Die Hermannshöhle ist die Spitzenlage an der Nahe und eine der besten Riesling-Lagen in Deutschland. Der Weinberg ist acht Hektar groß: Vier davon besitzt Dönnhoff. Dessen Großes Gewächs zählt jedes Jahr zu den höchst bewerteten Weinen Deutschlands. Drei Hektar gehören dem Weingut Jakob Schneider. Dönnhoff ist weltberühmt, Schneiders Ruf reicht kaum über Rheinland-Pfalz hinaus. Und das, obwohl die Weine aller Ehren wert sind.
„Hochfein und klassisch im besten Sinne“, schrieb der Gault Millau bereits über Schneiders 2009er Kollektion. Diese hatte dem jungen, erst 29jährigen Geisenheim-Absolventen Jakob Schneider den 2. Platz beim Deutschen Riesling Erzeugerpreis des Meininger Verlags eingetragen – gleich hinter Tim Fröhlich, dem neuen Shootingstar an der Nahe.
Der Gault Millau lässt seiner Begeisterung freien Lauf
Im neuen Gault Millau lassen die Tester ihrer Begeisterung dann freien Lauf: „Die Überraschung des Jahres stammt von der Mittleren Nahe“, schreiben die Tester. „Die Formkurve des Weinguts Jakob Schneider aus Niederhausen weist seit Jahren steil nach oben.“
Auch Der Feinschmecker zollt in seinem kürzlich erschienenen Weinführer den Schneiders die „gebührende Anerkennung“. Ein Wein hatte es den Experten besonders angetan: „Uns begeisterte der saftige, dynamische Qualitätswein trocken aus der Niederhäuser Hermannshöhle…“
In Amerika würde so ein Wein 40 Dollar kosten
Das Lob bezieht sich auf den 2010er Jahrgang dieses Weins. Der Nachfolgejahrgang, der jetzt auf dem Markt ist, legt noch einmal einen drauf – und zwar kräftig. Man könnte fast sagen: Einen so satten und dennoch filigranen Wein haben die Schneiders in dieser Preiskategorie noch nie erzeugt. Er kostet bescheidene 8,20 Euro. In Österreich würde ein Wein dieser Klasse nicht unter 16 Euro kosten, in Italien mindestens 20 Euro, in Kalifornien um die 40 Dollar.
Die Rede ist vom 2011er Riesling Qualitätswein trocken aus der Lage Hermannshöhle. Ein Wein mit feinen Granny- und Grapefruitnoten, schiefriger Mineralik und einer zarten, nicht zu hohen, aber ausgesprochen weinigen Säure, die keinen Zweifel aufkommen lässt, dass dieser Wein noch lange seine Frische bewahren wird.
Teilweise spontan im großen Holzfass vergoren
„Die Trauben waren völlig gesund“, berichtet der Jakob Schneider junior. „Kleine, goldgelbe Beeren, leicht gesprenkelt, praktisch wie gemalt.“ Sie kommen von Reben, die bis zu 35 Jahre alt sind, wurden in den kühlen Morgenstunden gelesen und auf dem Lesebrett von Hand selektiert. Nur die kleinsten, reifsten Beeren wurden für den trockenen Hermannshöhle-Qualitätswein verwendet.
Der Most wurde teils im Edelstahl, teils in Stück- und Doppelstückfässern vergoren, einzelne Partien auch spontan, also ohne Reinzuchthefen. Das Ergebnis: ein schneidiger Riesling von dosierter Kraft, mit Sicherheit lange entwicklungsfähig, aber auch jetzt schon mit größtem Genuss zu trinken. Hinreißend!
