Ist der knackig — Vinho Verde aus Portugal

Vin­ho Ver­de gilt als sprit­zi­ger Erfri­schungs­wein für hei­ße Som­mer­ta­ge. Dabei trumpft das por­tu­gie­si­sche Anbau­ge­biet auch mit ganz­jäh­rig kom­pa­ti­blen Weiß- und Rot­wei­nen auf. Tho­mas Götz berich­tet von einem Ortsbesuch.

Blau ist die Far­be des Atlan­tiks, der im Nor­den Por­tu­gals gegen die Cos­ta Ver­de, die soge­nann­te Grü­ne Küs­te peitscht. Grün ist auch das regen­rei­che Hin­ter­land. Und wie die Land­schaft, so der Wein: Vin­ho Ver­de über­setzt sich als „Grü­ner Wein“. Nie­mand kann genau sagen, ob sich der Name schlicht auf die domi­nie­ren­de Far­be der Regi­on bezieht oder auf die in frü­he­ren Zei­ten unreif „grün“ daher­kom­men­den Weine.

Wie auch immer. Heu­te ist Vin­ho Ver­de für sprit­zi­ge Fri­sche, einen gerin­gen Alko­hol­ge­halt und eine mal mehr, mal weni­ger dezen­te Rest­sü­ße bekannt. Ein Groß­teil der belieb­ten Wei­ne wird mit Koh­len­säu­re ver­setzt. Ursprüng­lich geschah die Kar­bo­ni­sie­rung jedoch, wenn die Win­zer den Wein so schnell abfüll­ten, dass die Gärung in der Fla­sche ende­te. Ein sol­cher, im alten Stil gekel­ter­ter Vin­ho Ver­de kommt von Star­win­zer Dirk Nie­po­ort. Sein tro­cke­ner, leicht per­len­der Nat’ Cool Drink Me Bran­co 2021 ist ein klas­si­scher Blend aus den Weiß­wein­sor­ten Arin­to, Aves­so, Azal, Lou­rei­ro und Tra­ja­du­ra. Über 250 ein­hei­mi­sche Trau­ben kann Por­tu­gal auf­wei­sen. Von der „welt­weit höchs­ten Dich­te auto­chtho­ner Reb­sor­ten“ spricht der natio­na­le Wein­ver­band ViniPortugal.

Bei Nat’ Cool han­delt es sich um ein von Dirk und Dani­el Nie­po­ort initi­ier­tes Pro­jekt, dem sich über drei­ßig Erzeu­ger ange­schlos­sen haben, etwa Rai­ner Schnait­mann und Kai Schät­zel in Deutsch­land. Die Mar­ke steht für „Natu­ral­ly Cool“ — für bio­lo­gi­schen und bio­dy­na­mi­schen Anbau, für eine Wein­be­rei­tung mit weni­gen Addi­ti­ven und eine Sti­lis­tik, die Fri­sche und Trink­bar­keit im Blick hat. „Ein Nat’ Cool soll­te läs­sig, leicht und süf­fig sein“, erklärt Dirk Nie­po­ort. „Er soll­te dar­über hin­aus nicht zu viel Holz, nicht zu viel Alko­hol und auch nicht zu viel Sul­fi­te haben.“ Wie alle Nat’ Cools ist sein Vin­ho Ver­de in der Liter­fla­sche abge­füllt. Prak­ti­scher­wei­se, denn er zieht sich gefähr­lich leicht weg.

Vater Dirk und Sohn Dani­el Nie­po­ort: „Ein Nat’ Cool soll­te läs­sig, leicht und süf­fig sein.“ (© Nie­po­ort Vinhos)

Vin­ho Ver­de – eine Regi­on mit diver­sen Weinstilen

Wohl die meis­ten Wein­freun­de asso­zi­ie­ren mit Vin­ho Ver­de ein leicht mous­sie­ren­des Low-Alk-Getränk. Doch tat­säch­lich ist Vin­ho Ver­de ein 24.400 Hekt­ar gro­ßes DOC-Anbaugebiet mit einer beacht­li­chen Nord-Süd-Ausdehnung von 130 Kilo­me­tern. Im Nor­den grenzt die hüge­li­ge Regi­on an das spa­ni­sche Gali­ci­en, und sie erstreckt sich bis süd­lich von Por­to. Das Kli­ma ist vom Atlan­tik bestimmt. Der durch­schnitt­li­che jähr­li­che Nie­der­schlag liegt bei 1200 mm, das sind fünf­zig Pro­zent mehr als etwa in Ham­burg. Mit Süd­eu­ro­pa ver­bin­det man so viel Regen gemein­hin nicht.

