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Heidi Schröck und der Ruster Ausbruch: notfalls auch zur CurrywurstZE

Heidi Schröck ©Steve HaiderWas macht ein Winzer, wenn er aus Rust kommt? Hadert er mit seinem Schicksal, weil süße Weine derzeit megaout sind? Verzweifelt er? Nimmt er sich gar einen Strick? Natürlich nicht. Er stellt sein Sortiment auf trockene Weine um und schiebt den Ruster Ausbruch, dieses barock-süße Tröpfchen, das einer Trockenbeerenauslese entspricht und die Stadt am Neusiedlersee einst berühmt gemacht hat, ans Ende seiner Preisliste. Sozusagen unter „ferner liefen…“. Schade.

„Süßweine sind die Stars in meinem Keller“

Und was macht eine Winzerin aus Rust? Das Gegenteil, zumindest dann, wenn sie Heidi Schröck heißt. Bei der „Weinbäurin“, wie sie sich nennt, stehen süße Weine im Mittelpunkt. Bis zu 40 Prozent ihrer Weine entsprechend dieser Geschmacksrichtung – der vorherrschenden Süßwein-Abstinenz zum Trotz. Gewiss, um diese süßen Weine herum rankt sich ein Dutzend trockener Weiß- und Rotweine, wie man sie gewöhnlich zum Essen trinkt. Aber das Epizentrum bilden bei ihr Prädikatsweine wie Spätlese, Beerenauslese, Ruster Ausbruch. „Sie sind die Stars in unserem Keller“, sagt die Frau mit der kastanienroten Löwenmähne, die neben Alois Kracher der wohl bekannteste Süßweinerzeuger Österreichs ist.

Den Ruster Ausbruch vom Podest des Luxusweins herunterholen

Ruster Ausbruch

Mehr noch. Heidi Schröck versucht den Nachweis zu führen, dass diese Weine ebenso zum Essen geeignet sind wie die trockenen: von gegrillten Scampis bis zum Gänsebraten, zu vielen ethnischen Gerichten wie dem arabischen Baba Ghanoush oder einem koreanisches Kimchi sowieso. „Wir müssen den Ruster Ausbruch herunterholen von dem Podest des Luxusweins“, sagt sie. „Er passt nicht nur zu Gänsestopfleber und Blauschimmelkäse, sondern zu vielen, vielen Alltagsgerichten. Das haben wir in zahlreichen Workshops bewiesen.“

Ihre Philosophie gipfelt in dem Ausspruch: „Süß ist das neue Trocken.“ Eine kühne Behauptung. Historisch mag sie richtig sein. Denn Zucker war, bevor er aus Rüben erzeugt wurde, rar und wertvoll. Entsprechend teuer waren süße Weine. Adel und Klerus tranken sie zu den Mahlzeiten. Aber heute? Zucker ist ein Industrieprodukt. Er kostet wenig und ist unbegrenzt verfügbar. Süße legt sich daher wie ein Schleier über nahezu alles, was ess- und trinkbar ist – mal mehr, mal weniger deutlich schmeckbar. Fast wie eine Droge, süchtig machend.

Eine andere, edle Süße

SpätleseDie Süße, von der Heidi Schröck spricht, ist allerdings nicht die Süße eines Mars-Riegels oder eines Schoko-Müslis. Sie meint die Edelsüße. Das heißt: Weine, die fruchtig-süß sind mit würzigen, mineralischen, manchmal auch bitteren Einschlüssen. Ein solchermaßen edelsüßer Wein kann durchaus zu salzigen Speisen passen. Zum Beispiel zu einer geräucherten Makrele, zu einem Lamm-Ragout, zu einem gegrilltem Curry-Hühnchen, ja sogar zu einer Currywurst. Allgemein gesprochen: zu allem kräftig Gewürztem, Herzhaften, Deftigen.

Wiener Schnitzel und Süßwein gehen dagegen gar nicht zusammen, ebenso wenig Pasta mit Tomaten oder gedünsteter Seefisch. Auch zu Putengeschnetzeltem ist ein edelsüßer Wein ein No-Go. Woher die „Weinbäurin“ das alles weiß? In ihrem Weingut, nur wenige Meter vom Ruster Marktplatz entfernt, wird viel gekocht. Nicht nur zum Mittag- oder Abendessen, sondern auch zum Experimentieren mit Wein. Gerne setzt sie Freunden und Bekannten ungewohnte, ja gewagte Wein- und Speisenkombinationen vor. Manches klappt, anderes klappt nicht.


 

Experiment in der Berliner Cordobar

BeerenausleseIm vergangenen Jahr war Heidi Schröck in der Cordobar in Berlin und hat dort in einem fremden Ambiente ihre Süßweine getestet. Küchenchef Lukas Mraz hatte 15 kleine Gerichte kreiert, zu denen verschiedene Süßweine aus ihrem Sortiment gereicht wurden. Sommeliers, Weinhändler und Weinjournalisten sollten herausfinden, ob und gegebenenfalls welcher der Weine zu den Gerichten am besten schmecken.

Die häufigsten Zustimmungen bekam ein Gericht, von dem vorher wohl niemand geahnt hatte, dass man einen süßen Wein dazu trinken kann: ein Risotto von Rote Bete mit Liebstöckel gewürzt. Selbst die schwer-süßen Ruster Ausbrüche schmeckten zu diesem Gericht gut – allerdings nur, wenn sie gereift waren. Serviert wurden in Berlin  die Jahrgänge 1994 und 1989. Jüngere Jahrgänge taten sich dagegen schwer wegen ihrer noch sehr hohen Säure.

Kaiserschmarrn und Apfelstrudel gehen immer

Die Workshop-Ergebnisse aus BerlinLeider bewahren nur wenige Menschen ihre Weine so lange auf. Heidi Schröck ist deshalb dazu übergegangen, zunehmend auch leichtere Beerenauslesen und Spätlesen zu erzeugen, wobei auch Letztere bei ihr einen kräftigen Edelbeerenton aufweisen (im Gegensatz zu deutschen Spätlesen). Diese Weine müssen nicht 20 oder mehr Jahre gelagert werden. Sie können auch schon nach zwei, drei Jahren zum Essen gereicht werden. Der Tabelle mit den Süßweinen und den in der Cordobar dazu servierten Gerichten kann man entnehmen, welche Kombination die Berliner Tester als besonders gelungen empfanden.

Übrigens: Jeder Süßwein hat bei Heidi Schröck ein eigenes Etikett. Auf ihm sind jene Speisen dargestellt, die zu dem Wein am besten passen. Es fehlen nur die Klassiker, von denen alle eh schon wissen, dass Süßweine gut ihnen gehen – zumindest alle Österreicher: Kaiserschmarrn, Apfelstrudel, Salzburger Nockerl.


Die Weine


2013 Spätlese | € 13,50 (0,375 l)
2003 Beerenauslese Selektion | € 21,00 (0,375 l)
2012 Ruster Ausbruch | € 44,00 (0,375 l)
2002 Ruster Ausbruch | € 53,00 (0,375 l)

Bezug: Karl Kerler Weinhandlung, Nürnberg, www.karl-kerler.de


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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