Die Preise für große Bordeaux sind ausgereizt. Sie haben ein Niveau erreicht, das derzeit nicht mehr getoppt wird. Bei der letzten Sotheby’s-Auktion am 5. Oktober 2011 in London bestand zum Beispiel für 12 Flaschen 1995 Le Pin in der Originalholzkiste (OHK) zum Mindestgebot von 11.000 Euro kein Bieterinteresse. Auch eine OHK 1986 Lafite für 13.500 Euro fand keinen Käufer. Die Spekulation konzentriert sich jetzt auf Weine anderer Herkünfte.
Das größte italienische Auktionshaus Gelardini & Romani im Rom schlug letzte Woche eine Imperialflasche des jungen 2006 Masseto der Tenuta dell’Ornellaia für 9.597,20 Euro zu. Das entspricht einem Flaschenpreis von 1.066 Euro – mehr als das Doppelte des Marktpreises. Haben die Italiener den Verstand verloren? Während ihr Land vor einem gigantischen Schuldenberg steht und die Menschen zwischen Aosta und Palermo aufgrund steigender Steuern und Abgaben den Gürtel enger schnallen müssen, steigt der 99-Punkte-Merlot aus der Toskana auf Le Pin-Niveau.
Der völlig normale Wahnsinn
Was so widersprüchlich klingt, ist in Wirklichkeit der völlig normale Wahnsinn. Die Menge des Geldes, das sich im Umlauf befindet, ist durch die Krise nicht geringer geworden. Es befindet sich nur in weniger Händen, dort allerdings umso reichlicher. Im Übrigen wurde nicht mitgeteilt, ob es ein Italiener war, der den Wein erwarb. Der einzig legitime Grund, den Kopf über derlei Deals zu schütteln, liegt in dem Umstand begründet, dass die Imperialflasche des 2006 Masseto im Handel schon für rund 7000 Euro zu haben ist – in Deutschland zum Beispiel.
„Der Markt für feine Weine kennt keine Krise“ lautet das Auktions-Motto bei Gelardini & Romani. Es gilt ebenso für Deutschland. Auch Rieslinge befinden sich wegen der Eurokrise mit all ihren Folgeproblemen keineswegs im Sinkflug. Im Gegenteil: Die Zuschlagpreise für Weine einiger deutscher Spitzenwinzer flogen auf den Herbstauktionen des VDP vom 23. bis 25. September 2011 geradezu nach oben weg, wobei entschuldigend hinzugefügt werden muss, dass der Jahrgang 2010 zumindest bei den edelsüßen Spezialitäten große Qualitäten hervorgebracht hat.
Egon Müller spielt in einer anderen Liga
J. J. Prüm bekam schon für seine einfache Sonnenuhr-Auslese 127,45 Euro. Die Lange Goldkapsel stieg auf 388,45 Euro. Auch Zilliken, Dr. Loosen, Fritz Haag, Willi Schäfer, Diel und Robert Weil erzielten mit ihren Goldkapseln unerwartet hohe Kotierungen. Allerdings konnte keiner von ihnen mithalten mit der Langen Goldkapsel von Egon Müllers Scharzhofberger Auslese, die es auf 667,59 Euro brachte. Müller spielt in einer anderen Liga – nicht nur preislich.
Bei den Eisweinen hat nicht die Saar, sondern diesmal die Nahe die 200-Euro-Grenze für die halbe Flasche geknackt – sogar deutlich. Emrich-Schönleber liegt mit seiner 2010er Halenberg Goldkapsel bei 274,89 Euro, Schäfer-Fröhlich mit seiner 2008er Felseneck Goldkapsel sogar bei 324,87 Euro – ein hübsches Sümmchen für süßen Trost in schlechten Zeiten.
Einen bundesdeutschen Auktionsrekord stellte Egon Müller mit seiner 1999er Scharzhofberger Trockenbeerenauslese auf, die bei 6.433,14 Euro pro Flasche zugeschlagen wurde (das Lot umfasste immerhin 20 Flaschen). „Preise in dieser Größenordnung sind für unsere Trockenbeerenauslesen normal“, spielte Kellermeister Stefan Fobian im Interview mit der Deutschen Welle den Fall herunter. Dass die Größenordnung auch in Zeiten wie diesen konstant bleibt, ist bemerkenswert und spricht für das oben erwähnte Gelardini-Motto. Immerhin kann der Scharzhof für sich geltend machen, dass allein die Lesekosten für eine Flasche Trockenbeerenauslese mit rund 200 Euro zu Buche schlagen.