Es ist Herbst, Barolo-Zeit. Der Gänsebraten wartet darauf, zu dem funkelnden Rotwein aus dem Piemont verspeist zu werden, die geschmorte Rehkeule auch, die Butter-Tagliatelle mit weißen Trüffeln sowieso. Der Barolo ist ein klassischer Winterwein: üppig, schwer, wärmend. Gleiches gilt für den Zwillingswein Barbaresco, dessen Anbaugebiet nur ein paar Kilometer entfernt liegt und der ebenfalls reinsortig aus der Nebbiolo-Traube gekeltert wird. Beide Weine haben einen eigenwilligen, an Moos, verblühte Rosen, bisweilen an Teer erinnernden Geschmack, wie man ihn bei keinem anderen Rotwein der Welt findet.
Beide besitzen viel Tannin, der Barolo meist noch mehr als der Barbaresco. Das Tannin hält die Weine zusammen und macht, dass sie noch lange auf der Flasche nachreifen und sich entwickeln können. Leider sind die Anbaugebiete beider Weine klein und die weltweite Nachfrage groß. So kommt es, dass die Preise für Barolo und Barbaresco in den letzten Jahren stark gestiegen sind – vor allem die berühmten Namen.
Vier Vorteile, die zählen
Vor einigen Wochen sind nun ein Barolo und ein Barbaresco auf den Markt gekommen, die ich bemerkenswert finde. Erstens sind sie sehr gut. Zweitens kommen aus dem großen Jahrgang 2010 und sind Riserve. Drittens lassen sie sich schon jetzt mit großem Genuss trinken. Und viertens sind sie bezahlbar. Sie kosten zwischen 30 und 45 Euro – für gereifte Riserve geradezu ein Schnäppchen. Beide kommen aus der Kellerei Vite Colte in Barolo, über die wir auf weinkenner.de schon vor zwei Jahren berichtet hatten. Bei ihr liefern 300 ausgewählte Kleinwinzer aus der ganzen Region ihre Trauben ab. Aber nur die mit guten beziehungsweise besten Lagen werden ausgewählt, um das Grundmaterial für die Riserve zu liefern. Die Barolo Riserva etwa kommt von nur fünf Winzern.
Die fünf erhalten strenge Vorgaben für ihre Weinberge. Ihre Reben werden das ganze Jahr über kontrolliert. Ihre Trauben werden selbstverständlich von Hand gelesen und genau selektiert, bevor sie vergoren werden. Am Ende entsteht auf diese Weise ein Wein, der mit wesentlich bekannteren Barolo auf Augenhöhe ist – die Wertungen der einschlägigen Kritiker vom Gambero Rosso bis zu Doctor Wine sprechen diesbezüglich eine deutliche Sprache. Gleiches gilt für den Barbaresco.
2010 Barolo Riserva „Essenze“, Vite Colte
Die Barolo des großen Jahrgangs 2010 sind längst vom Markt verschwunden. Umso überraschender ist es, das Vite Colte jetzt noch mit einer Riserva nachlegt: ein Wein, der drei Jahre im großen Holzfass gereift ist und sich danach über sechs Jahre im Keller auf der Flasche verfeinert hat, um jetzt, nach knapp zehn Jahren, freigegeben zu werden und seinen ersten Höhepunkt entgegen zu streben. Ein robuster Wein, kraftvoll, auch muskulös mit griffigem Tannin und vielen spannenden Facetten. Im Duft frische Brombeere und Preisselbeere mit einer Prise Lakritzpulver, dazu der typische Duft von Waldboden und getrockneten Pilzen. Der Tanninschleier, unter dem junge Barolo liegen, hat sich schon etwas gehoben.
Der Wein gleitet sanft über den Gaumen. Daniele Cernilli, der derzeit zuverlässigste italienische Weinkritiker, hat dieser Barolo Riserva 95 Punkte gegeben. Damit steigt dieser Wein im Ranking der besten piemontesischen Rotweine unter die Top 20. In Cernillis Punkten ist das Potenzial, das dieser Wein besitzt, mit einbezogen. Das heisst: Er wird sich noch lange verfeinern. Ich selbst habe den Test gemacht und die Flasche eine Woche lang offen gelassen und jeden Tag ein Glas getrunken – das letzte Glas war das beste. Wer den Wein nicht eine Woche vor dem Genuss öffnen will, dekantiert ihn einfach ein paar Stunden vorher.
Preis: 38 bis 44 Euro (bald wieder verfügbar)
Bezug: www.superiore.de, www.sentivini.de
2010 Barbaresco Riserva „Spezie“, Vite Colte
Im Moment ist die Barbaresco Riserva fast noch delikater als der Barolo. Vielleicht liegt es daran, dass ein Barbaresco in der Regel nicht ganz so kräftig strukturiert ist wie ein Barolo und deshalb etwas schneller reift. Dieser Barbaresco ist ebenfalls druckvoll am Gaumen und besitzt das gleiche Feuer wie der Barolo, ist aber etwas heller und transparenter in der Farbe. Er verströmt den Duft von Veilchen und Walderdbeeren, einen Hauch von Nelkengewürz, gleitet seidig über den Gaumen und entwickelt dabei eine zarte Mon Cheri-Süße.
Er entspricht ebenso wie der Barolo der traditionellen Stilistik mit langer Maischegärung und Ausbau im großen Holzfass (zwei Jahre), um dann über acht Jahre auf der Flasche nachzureifen, bevor er freigegeben wurde. Noch im November wird dieser Riserva-Jahrgang auch nach Deutschland importiert.
Preis: 33,05 Euro
Bezug: www.superiore.de