Bodenuntersuchungen voraus. Dann müssen die Weinbauern, denen diese Parzellen gehören (die alle in den Terlaner Renommierlagen Winkl, Kreuth, Vorberg liegen), mitspielen. Dazu die individuelle Stockpflege der ausgewählten Reben, das skrupulöse Verlesen im Herbst, das vorsichtige Keltern – all das geht weit über die herbstliche Routine hinaus. Und am Ende besteht der Primo nicht nur aus Wein des Jahrgangs 2011, sondern zu einem kleinen Teil auch von 2010 und 2009 – eine Grande Cuvée eben. Dieser Primo ist nicht nur ein Wein, sondern auch eine Benchmark, die anzeigt, wie groß das Potenzial des Südtiroler Weißweins ist.

Legendär für Langlebigkeit

Die Terlan-CrewSicher, die Kellerei Terlan war schon vor dem Primo die Nummer 1 unter den Südtiroler Genossenschaften. Ihr Sauvignon „Quarz“, ihr Weißburgunder „Vorberg“, ihr Spitzen-Terlaner „Nova Domus“ sind Leuchttürme italienischer Weinkultur. Sie finden sich auf den Weinkarten der besten Restaurants zwischen Tokio und New York. Ihre Langlebigkeit ist legendär. Die Weißweine anderer italienischer Regionen können teilweise nicht einmal mit der mittleren Linie des Terlan-Sortiments konkurrieren. Der klassische Terlaner, der „Hauswein“ der Kellerei (220.000 Flaschen), steht weit über anderen Weißweinen Südtirols (klassisch heißt hier: im Stahltank ausgebaut). Wir tranken bei der Vorstellung des Primo unter anderem einen 1989er und einen 1969er Jahrgang dieses „Hausweins“: der erste leicht petrolig, aber immer noch packend, letzterer schlicht grandios. Für Weine der 10-Euro-Kategorie bemerkenswert.

Mit großen Burgundern auf Augenhöhe

Etikett Terlaner

Zurück zum Primo. Der Vergleich mit französischen Burgundern ist natürlich deplatziert. Der Primo wird zwar im Burgunderstil erzeugt (mit partiell biologischem Säureabbau und Holzfassausbau), doch schmeckt er völlig anders. Die Terlaner konnten bei seiner Vorstellung dennoch der Versuchung nicht widerstehen, ihren Wein mit zwei Burgunder Ikonen zu vergleichen: dem Batard-Montrachet von Etienne Sauzet (300 Euro) und dem Corton Charlemagne von Henri Boillot (120 Euro). Gemeinsam ist allen Dreien nur, dass sie viel Geld kosten. Ansonsten ist der Primo unverkennbar ein Terlaner Wein, während die anderen unverwechselbare Burgunder sind. Mehr Erkenntnisse lässt der Vergleich nicht zu. Aber das Faktum, dass Terlan ein Terroir besitzt, und zwar ein hochwertiges, reicht als Erkenntnis schon fast aus.

Die Weine


2013 Terlaner | Kellerei Terlan
Historische Cuvée von Weißburgunder (60%), Chardonnay (30%), Sauvignon blanc (10%), die nur im Edelstahltank reift: relativ körperreicher, stoffiger Wein, noch primärfruchtig mit Noten von Birne, reifem Apfel, Zitronenmelisse, dazu mineralisch-frisch mit gutem Säurebogen, am Gaumen weich mit zarter aromatischer Note.
Bewertung: 90/100 Punkte


1989 Terlaner | Kellerei Terlan
Gut gereifter und noch sehr stabiler Wein, goldgelb in der Farbe mit pikanten Sellerie- und Honigmelonennoten, zwar nicht mehr frisch, aber ohne jede Oxydation: immer noch ein packender Wein!
Bewertung: 90/100 Punkte


1969 Terlaner | Kellerei Terlan
Goldgelbe Farbe, reicher Duft mit Anklängen an Brot, Sellerie, Quitten, weich, fast ölig am Gaumen, erstaunlich frisch noch und sehr sauber im Ausdruck: laut Kellermeister einer der größten Terlaner Weine überhaupt.
Bewertung: 96/100 Punkte


2011 Terlaner I | Kellerei Terlan
Der neue Spitzenwein der Kellerei (ausgesprochen: Terlaner Primo): in der Nase ein ganzer Früchtekorb mit Apfel, Zitrus, Aprikose, Melone, aber auch von vegetalen Noten wie Klee, Rucola und einer zarten schotigen Würze, komplex, tief, hochreif, aber nicht überreif, am Gaumen cremig mit feinen, noch von der Frucht überlagerten mineralischen Noten: mächtiger, sehr geradliniger und kompakter Wein, der sich jetzt schon wunderbar trinkt, aber seine Geheimnisse noch nicht preisgibt.
Bewertung: 96/100 Punkte


- Anzeige -spot_img

2 Kommentare

- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img