Typisch deutsches Weingut
Die Schneiders sind so ein typisch deutsches Weingut. Sie verkaufen den größten Teil ihrer Weine ab Hof. Vater Jakob fährt die Kartons noch im Lieferwagen aus. Oma Liesel, 78 Jahre alt, bedient die Kunden, die an die Kellertür klopfen. Monika Schneider, die Winzersfrau, schreibt die Rechnungen. Jakob junior, der Kellermeister, geht auf Präsentationen und verhandelt mit Händlern. Alle vier leben unter einem Dach. Gehälter oder Stundenlöhne gibt es nicht. Was man einnimmt, wird irgendwie untereinander verteilt. Einem Betriebswirt würden die Haare zu Berge stehen. Doch die Familienökonomie funktioniert. Die alten Schneiders sind zufrieden. Der junge Jakob sagt: „Ich möchte nicht tauschen.“ Und die Kunden freuen sich, so preiswert an eine Hermannshöhle zu kommen.
Freilich würde der Junior den Preis für den Wein gern anheben. „Du kannst die Hermannshöhe doch nicht für acht Euro vermarkten“, versucht er seinem Vater ins Gewissen zu reden. Doch der Alte bremst. Seine Stammkunden erinnern sich genau, dass der Wein vor wenigen Jahren noch 6 Euro gekostet hat.
Der Vater weiß, wo die rote Linie verläuft
Der Sohn argumentiert, dass die Hermannshöhle eine Steillage ist. Sie weist bis zu 60 Prozent Gefälle auf. Die Bewirtschaftung ist arbeitsaufwendig. Und der karge Grauschiefer lässt keine hohen Erträge zu. Jakob junior findet, dass diese Faktoren in die Preisgestaltung eingehen sollten, zumal die Trauben für die 2011er Hermannshöhle bei der Lese 96° Oechsle aufwiesen – der Wein also eine satte Auslese ist (an der Nahe ab 85° Oechsle). Trotzdem: Der Vater weiß, wo bei seinen Kunden die rote Linie verläuft.
Wie die Preisdiskussion im Hause Schneider am Ende ausgeht, weiß niemand. Aber wahrscheinlich geht sie so aus, wie in den meisten deutschen Weingütern: Am Ende siegt die junge Generation.
Trockene Weine ohne Prädikat – obwohl satte Auslesen
Das Weingut Jakob Schneider ist eigentlich für seine feinherben und fruchtigen Weine bekannt. Mit seinen trockenen Weinen hat es sich erst in den letzten Jahren einen Namen gemacht. Diese kommen grundsätzlich ohne Prädikate auf den Markt (also ohne die Zusatzbezeichnungen Kabinett, Spätlese, Auslese). Sie heißen einfach Qualitätswein trocken.
In der Hermannshöhle ernten die Schneiders noch einen zweiten Qualitätswein trocken vom Riesling. Er heißt zur Unterscheidung „Magnus“, kommt von noch älteren Stöcken und weist mit 102° Oechsle ein noch höheres Mostgewicht als die einfache Hermannshöhle auf. „Unser großes Gewächs“ heißt dieser Wein bei den Schneiders.
Das „große Gewächs“ aus der Hermannshöhle für nur 14 Euro
Offiziell dürfen sie den Wein nicht so nennen. Die Bezeichnung ist für Mitglieder des VDP reserviert, und das Weingut Jakob Schneider ist nicht Mitglied im Eliteverband deutscher Winzer. Zwar ist dieser Wein von Dönnhoffs Großem Gewächs aus der Hermannshöhle noch ein gutes Stück entfernt. Doch eine gute Figur würde der „Magnus“ allemal machen angesichts der zahlreichen bescheidenen Weine, die sich offiziell Große Gewächse nennen.
Paradoxerweise ist das Interesse der Schneiders gering, Mitglied in diesem erlauchten Club zu werden. Denn die Großen Gewächse des VDP sollen, so die Empfehlung des Vorstands, für mindestens 20 Euro verkauft werden. Doch die Zahl der Rieslingtrinker, die so viel Geld für eine Flasche ausgeben, ist in Deutschland gering. Die Schneiders glauben, ihren „Magnus“ nicht zu diesem Preis verkaufen zu können. Sie verlangen 14 Euro für diesen Wein. Was Ausländern als Schnäppchen gälte, ist in Deutschland noch lange keins.
Bezug: Weingut Jakob Schneider