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Haris Papapostolou: der Grieche mit der feinen Zunge

Haris Papapostolou ist mit acht Jahren nach Deutschland gekommen und betreibt heute das Restaurant Yamas in Ulm, das die Zeitschrift DER FEINSCHMECKER zu den Top 20 der besten internationalen Küchen zählt. Papapostolou, 39, ist ein ausgewiesener Weinkenner. Seine Weinkarte umfasst über 450 Positionen, darunter französische, italienische und rund 100 deutsche Weine. Der VDP hat ihn deshalb gerade zum „Traubenadler Sommelier“ ernannt.

Papapostolou hat den Kontakt zu seiner griechischen Heimat nie verloren. Mit Akribie sucht er nach kleinen, qualitätsorientierten Winzern, um ihre Weine zu importieren – und seine Gäste mit ihnen zu beglücken. Offenbar erfolgreich. Griechischer Wein macht zwar nur 20 Prozent seines Sortiments aus, aber 40 Prozent des Umsatzes.

Zafeirakis Limniona

Frage: Was schätzen Sie mehr: deutschen oder griechischen Wein?
Papapostolou: Beide gleich viel. Aber ich bin Grieche, und der griechische Wein wird in Deutschland stiefmütterlich behandelt. Deshalb ist mir Griechenland ein Anliegen. Ich kenne die neue Generation der griechischen Winzer und weiß genau, wo die guten griechischen Weine zu finden sind. Aber ich schätze natürlich auch die Weine anderer Länder.
Frage: Der VDP hat Sie sogar gerade zum „Traubenadler Sommelier“ ernannt, eine Auszeichnung, die nur sehr wenigen Sommeliers und Restaurantbesitzern zuteil wird.
Papapostolou: Von den 450 Positionen in unserer Weinliste entfallen ja auch 100 auf Wein aus Deutschland.
Frage: Das ist viel für ein griechisches Restaurant.
Papapostolou: Das Yamas ist kein griechisches Restaurant. Wir kochen mediterran. Bei uns kriegen Sie Burrata, Serrano-Schinken, Spaghetti, Lamm im Thymian-Jus, französische Mais-Poularde und so weiter. Gyros und Suvlaki suchen Sie bei uns vergeblich.

Domaine Ligas Bucephale Xinomavro

Frage: Nochmal die Frage: Wie schafft man es, Gäste an den  griechischen Wein heranzuführen?
Papapostolou: Ganz einfach: Ich empfehle Weine, von denen ich überzeugt bin, dass sie gut sind, dass sie schmecken und dass sie zu dem Gericht passen, das der Gast bestellt hat. Das funktioniert. Die Abneigung gegenüber dem griechischen Wein geht zurück. Das nächste Mal brauche ich gar nicht mehr viel sagen. Die Gäste verlangen von selbst den Wein aus Patras, aus Amyndeon oder aus Larisa. Zum Beispiel den roten Limniona von Christos Zafeirakis, der am Fuße des Bergs Olymp eine nahezu ausgestorbene, lokale Sorte wieder zum Leben erweckt hat. Daraus erzeugt er einen fast burgundisch anmutenden Rotwein, von dem man nie vermuten würde, dass er aus Griechenland kommt. Meine Gäste schätzen diesen Wein sehr. Aber ohne Empfehlung würden sie diesen Wein wahrscheinlich nicht bestellen.
Frage: Wie finden Sie solch ausgefallene Weine, die in keinem Weinführer stehen und die bei keinem Importeur in Deutschland gelistet sind?
Papapostolou: In diesem Falle war es nicht schwer: Meine Familie stammt aus Larisa. Da kenne ich mich natürlich aus. Ich reise regelmäßig nach Griechenland. Aber ich suche auch in anderen Gebieten nach guten Weinen.  So habe ich zum Beispiel die Domaine Ligas entdeckt in Pellas in der Nähe von Thessaloniki. In England und Italien sind die Weine bekannt, in Deutschland leider kaum. Dabei ist Ligas eines der spannendsten Weingüter in Griechenland. Thomas Ligas hat in Frankreich Önologie studiert und sich nach seiner Rückkehr ganz dem biodynamischen Weinbau verschrieben. Mehr noch: Er und sein Sohn Jason bauen nur autochthon-griechische Rebsorten an, vergären spontan, verzichten auf Temperaturkontrolle während der Gärung, füllen auch die Weißweine unfiltriert ab und schwefeln nur minimal. Das Resultat sind charaktervolle, sehr authentische Weine, sowohl rot als auch weiß.

Vicky Papapostolou
Vicky Papapostolou

Frage: Ist der biologische Weinbau in Griechenland auf dem Vormarsch?
Papapostolou: Das kann man so pauschal nicht sagen. Aber immer mehr Weingüter gehen in diese Richtung. Ich habe mich bei der Auswahl meiner Weine ein bisschen auf Bio-Winzer konzentriert. Das hat auch mit meiner Schwester Vicky zu tun, die in Geisenheim Weinbau studiert hat und stark dem Bio-Gedanken anhängt. Dadurch bin ich sensibilisiert worden. Die Domaine Ligas experimentiert beispielsweise auch mit Amphoren und hat 2015 an der Naturwein-Messe Raw in Wien teilgenommen. Daran sieht man, dass der Marsch in Richtung Naturwein auch Griechenland erfasst hat.
Frage: Nach welchem Schema wählen Sie Ihre Weine aus?
Papapostolou: Ich suche bevorzugt kleine Winzer, die handwerklich arbeiten, eine Qualitätsphilosophie haben, möglichst biologischen Weinbau betreiben, nicht schon in jedem griechischen Supermarkt vertreten sind und  sich auf griechische Rebsorten konzentriert haben. Nicht auf internationale … obwohl ich auch den Sauvignon von Alpha Estate auf der Karte habe.