Ein der­art gro­ßes Anbau­ge­biet hat frei­lich mehr als einen Wein­stil zu bie­ten: Immer mehr Win­zer erzeu­gen reb­sor­ten­rei­ne Gewäch­se, die voll durch­ge­go­ren sind, ohne Koh­len­säu­re aus­kom­men und bei den Alko­hol­gra­den mit 12 bis 14 Pro­zent höher lie­gen. Sie set­zen auf kna­cki­ge Säu­re und Mine­ra­li­tät, ein Aus­druck, den die vor­herr­schen­den Gra­nit­s­and­bö­den in der Regi­on unter­stüt­zen. Ein Para­de­bei­spiel für die­se Stil­rich­tung ist der Weiß­wein Gra­nit Mine­ral Sel­ec­tion 2021 vom Wein­gut Soal­hei­ro. Die­ser rein­sor­ti­ge Alvar­in­ho über­trifft so man­ches hoch­ge­lob­te Gewächs im benach­bar­ten Gali­ci­en, wo die Trau­be unter dem Namen Alb­ari­ño seit Jah­ren einen ful­mi­nan­ten Auf­stieg erlebt.

Wein­par­zel­len von Soal­hei­ro, nahe der portugiesisch-galicischen Gren­ze, Sub­zo­ne Mon­ção & Mel­ga­ço (© Quin­ta de Soalheiro)

Alvar­in­ho ent­wi­ckelt sich zum Star der Region

Luís Cer­dei­ra betreibt das Fami­li­en­wein­gut in zwei­ter Gene­ra­ti­on. Sein Vater pflanz­te 1974 einen ers­ten Wein­berg, den er Soal­hei­ro („son­nig“) nann­te. Zu neun­zig Pro­zent hat das Wein­gut die Alvar­in­ho im Anbau. Wegen des Kli­ma­wan­dels leg­te er bereits einen zwei Hekt­ar gro­ßen Test­wein­berg auf 1.100 Metern Höhe am Ran­de des Natio­nal­parks Peneda-Gerês an, erzählt Luís Cer­dei­ra. In zwei, drei Jah­ren hofft er auf die ers­te Lese. Noch erfül­len die jet­zi­gen Lagen auf 100 bis 500 Metern ihren Zweck: Ein struk­tu­rier­ter und mund­fül­len­der Alvar­in­ho ist der von Kräu­ter­no­ten domi­nier­te Ter­ra­mat­ter 2020. Luís baut ihn in einer Kom­bi­na­ti­on aus Edel­stahl, Beton­ei und Kas­ta­ni­en­fass aus und füllt ihn unfil­triert ab. Eben­falls klas­se ist der Schaum­wein Espu­man­te Bruto Alvar­in­ho, den das Wein­gut in tra­di­tio­nel­ler Metho­de her­stellt. 12 Mona­te Hefelager sind nicht all­zu lang, dafür zeigt der Schäu­mer eine schö­ne Balan­ce aus fri­scher Säu­re und Fruchtintensität.

Soal­hei­ro befin­det sich in Mon­ção & Mel­ga­ço, eine von neun Sub­zo­nen der DOC Vin­ho Ver­de. Sie grenzt unmit­tel­bar an Gali­ci­en und steht im Ruf die bes­ten Alvar­in­hos der gesam­ten Appel­la­ti­on her­vor­zu­brin­gen. „Alvar­in­ho zählt zu den gro­ßen Weiß­wein­trau­ben der Welt, und Mon­ção & Mel­ga­ço ist der per­fek­te Ort für die Sor­te“, sagt Luís Cer­dei­ra. In der Tat ist sein Wein­gut nicht der ein­zi­ge Top-Erzeuger in der Sub­zo­ne. Mit­un­ter fabel­haft viel­schich­ti­ge Alvar­in­hos kom­men von der Win­ze­rin Joa­na Sant­ia­go von Quin­ta de Sant­ia­go und vom Wein­gut Regueiro.

Luís Cer­dei­ra von Quin­ta de Soal­hei­ro (© Tho­mas Götz)

By the way: Alvar­in­ho (bzw. Alb­ari­ño auf Spa­nisch) über­setzt sich als „Der Wei­ße vom Rhein“. Man ging lan­ge davon aus, dass die Reb­sor­te mit dem Ries­ling ver­wandt ist und über den Jakobs­weg nach Gali­ci­en und Nord­por­tu­gal gelang­te. Obwohl DNA-Analysen eine gene­ti­sche Ver­wandt­schaft zum Ries­ling und zu ande­ren mit­tel­eu­ro­päi­schen Sor­ten inzwi­schen ein­deu­tig wider­legt haben, hält es bis heu­te eini­ge Fach­me­di­en nicht davon ab, die­sen Unfug wei­ter zu verbreiten.

