Hotel Saratz: Sensible Hospitality ohne Einbußen an Wohlfühlklima

Keine Shuttles ins Skigebiet. Raumtemperatur um ein Grad gesenkt. Erdwärme für das Heizen der Zimmer. Ortsnaher Einkauf für die Sterne-Küche - das Hotel Saratz in Pontresina demonstriert, was Sensible Hospitality bedeutet. Und wie funktioniert dieses Konzept beim Wein? Auch hier wurde eine Lösung gefunden. Sie heißt Manfred Meier. Von Sonja Graminski

Das Hotel Saratz liegt auf 1800 Metern im „Festaal der Alpen“, wie das Tal zwi­schen Ber­ni­na und Dia­vo­lez­za genannt wird. Ein Viersterne-Superior-Haus, archi­tek­to­nisch eine Mischung aus Grand Hotel tra­di­tio­nel­ler Prä­gung und jun­gem, puris­ti­schen Schwei­zer Design.

Trotz inter­na­tio­na­lem Flair weht ein boden­stän­di­ger Geist durch das Hotel. Man möch­te ein Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­ho­tel sein, in dem sich jun­ge Fami­li­en eben­so wohl füh­len wie älte­re Gäs­te. Man möch­te Hei­mat bie­ten, aber so, dass auch Nicht-Schweizer sich zu Hau­se füh­len. Natür­lich kann ein Hotel die­ser Kate­go­rie nicht auf Kom­fort ver­zich­ten. Doch man ist sich klar dar­über, dass der eigent­li­che Luxus vor der Tür liegt: die gran­dio­se Berg­welt des Ober­enga­din mit ihren schnee­be­deck­ten Gip­feln, Glet­schern, Wild­was­sern. Und weil die hoch­al­pi­ne Natur ver­letz­lich ist, hat man sich im Saratz aufs Ban­ner geschrie­ben, sie zu schützen.

Sen­si­ble Hos­pi­ta­li­ty heißt die Idee, der auch immer mehr ande­re Hotels in der Schweiz und in der wei­ten Welt fol­gen. Zunächst ein­mal wird auf allen Ebe­nen ver­sucht, den Ener­gie­ver­brauch zu dros­seln und auf eine nach­hal­ti­ge Bewirt­schaf­tung umzu­stel­len, um die CO2-Emissionen zu redu­zie­ren. Im Saratz wur­de die Tem­pe­ra­tur der Gäs­te­zim­mer von 24 auf 23 Grad Cel­si­us gesenkt. 90 Pro­zent der Heiz­ener­gie für die Zim­mer kommt aus einer Tie­fen­boh­rung bis auf 1500 Meter. Außer­dem wird das Hal­len­bad mit dem war­men Was­ser ver­sorgt, das aus der Tie­fe sprudelt.

Doch die größ­ten Ein­spar­po­ten­zia­le lie­gen in der Ener­gie­ver­mei­dung. Die Betriebs­fahr­ten mit dem Auto wur­den redu­ziert. Ein­käu­fe kom­men aus der Umge­bung. Trans­fers zu den Ski­ge­bie­ten wur­den abge­schafft. Beim Essen und Trin­ken wird nicht an der Qua­li­tät gespart, wohl aber am Beschaf­fungs­auf­wand. Küchen­chef Valè­re Braun, ein Elsäs­ser, hat ein Netz von Lie­fe­ran­ten auf­ge­baut, die aus der unmit­tel­ba­ren Umge­bung kom­men und ihn mit hei­mi­schen Pro­duk­ten ver­sor­gen. Ein gro­ßer Teil des­sen, was in den drei Restau­rants des Saratz auf dem Spei­se­zet­tel steht, kommt von aus­ge­wähl­ten, klei­nen Hand­werks­be­trie­ben, deren Pro­duk­ti­on über­schau­bar und kon­trol­lier­bar ist. Was es nicht in im Enga­din selbst gibt, dar­auf wird zur Not verzichtet.

Doch groß ist die Not nicht. Denn das Enga­din ist ein rei­cher Kan­ton. Milch und Käse gibt es zur Genü­ge. Eine Alp­kä­se­rei am Orte lie­fert frisch geschöpf­ten Ricot­ta, eine Spe­zia­li­tät, die zu genie­ßen ein Städ­ter kei­ne Chan­ce hat, weil die Milch tag­frisch sein muss und der Ricot­ta bis Mit­tag am bes­ten schmeckt. Ande­re ein­hei­mi­sche Käse­spe­zia­li­tä­ten hei­ßen Glet­scher­mutsch­li und Heu­ta­ler. Sie machen auf jeden Fall neu­gie­ri­ger als Ched­dar oder hol­län­di­scher Gouda.

