Horst Sauer zählt zu den erfolgreichsten deutschen Winzern überhaupt. Das Wein- und Gourmet-Magazin Falstaff kürte ihn zum „Winzer des Jahres 2011“. Beim International Wine and Spirit-Wettbewerb in London wurde er bereits drei Mal als bester deutscher Weinproduzent geehrt, 2004 sogar als „Bester Weißweinproduzent weltweit“. Sei’s drum: Aus dem traubenbäuerlichen 1,5-Hektar-Betrieb seiner Eltern mit gemischter Landwirtschaft seiner Eltern hat er über die Jahre ein bedeutendes Weingut mit 16,5 Hektar Gesamtfläche gemacht.
„Nachdenker“ auf der Suche nach Essenz
Sauers Anwesen liegt in Escherndorf am Main. Genauer gesagt: unterhalb des steilen Escherndorfer Lump – einer der herausragenden Steillagen Frankens. Hat man das Hoftor hinter sich gelassen, steht man in einem in seiner Klarheit und Modernität überraschenden, mit Glas, Stahl und Holz gestalteten Winzerhof. Alles wirkt auf das Notwendige reduziert – Ergebnis eines sorgfältigen Reflexionsprozesses. Sauer ist ein „Nachdenker“, der zögernd formuliert und die Essenz sucht.
Für Escherndorf ist seine Bedeutung groß: Die Qualitätsentwicklung der führenden Güter ist nicht zuletzt ihm zu verdanken: seiner Fähigkeit, Gleichgesinnte zu finden, Anstöße zu geben und Zukunftsperspektiven zu diskutieren. Das ist in Franken, wo früher oft ein neidisches Misstrauen zwischen Nachbarn herrschte, nicht wenig.
Die Natur ständig beobachten
Der 56-Jährige räumt ein Fehler gemacht zu haben. Aber er hat aus ihnen gelernt. „Ich hatte ich das Glück, dass mein Vater ein überzeugter Weinbergsmensch war. Das ist wichtig. Man muss die Arbeiten beherrschen und sehen, ob sich die Reben wohl fühlen, ob ihnen etwas fehlt, was es sein könnte und was sie brauchen. Man muss die Natur ständig beobachten, auch ein wenig vorausahnen, was kommen wird. Jeder Jahrgang entwickelt sich nach eigenem Muster. Das muss man erkennen, um tun zu können, was die Natur erwartet. Mein Vater hat mir beigebracht, ganz nahe bei den Reben zu sein, sie als Lebewesen wahr- und ernst zu nehmen.“
Als er bemerkte, dass das Geld nicht reichte, fing Sauer an zu jobben: bei anderen Weingütern, in der Genossenschaft und auch im Weinhandel. Das Hinzuverdiente nutzte er für Weinbergszukäufe. 1994 wurden die fünf Hektar komplettiert, und dann ging es schnell weiter, weil sich in Escherndorf mit seinen teilweise winzigen, wenig rentablen Parzellen Gelegenheiten boten.
Am Anfang auf sich allein gestellt
Im Keller war Sauer zunächst auf sich allein gestellt: „Mein Vater war Traubenbauer. Ich konnte alles nach eigenen Vorstellungen aufbauen und gestalten – mit Risiko! Die Ausbildung, na ja… Man kommt nach Hause und denkt, jetzt weiß man alles und kann loslegen. Aber in der Praxis ist alles anders. Ich hatte Glück und traf einen alten Kellermeister aus Randersacker, der sein Handwerk von Grund auf beherrschte.
Ich habe ihn zu mir in den Keller geholt und er hat mir sehr viel erklärt. Seit damals bin ich Hefe-Fetischist, ich weiß wie wichtig die Auswahl ist und lasse die Weine gerne lange auf ihr liegen. Wir haben sehr, sehr kritisch probiert und ich musste mir vieles sagen lassen. Beleidigt darf man da nicht reagieren.“
Silvaner kann viel mehr
Sauers Steckenpferd ist der Riesling. Bis hin zu den edelsüßen Qualitäten geht er so einfühlsam mit ihm um, dass man ihn schon als „Weinmagier“ bezeichnet hat. Wie sein Winzerkollege Armin Störrlein aus Randersacker hält aber auch Sauer den lange unterschätzten Silvaner für die zentrale Stimme im fränkischen Terroir-Konzert.
„Ich glaube, dass wir früher unseren Silvaner mit viel weniger Überlegungen abgefüllt haben als heute. Wir wissen jetzt, dass die Rebsorte mehr kann. Wir denken viel genauer über die angestrebte Qualität nach und arbeiten über das Jahr hinweg gezielt auf darauf hin. Die Arbeit mit der Rebsorte im Weinberg hat sich komplett geändert: die Bewirtschaftung, die Erträge, der Rebschnitt, die selektive Lese und der Umgang mit Trauben, die Botrytis aufweisen. Früher hat man gesagt, der Silvaner sei erdig und hat das so hingenommen. Heute weiß man, wie man ihn behandeln muss, damit er seine Eleganz entfalten kann.“
Fördern und lenken, niemals manipulieren
Längst ist der Franke in der qualitativen Spitzenklasse angekommen. Die Natur in allen Nuancen zu verstehen, sie mit möglichst geringen Eingriffen zu unterstützen und geduldig zu sein, so lautete sein Credo auf dem Weg dorthin.
Und dieses gilt bis heute. „Du musst die Natur begleiten, du kannst lenken, du kannst fördern, aber du darfst sie niemals manipulieren.“ Dass der eingeschlagene Weg nur mit sorgfältig gepflegten Böden und gesunden, nicht überforderten, an die Gegebenheiten des Terroirs optimal angepassten Weinstöcken funktionieren kann, versteht sich von selbst.
Für die Zukunft vorgesorgt
Seinen spektakulären Wiederaufstieg nach längerer Krise hat Franken Winzern wie Horst Sauer zu verdanken – ihrer Leidenschaft und ihrem Streben, große Weine erzeugen zu wollen. Ein weiterer Umbruch steht nun bevor: Bei den tonangebenden Weingütern der Spitzenklasse wie Störrlein und Schmitt’s Kinder in Randersacker, Johann Ruck und Hans Wirsching in Iphofen oder Paul Fürst in Bürgstadt steht der Generationenwechsel vor der Tür oder ist bereits im Gange.
Sauer hat ebenfalls für die Zukunft vorgesorgt: Tochter Sandra, studierte Geisenheimerin, hat von ihm wichtige Kompetenzen erhalten. Sie ist zuständig für Müller-Thurgau und Riesling im Einstiegsbereich sowie für die Großen Gewächse und den Weißburgunder. Sauer selbst hat die Verantwortung für den Extrem-Silvaner „Sehnsucht“ und die edelsüßen Weine. Das Segment „Fränkisch-klassisch“, vom Literwein bis zur Spätlese, betreuen die beiden gemeinsam. Jeder entscheidet für seinen Bereich. Doch Vater und Tochter besprechen sich täglich. Und verkosten die Weine stets gemeinsam.
Im zweiten Teil stellen wir Ihnen den fränkischen Spitzenwinzer Armin Störrlein vor.