Im Geschmacks­pro­fil ist eine Ähn­lich­keit zwi­schen Alvar­in­ho und Ries­ling dage­gen nicht von der Hand zu wei­sen. Wer Ries­ling mag, wird die Alvar­in­hos von Wein­gü­tern wie Soal­hei­ro, Reguei­ro und Sant­ia­go eben­falls mögen. Säu­re, Mine­ra­li­tät, Grif­fig­keit und cre­mi­ge Tex­tur (bei ent­spre­chen­dem Aus­bau auf der Fein­he­fe) gehö­ren zum Mar­ken­kern der Sor­te. Das aro­ma­ti­sche Pro­fil hängt unter ande­rem vom Lese­zeit­punkt ab: Bei einer frü­he­ren Ern­te domi­nie­ren wei­ße Blü­ten und Zitrus­tö­ne. Bei einer spä­te­ren Lese tre­ten Stein­obst wie Pfir­sich und selbst tro­pi­sche Früch­te wie Ana­nas in Erscheinung.

Quin­ta da Ave­le­da – groß und gut

Das bekann­tes­te Wein­gut ist die 1870 gegrün­de­te Quin­ta da Ave­le­da. Allein die­ser Erzeu­ger hält bei den Expor­ten der DOC Vin­ho Ver­de einen Anteil von 35 Pro­zent. Zu Ave­le­da gehört etwa die Mar­ke Casal Gar­cia. Der gleich­na­mi­ge frisch-fruchtige Weiß­wein ist leicht spru­delnd, hat spür­ba­re Rest­sü­ße und 9,5 Pro­zent Alko­hol­ge­halt — sozu­sa­gen der all­seits bekann­te wie kom­mer­zi­ell erfolg­rei­che Vinho-Verde-Stil. Jähr­lich 14 Mil­lio­nen Fla­schen kom­men von die­sem Wein auf den Markt. Eine gleich­blei­bend gute Qua­li­tät die­ser Grö­ßen­ord­nung zu pro­du­zie­ren, ist auch eine Kunst.

Für den Wein­ken­ner inter­es­san­ter, sind aber doch die Aveleda-Weinlinien mit nied­ri­ge­rer Auf­la­ge. Über acht­zig Pro­zent der Böden im Vin­ho Ver­de sind gra­nit­ge­prägt. Aus Lagen mit Schie­fer­bö­den kom­men die Alvarinho-Trauben für den tro­cken aus­ge­bau­ten Ave­le­da Solos de Xis­to 2020. Der voll­mun­di­ge und aro­ma­tisch rei­fe Weiß­wein hat einen guten Säu­re­zug und eig­net sich her­vor­ra­gend als Spei­se­be­glei­ter, was im Nor­den Por­tu­gals zumeist Stock­fisch in allen erdenk­li­chen Zube­rei­tungs­ar­ten ist.

Der his­to­ri­sche Teil des Wein­guts Ave­le­da (© Wines of Portugal)

Ein schlan­ker Rot­wein von „Mis­ter Alvarinho“

Das Vin­ho Ver­de hat sogar einen „Mis­ter Alvar­in­ho“, so tauf­te ein por­tu­gie­si­sches Maga­zin den Win­zer Ansel­mo Men­des in den 2000er-Jahren. Die­ser hievt auch ande­re Trau­ben aus dem Schat­ten­da­sein, etwa die Weiß­wein­re­be Lou­rei­ro. Die meist kul­ti­vier­te Sor­te der Regi­on wird über­wie­gend für Ver­schnit­te genutzt. Men­des sah früh ein Poten­zi­al für den sor­ten­rei­nen Aus­bau, und der ani­mie­ren­de Muros Anti­gos Lou­rei­ro 2021 bestä­tigt ihn. Der fei­ne Weiß­wein duf­tet nach Oran­gen­blü­te, ist zit­risch, erdig-mineralisch, über­zeugt mit Gripp und Län­ge. Man kann sich das schwung­vol­le Gewächs wun­der­bar zu Aus­tern vor­stel­len. Dass es weni­ger als acht Euro kos­tet, ist schwer zu glau­ben. „Lou­rei­ro ver­fügt über groß­ar­ti­ges Rei­fe­po­ten­zi­al“, sagt Ansel­mo Men­des. „Neu­lich ver­kos­te­ten wir die­sen Wein bis Jahr­gang 2009 zurück. Er schmeckt wundervoll.“