 

Frage: Deutsche Weine sind derzeit sehr gefragt. Wie kann Griechenland dagegen halten?
Papapostolou: Die griechische Sorte Malagousia liegt sehr im Trend, weil sie so herrlich fruchtige, frische Weine im mediterranen Stil liefert, und mit dem Malagousia von Gerovassiliou hat man einen Superwein, der bei uns im Restaurant für 30 Euro auf der Karte steht. Für Leute, die einen säuremilden Weißwein suchen, ist Malagousia eine echte Alternative zu Riesling und Weissburgunder. Oder denken Sie an den Assyrtiko. Das ist die feinste Weißwein-Traube, die in Griechenland wächst. Auf der Insel Santorin ergibt sie stark mineralische, salzige Weine, die bei anspruchsvollen Weißweintrinkern hoch im Kurs stehen. Mit Hatzidakis habe ich einen Top-Produzenten im Programm, der spontan vergärt und unfiltriert abfüllt. Sein Wein ist ein Erlebnis.

Dougos Methymon 7

Frage: Bietet Griechenland auch beim Rotwein Alternativen?
Papapostolou: Rotweine machen bei mir nur 30 Prozent der Karte aus, weil wir eine mediterrane Küche mit viel Fisch haben. Aber da ist die Überraschung meiner Gäste oft noch größer. Der Nemea von Gaia Estate ist dunkel, dicht und straff gewoben, aber elegant und von seidigem Tannin durchzogen. So einen Wein erwartet niemand aus Griechenland. Die Agiorgitiko-Trauben ist eben ein echter Gaumenschmeichler.  Etwas anspruchsvoller ist die Xinomavro. Da empfehle ich zum Beispiel gern den Rapsani Old Vines von Thanos Dougos, ein biologisch-organisch arbeitendes Weingut in Thessalien.  Es widerlegt alle Vorurteile gegen griechische Rotweine. Noch mehr gilt das für Dougos Spitzengewächs Methymon 7, das mit einem guten Châteauneuf-du-Pape konkurrieren könnte. In der Cuvée dieses Weins sind allerdings auch mehrere internationale Sorten vertreten, etwa Grenache.
Frage: In den USA feiert der neue griechische Wein große Erfolge. In Deutschland gibt es noch viele Vorurteile.
Papapostolou: Die ältere Generation der Deutschen hat das negative Meinungsbild über griechische Weine geprägt. Danach haben wir Griechen nur schlechte oder einfachste Weine. Also Retsina, süße Rotweine und so weiter. Die meisten älteren Deutschen probieren griechische Weine gar nicht erst, sondern gehen gleich auf italienische oder französische Etiketten. Junge deutsche Weintrinker sind viel offener. Ich sage ihnen, dass ich den Wein, wenn er ihnen nicht schmeckt, zurücknehme und selber trinke. So baue ich Vertrauen auf. Übrigens: Inzwischen gibt es sogar renommierte deutsche Winzer, die bei mir einen Karton griechischen Wein bestellen.
Frage: Und der Weinhandel?
Papapostolou: Die Weinhändler erzählen mir, dass sie, um einen Kunden von einem griechischen Wein zu überzeugen, fünf Minuten brauchen, bei einem italienischen Wein 20 Sekunden.

Gericht

Frage: Wie sind Sie überhaupt zum Wein gekommen?
Papapostolou: Ich bin ausgebildeter Mediendesigner und habe früher in Berlin als Regieassistent bei Spielfilmen für das ZDF und für Sat.1 gearbeitet. Außerdem gehörte ich der Redaktion von Tim Mälzers Kochshow „Schmeckt nicht, gibt’s nicht“ an. In dieser Zeit hat mich das Wein-Virus infiziert. Seitdem probiere ich alles, was gut ist, nicht nur Griechisches. Dadurch habe ich langsam meinen Geschmack schulen können. Ich habe gelernt, zwischen gut und weniger gut zu unterscheiden. Das hilft mir heute in der Gastronomie.
Frage: Lohnt es sich für ein Restaurant, griechische Weine selbst zu importieren?
Papapostolou: Das kommt auf die Mengen an. Im Yamas wird viel Wein getrunken, auch weil ich ihn human kalkuliere. Da bestellen die Gäste schon mal eine zweite Flasche. Außerdem nehmen viele gleich drei oder sechs Flaschen mit nach Hause, wenn ihnen der Wein geschmeckt hat. Ich bin aber nicht der einzige Gastronom in unserer Familie. Mein Vater Vassilios besitzt das Seven Fish in Ulm, meine Schwester Vicky betreibt das Meta, in beiden findet man viele der griechischen Produzenten, die auch im Yamas auf der Karte stehen. Eine Palette aus Griechenland ist also schnell leer getrunken.


Restaurant Yamas
Herrenkellergasse 29
89073 Ulm
Tel. 0731-4078614
info@yamas-ulm.de
www.yamas-ulm.de


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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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