Schmelzende Eiskappe? Heruntergebrannte Kerze? Erstarrter goldener Feudel? Nein, es ist eine Skulptur des Schweizer Künstlers John Armleder, die sich über Hals und Schulter einer Salmanazar des toskanischen Kultweins Ornellaia 2012 legt. Die Flasche soll im April in Basel auf einer Benefizauktion versteigert werden.
John Armleder, der in Genf und New York lebt und einer der stilprägenden zeitgenössischen Künstler der Schweiz ist, sagt über sich: „Ich trinke nicht viel Wein, das ist mein Fehler. Aber wenn ich trinke, trinke ich guten Wein.“
Den 2012er Ornellaia hat er als solchen empfunden: „Schon beim ersten Schluck fühlte ich mich in eine Traumwelt versetzt…“ Dieser erste Schluck inspirierte ihn zu einer Skulptur, die den Splash-Effekt des Weins beim ersten Aufschlag auf der Zunge sichtbar macht. Eine kunstvoll gearbeitete Glaskappe mit eingearbeitetem Blattgold, die die ganze Flasche in ein Kunstobjekt transformiert.
Der Wein wird vermutlich nie getrunken werden
Getrunken wird der Wein vermutlich nie. Sotheby’s wird ihn am 23. April 2015 in Basel in den Räumen der Fondation Beyeler zur Versteigerung ausrufen. Unter 50.000 Euro wird das 9-Liter-Unikat vermutlich nicht zugeschlagen werden, eher zum Doppelten. Dazu kommen noch 100 Doppelmagnum-Flaschen (3 Liter) und 10 Imperial-Flaschen (6 Liter) desselben Weins, deren Flaschenhals ebenfalls eine Armleder-Skulptur schmückt. Der Erlös der Benefizauktion geht an die Fondation Beyeler.
Wiederbelebung der Mäzenaten-Tradition
Seit 2006 charakterisieren die Marchesi de’Frescobaldi, Besitzer der Tenuta Ornellaia in Bolgheri, jeden Jahrgang ihres Flagship-Weins mit einem Begriff und beauftragen einen zeitgenössischen Künstler, diesen umzusetzen. Vendemnia d’Artista heißt das Programm. Zu Deutsch: Künstlerlese. Mit ihm will Frescobaldi die Tradition des Mäzenatentums, das in der Renaissance bekanntlich Kunstwerke von unschätzbarem Wert hervorgebracht hat, wieder neu beleben.
Als Begriff für den Jahrgang 2012 haben sie zusammen mit Axel Heinz, dem deutschen Betriebsleiter und Chef-Önologen, den Begriff L’Incanto gewählt: der Zauber.
Nach dem wuchtigen, von Tanninmassen durchzogenen, unverwüstlich wirkenden 2011er (L’Infinito = der Unendliche) zeichnet sich der Nachfolger eher durch Eleganz und Charme aus. Er ist zugänglich und unanstrengend zu trinken, dabei von großer Aromentiefe. Heinz: „Der Witterungsverlauf war in 2012 extrem schwierig, der Wein ist das Gegenteil.“
Übrigens: Jede Sechser-Kiste Ornellaia enthält eine Flasche mit Künstleretikett. Es nimmt das Motiv auf und zeigt, wie Armleder erklärte, den splash, den der erste Schluck bei den Trinkern auslöst.
Der Wein
2012 Ornellaia | Tenuta dell’Ornellaia
Dunkel-rubinrote Farbe, duftig im Bouquet mit viel süßer Beerenfrucht, würzigen Unterholznoten, feinen Sandelholz- und Gewürznelken, ein Hauch von Bitterschokolade, am Gaumen druckvoll und straff gewoben mit sehr feinkörnigem Tannin. Der Wein hat nicht die Struktur anderer Jahrgänge wie 2008 und 2011, zeichnet sich aber durch hohe Trinkeleganz aus. Viele Weinliebhaber werden an ihm mehr Freude haben als an den Blockbusterjahrgängen.
Bewertung: 93 Punkte
Preis: Die jüngsten Jahrgänge des Ornellaia kosten um die 130 Euro pro Flasche.
Bezug: Ornellaia wird von zahlreichen Weinhändlern angeboten. Der 2012er ist allerdings noch nicht überall angekommen: www.bremer-weinkolleg.de, www.la-cantina-italiana.de, www.alpinawein.de, www.superiore.de, www.weinundco.at, www.ladenzeile.de, www.vinopolis.de u.a.