Montag, Dezember 9, 2024
0.7 C
München
spot_img

Herzhaft & rustikal: die Weine der Colli Bolognesi

Parmesan, Parma-Schinken, Lasagne und Bolognese – das Essen aus der Emilia Romagna kennt jeder. Beim Wein ist die Region dagegen ein weißer Fleck – und das, obwohl Emilia Romagna mit Sizilien, Apulien und Venetien zu den vier großen Massenwein-Zentren Italiens gehört. Klar, Lambrusco ist bekannt, der schäumende Rotwein. Er erlebt derzeit sogar eine Renaissance.

Interessante Weine aus kleinen Nischen

Aber sonst? Außer wenigen Kennern der Region kennt niemand die Nischen, in denen guter Wein wächst. Es gibt sie aber. Zum Beispiel das Hügelland südlich von Bologna. Dort liegt die DOC Colli Bolognesi, in den gleichen Grenzen die DOCG Colli Bolognesi Pignoletto. Gerade mal 70 Winzer teilen sich dort 640 Hektar Weinberge. Im Schnitt werden auf jedem Weingut Jahr für Jahr 40.000 Flaschen produziert. Die Böden sind teilweise sehr kalkhaltig. Die Reben wachsen nur an den Hängen. Massenware gibt es dort nicht. Trotzdem sind die Weine im Vergleich recht günstig – weil sie kaum einer kennt.

Pignoletto – Weißwein mit knackiger Säure

Im Vergleich zur restlichen Emilia Romagna herrscht in den Colli Bolognesi ein interessantes Mikroklima. Die Sommer sind ebenfalls sehr warm, aber im Hügelland regnet es mehr als im Flachland. Auch die Nächte sind dort kühler. Das bringt eine frische, knackige Säure in die Weine, weiß wie rot.

Weinberg in den Colli Bolognesi
Weinberg in den Colli Bolognesi

Drei Weine haben mich besonders angesprochen: der weiße Pignoletto Classico Superiore sowie der rote Barbera, einmal ausgebaut als Frizzante (nach dem Vorbild des Lambrusco) und als Stillwein.

Der Pignoletto muss zu 95 Prozent aus der Rebsorte Grechetto Gentile gekeltert sein. Der Ausbau im Holzfass ist nicht allzu weit verbreitet. Die Weine werden im Edelstahltank ausgebaut, wobei die Hefe kräftig ausgerührt wird. Neben den Aromen von grünem und gelbem Kernobst erhalten die Weine so eine gute Struktur, Tiefe und Würzigkeit.

Ein hervorragendes Beispiel ist der Pignoletto Classico Superiore von Fattorie Vallona. Der Wein bleibt kurz auf der Maische, dann fermentiert er 20 Tage im Edelstahl. Danach kommt er ohne Filtration in Zementtanks, wo er drei Jahre bleibt. Alle vier Wochen wird eine Bâtonnage gemacht, wie das Aufrühren der Hefe wissenschaftlich genannt wird. Das Ergebnis ist erstaunlich: Der Wein ist sehr reduktiv, dabei aber von einer Komplexität, die man sonst nur durch Lagerung im Holzfass erreicht.

Barbera als Perlwein? Funktioniert gut zur regionalen Küche.

Ein ganz eigener Typ ist der Barbera Frizzante. Ehrlich gesagt war ich sehr skeptisch, als ich den Wein zum ersten Mal ins Glas bekam, und auch der erste Schluck überzeugte mich nicht wirklich. Die Aromen dunkler Waldfrüchte, die hohe Säure und die spürbaren Gerbstoffe, gepaart mit der leichten Sprudeligkeit eines Frizzante sind eine ungewohnte Mischung. Zudem taugen diese Weine nicht als Solist. Kombiniert man sie aber mit typischen Gerichten aus der Emilia-Romagna, zeigen sie ihre wahre Größe als Speisenbegleiter. Denn die Gerichte der Region sind schwer und fettreich. Diese Üppigkeit gleicht ein Barbera Frizzante wunderbar aus.

Barbera frizzante
Barbera frizzante

Der dritte Wein aus den Colli Bolognesi, der eine genauere Betrachtung wert ist, ist der als Stillwein gekelterte Barbera. Man kennt die Weine aus der gleichnamigen Rebsorte aus dem Piemont. Dort läuft sie einerseits zu Hochform auf. Andererseits ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass vielen Weinen ihre Ecken und Kanten genommen werden – und genau die machen einen Barbera in meinen Augen attraktiv. Ein Barbera hat für mich immer etwas Rustikales, passend zur ländlichen Küche.

Die Barbera betonen das rustikale Element

In den Colli Bolognesi besinnen sich die Winzer auf genau dieses Rustikale. Ihre Barbera vibrieren vor ungeschliffener Spannung und reizen den Gaumen mit ihrer Säure. Dabei sind die Riserva-Weine durchaus anspruchsvoll gemacht. Drei Jahre nach der Lese dürfen sie auf den Markt kommen. Den Großteil dieser Zeit liegen sie im Holz, meist in Barriques. Mindestens fünf Monate Flaschenreife kommen noch hinzu. Am meisten hat mich der Barbera von Malcantone überzeugt. Leider ist er wie die anderen Empfehlungen auch in Deutschland nicht erhältlich, sondern nur beim Weingut direkt zu bekommen – wie übrigens fast alle Weine aus den Colli Bolognesi.

Wie schon die Frizzante so machen auch die Stillweine nur in Kombination mit Essen wirklich Freude – dann aber umso mehr. Ich öffnete einen Barbera vom Weingut Malcantone, Jahrgang 2016, ausgebaut im Stahltank zu Pasta mit einer über Stunden geschmorten Bolognese und hätte mir kaum eine bessere Kombination wünschen können.


Die empfohlenen Weingüter:

Fattorie Vallona – www.fattorievallona.it
La Marmocchia – www.lamarmocchia.com
Azienda Agricola Malcantone – www.malcantoneguidotti.it


- Anzeige -spot_img
- Anzeige -spot_img

Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

Must know

- Anzeige -spot_img

Ähnliche Artikel

- Anzeige -spot_img