Das Wild brin­gen die ein­hei­mi­schen Jäger vor­bei. Rind- und Schwei­ne­fleisch kom­men von einer Metz­ge­rei in Savo­gnin, die nur eine hal­be Auto­stun­de von Pont­resi­na ent­fernt liegt. Pie­tro Peduz­zi, der Metz­ger, ist lan­des­weit berühmt für sein Bünd­ner Fleisch. Übri­gens: Fleisch wird kno­chen­frei ein­ge­kauft, damit mög­lichst wenig pariert wer­den muss. Küchen­ab­fäl­le zu ver­mei­den, gehört eben­falls zum Kon­zept der Sen­si­ble Hos­pi­ta­li­ty. Was den­noch im Eimer lan­det, holt ein orts­an­säs­si­gen Bau­er ab, der aus dem orga­ni­schen Abfall Bio­gas macht.

Fri­sches Gemü­se gibt es aller­dings kaum im Enga­din. Doch im benach­bar­ten Kan­ton Grau­bün­den – nur eine gute Auto­stun­de ent­fernt – hat der Küchen­chef des Saratz einen Gemü­se­bau­ern gefun­den, der ihn direkt belie­fert – sogar mit Toma­ten. Ja, Toma­ten aus der Schweiz!

Und Wein? Gäs­te, die unbe­dingt ihren Bor­deaux, Bur­gun­der, Rio­ja oder Bru­nel­lo trin­ken wol­len, bekom­men ihn. Cham­pa­gner sowie­so. Aber ein gro­ßer Teil des Wein­kel­lers im Saratz besteht aus ein­hei­mi­schen Gewäch­sen. Nicht aus dem Enga­din. Für Reben ist es dort zu kalt. Aber aus dem benach­bar­ten Kan­ton Grau­bün­den. Genau: aus dem Anbau­ge­biet Bünd­ner Herr­schaft. Von Pont­resi­na bis dort­hin sind es genau 97 Kilo­me­ter – kei­ne Weltreise.

Die Bünd­ner Herr­schaft liegt nörd­lich von Chur im Rhein­tal. Kalk­rei­che Böden, ein mil­des Kli­ma und der war­me Föhn­wind, der von den Ein­hei­mi­schen pas­sen­der­wei­se „Trau­ben­ko­cher“ genannt wird – sie sind die Garan­ten dafür, dass dort fei­ne Wei­ne wach­sen: rote meist aus Pinot Noir, die wei­ßen über­wie­gend aus Chardonnay.

Für Schwei­zer, vor allem für Deutsch-Schweizer, ist die Bünd­ner Herr­schaft das bes­te Wein­an­bau­ge­biet des Lan­des. „Bur­gund der Schweiz“ nen­nen die Eid­ge­nos­sen es. Mit 400 Hekt­ar ist es so klein, dass die Wei­ne über die Gren­zen des Lan­des hin­aus kaum bekannt sind. Dani­el Gan­ten­bein und Ire­ne Grü­nen­fel­der sind noch die bekann­tes­ten Namen in der Bünd­ner Herr­schaft. Ihre Pinot Noirs haben inzwi­schen eine inter­na­tio­na­le Lieb­ha­ber­ge­mein­de. Doch es gibt ein Dut­zend ande­rer Win­zer, die eben­falls tadel­lo­se Wei­ne erzeu­gen, etwa Tho­mas Stu­der, Anna­ti­na Peliz­za­ti, Chris­ti­an Herr­mann, Dani­el Marugg, Georg Fromm, Mar­tin Donatsch, Tho­mas Matt­mann, Man­fred Mei­er. Vie­le ihrer Wei­ne lie­gen auch im Kel­ler des Saratz.

Ein beson­ders geschätz­ter Lie­fe­rant ist Man­fred Mei­er. Er gehört mit sei­nen 43 Jah­ren noch zur jun­gen Gar­de der Herrschafts-Winzer. Sein Wein­gut hat nur sechs Hekt­ar und liegt in Zizers am Ran­de der Bünd­ner Herr­schaft. „Wir bau­en zur Hälf­te Rot- und Weiß­wei­ne an“, erklärt er. Bei den Roten sind es Pinot Noir, Syrah und die Neu­züch­tung Dio­li­noir, eine Kreu­zung aus Pinot Noir und Rouge de Diol­ly. „Dio­li­noir hat zwar einen sehr gerin­gen Ertrag, bringt aber eine tol­le Pinot-Typizität mit.“ Bei den Wei­ßen setzt Mei­er auf Müller-Thurgau, Pinot Blanc, Sau­vi­gnon Blanc, Char­don­nay und Gewürz­tra­mi­ner. Das Bes­te an Mei­ers Wei­nen aber ist, dass sie nur 97 Kilo­me­ter vom Hotel ent­fernt wach­sen. Also fast Haus­wei­ne sind.

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