Genau 120 Weine umfasst das neue Lidl-Weinangebot, das seit Mittwoch letzter Woche im Onlineshop des Discounters feilgeboten wird. Es reicht vom einfachen Bordeaux AOC über Dutzende von Grands Crus bis zu den Zweitweinen großer Chateaux und – als Krönung – zwei Jahrgängen von Château d’Yquem: dem 2011er für 349 Euro und dem 1998er in halber Flasche für 99 Euro.
Größte Bordeaux-Offerte aller Zeiten
Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht, dass ein Discounter sich in solche Preis-Stratosphären vorwagt? Sicher, der Yquem ist ein Lockvogel-Angebot. Aber hinter ihm verbirgt sich die größte Bordeaux-Offerte, die der Discounter je aufgelegt hat. Und sie enthält Weine, die an der 90-Euro-Grenze kratzen. Zum Beispiel die 2011er von Château Montrose und von Le Clarence de Haut-Brion für je 89,99 Euro. Dazu Figeac, Haut-Batailly, Branaire-Ducru, Lynch-Moussas, Talbot, Lagrange, Gruaud-Larose, Lascombes – also ein respektabler Teil des Bordeaux-Adels.
Shopping-Tour für die gut situierte Mittelschicht
Die Einkäufer des Neckarsulmer Discounters haben die Bestände der Bordelaiser Négoçiants ordentlich geplündert. Ihr Kalkül: die gut situierte Mittelschicht wenn schon nicht in ihre Filialen, dann doch wenigstens auf ihre Website zu locken, auf der man ungeniert auf Wein-Shopping-Tour gehen kann. Die Margen sind beim Wein höher als bei anderen Artikeln, und vielleicht entscheidet sich der eine oder andere Wein-Shopper, seinen Fuß über die Schwelle einer der Lidl-Läden zu setzen.
Nicht immer mit spitzem Bleistift gerechnet
Bei den Preisen haben die Lidlaner allerdings nicht immer mit spitzem Bleistift gerechnet. Sicher, 2007er Figeac und 2011er La Clarence de Haut-Brion sind im Fachhandel deutlich teuer. Für den 2010er Chateau Nenin verlangt C&D 5 Euro mehr (Lidl: 59,99 Euro). Und auch für den 2011er Montrose legt man bei der Bacchus Vinothek in Freudenstadt, einem der preiswertesten Bordeaux-Anbieter in Deutschland, 8 Euro mehr auf den Tisch (Lidl: 89,99 Euro).
Manche Weine sind im Fachhandel deutlich billiger
Doch viele der hochwertigen Bordeaux-Offerten kosten bei dem Discounter genauso viel oder mehr als im etablierten Fachhandel. Der 2010er Marquis de Terme steht bei Lobenbergs Gute Weine in Bremen mit 59 Euro auf der Liste (Lidl: 59,99 Euro). Den 2011er Branaire-Ducru bieten C&D und Wine2Expert ein paar Euro billiger an. Château Lagrange aus dem großen Jahr 2010 findet, wer sucht, sogar bei mehreren Anbietern deutlich preiswerter als im Lidl-Onlineshop (59,99 Euro), etwa bei Vinatis (38,90) oder Axel Buess (52,50 Euro). Auch der 2006er Gruaud Larose kostet bei Mövenpick deutlich weniger (59,00 Euro) als beim Discounter (69,99 Euro). Beim 2011er Château Lascombes muss sich Lidl (64,99 Euro) ebenfalls geschlagen geben. Die REWE-Tochter Kölner Weinkeller offeriert denselben Wein aus demselben Jahrgang für glatte 59 Euro.
Millesima beim Yquem genauso preiswert
Die Beispiele zeigen, das es im Segment der hochwertigen Weine praktisch kein Preisdumping gibt, es sei denn, man bietet unter Einstand an (was nicht der Lidl-Politik entspricht und überdies verboten ist).
So ist der 2011er Château d’Yquem – einer der großen Jahrgänge und von Parker mit 96 Punkten hoch benotet – bei Lidl zwar günstig kalkuliert. Aber der Internet-Anbieter Millesima bietet die Sechser-Kiste für 2.100 Euro an. Das macht 350 Euro pro Flasche – gerade einen Euro mehr als der Discounter.
Das wahre Schnäppchen der Woche bei Wine in Black
Mit der halben Flasche 1998er Château d’Yquem für 99 Euro erwischt Lidl den Fachhandel aber dann doch auf dem falschen Fuß. So billig kann niemand in Deutschland den süßen Sauternes anbieten. Zumindest im Moment nicht. Doch auch im Fachhandel macht sich eine Discount-Mentalität breit. Das wahre Schnäppchen der Woche bietet gerade der Fachhandels-Schreck Wine in Black an: einen 1996er Château d’Yquem für sensationelle 189,95 Euro. Der Wein ist mit 95-Parker-Punkten fast ebenso gut geratet wie der der 2011er. Auch wenn sich süße Weine in der Krise befinden – bei diesem Preis kann keiner mithalten. Bei Vif kostet der Jahrgang 240 Euro, bei Mövenpick 255 Euro.