Eine ver­ges­se­ne Rot­wein­sor­te ist Arvel­hão (in Gali­ci­en heißt sie Bran­cel­lao). Ansel­mo Men­des kul­ti­viert die Trau­be auf sechs Hekt­ar. Sein Par­dus­co Pri­va­te 2017 ist ein atlan­tisch küh­ler Rot­wein — ele­gant und schlank, mit erfri­schen­der Säu­re, sei­di­gem Tan­nin und mode­ra­tem Alko­hol­ge­halt von 12,5 Pro­zent. Bei einer Blind­pro­be wür­de man wohl eher auf Bur­gund als ibe­ri­sche Halb­in­sel tip­pen. Offen­sicht­lich kann das Vin­ho Ver­de nicht nur sin­gu­lä­re Weiß-, son­dern auch eigen­stän­di­ge Rot­wei­ne her­vor­brin­gen. Die­ses Gebiet im Süden Euro­pas, dem der Atlan­tik sei­nen Stem­pel auf­drückt, hat ohne Fra­ge mehr als Spritz zu bie­ten: neun Sub­zo­nen, ein Schatz auto­chtho­ner Reb­sor­ten und diver­se Wein­sti­le zeu­gen von einer Viel­falt, die sich zu ent­de­cken lohnt.

Ansel­mo „Mr. Alvar­in­ho“ Men­des kann auch Rot­wein. (© Hugo Pinheiro)

Im Report vor­ge­stell­te Erzeu­ger und Weine:

Nie­po­ort – Nat’ Cool Drink Me Bran­co, 2021. Leicht mous­sie­ren­der Natur­wein in der Liter­fla­sche. Gefähr­lich leicht zu trin­ken. Ein klas­si­scher Vin­ho Ver­de, und irgend­wie doch ganz anders. Um 14 Euro. Bezug: weinkombinat.com

Soal­hei­ro – Gra­nit Mine­ral Sel­ec­tion, 2021. Alvar­in­ho aus Hang­la­gen mit kar­gen Gra­nit­bö­den. Kna­ckig mine­ra­lisch, super­frisch und schnör­kel­los. Klas­se Trink­fluss. Aus­ge­zeich­ne­tes Preis-Leistungsverhältnis. Um 13 Euro. Bezug: weinamlimit.de

Soal­hei­ro – Ter­ra­mat­ter, 2020. Bio­lo­gisch zer­ti­fi­zier­ter Alvar­in­ho, was im feuch­ten Kli­ma des Vin­ho Ver­de kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit ist. Von Kräu­tern domi­nier­tes Aro­ma­pro­fil. Mit Kör­per und tip­top Span­nung. Um 19 Euro. Bezug (2019er-Jg.): weinamlimit.de

Soal­hei­ro – Espu­man­te Bruto Alvar­in­ho. Schaum­wein nach tra­di­tio­nel­ler Metho­de. 12 Mona­te Hefelager. Mit sechs Gramm Rest­zu­cker im unte­ren Brut-Bereich. Pri­ma Zusam­men­spiel aus vibrie­ren­der Säu­re und Frucht. Um 19 Euro. Bezug: weinamlimit.de

Quin­ta de Sant­ia­go – Sou Alvar­in­ho, 2020. Viel­schich­tig, druck­voll und ohne Make-up. Lan­ger pikan­ter Abgang. Ins­ge­samt klas­se. Um 32 Euro. Bezug: wein-kreis.de

Reguei­ro – Alvar­in­ho Reser­va 2021. Fruch­tig, voll­mun­dig, trink­ani­mie­rend. PS: Anders als in Spa­ni­en ver­weist die Anga­be „Reser­va“ nicht auf den Aus­bau im Bar­ri­quefass, son­dern auf Wei­ne, die der Kon­troll­rat des DOC Vin­ho Ver­de als über­durch­schnitt­lich ein­stuft. Um 12 Euro. Bezug: videli.de

Ave­le­da – Casal Gar­cia Bran­co, 2021. Der typi­sche Vinho-Verde-Sommerwein: wenig Alko­hol, etwas Koh­len­säu­re und Rest­sü­ße. Um 5 Euro. Bezug: edeka24.de

Ave­le­da – Alvar­in­ho Solos de Xis­to, 2020. Stein­frucht, Mine­ra­li­tät und geschmei­di­ge Tex­tur. Um 11 Euro. Bezug (2018er-Jg.): feinesverpackt.com

Ansel­mo Men­des – Muros Anti­gos Lou­rei­ro, 2021. Flo­ral, leb­haft frisch und fein. Grif­fi­ge Tex­tur und nach­hal­lend. Top Preis-Leistungsverhältnis. Um 8 Euro. Bezug: vicampo.de

Ansel­mo Men­des – Par­dus­co Pri­va­te, 2017. Atlan­tisch küh­ler Rot­wein aus der Arvelhão-Traube. Schlank und ele­gant. Um 20 Euro. Ohne Import in Deutschland.

Span­nen­der Rot­wein aus der Reb­sor­te Arvel­hão (Foto: © Tho­mas Götz)

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