Hansjörg Rebholz über Rieslinge, die plötzlich in ein Loch fallen

Hans-Jörg Rebholz
Hans-Jörg Rebholz
Deutscher Riesling mag einer der größten Weißweine der Welt sein. Dennoch gibt er immer wieder Rätsel auf. Wer beispielsweise die 2007er oder 2005er jetzt trinkt, wird oft enttäuscht. Hansjörg Rebholz, Rieslingwinzer aus der Pfalz, weiß warum. Jens Priewe befragte ihn noch schnell vorm Sommerurlaub.

Prie­we: Ihr 2007er Ries­ling ‚Vom Rot­lie­gen­den’ wur­de von der Pres­se als einer bes­ten Wei­ne des Jahr­gangs gefei­ert. Wenn man heu­te eine Fla­sche die­ses Weins auf­macht, glaubt man, er sei schon am Ende: erschre­ckend tief­far­big, in der Nase fast unfrisch und ins­ge­samt viel zu weit ent­wi­ckelt. Wie Ist das möglich?
Reb­holz: Ich las­se im Moment die 2007er aus Pro­ben raus. Sie befin­den sich gera­de in einem schwie­ri­gen Sta­di­um, so was wie Puber­tät. Aber sie wer­den wie­der­kom­men. Garantiert.
Prie­we: Was macht Sie so sicher?
Reb­holz: Der Ries­ling ist ein lang­le­bi­ger Wein. Nach zwei, drei Jah­ren fällt er regel­mä­ßig in ein Loch. Dort ver­harrt er eine Zeit­lang, mel­det sich rich­tig­ge­hend ab. Doch wenn es ein guter Ries­ling ist, kommt er wie­der zurück.
Etikett 2007 Riesling "Vom Rotliegenden"Prie­we:
Beruht Ihre Aus­sa­ge auf per­sön­li­chen Erfahrungswerten?
Reb­holz:
Nicht nur auf mei­nen. Ande­re Kol­le­gen machen die glei­chen Erfah­run­gen. Neu­lich haben wir einen 30 Jah­re alten Kabi­nett­wein getrun­ken. Er schmeck­te, als sei er höchs­tens zehn Jah­re alt. Auch er war mal abge­taucht, ist aber offen­sicht­lich glanz­voll auf­er­stan­den. Ich emp­feh­le Ihnen des­halb, die 2007er – soll­ten Sie noch etwas davon im Kel­ler haben – ein paar Jah­re zu ver­ges­sen. Oder schi­cken Sie sie mir zurück, wenn Sie nicht war­ten wol­len. Ich tau­sche sie gegen die ent­spre­chen­den jün­ge­ren Jahrgänge.
Prie­we:
Was geht in den Wei­nen vor, dass sie nach ein paar Jah­ren in so ein Loch fallen?
Reb­holz: Am Anfang zeigt ein Ries­ling vor allem sei­ne Pri­mär­aro­men: Apfel, Pfir­sich, Grape­fruit und so wei­ter. Wir sagen ‚Obst­sa­lat’ dazu. Der Bio­che­mi­ker wür­de Ester sagen. Ester machen den jun­gen Wein attrak­tiv. Im Lau­fe der Zeit wer­den die Ester jedoch lang­sam weg­oxy­diert. Der Wein ver­liert an Frucht und Fri­sche – der nor­ma­le Alte­rungs­pro­zess. Dann müs­sen neue Ver­bin­dun­gen deren Part über­neh­men, etwa die Terpene.

Rotliegendes in der Lage Kastanienbusch
Rot­lie­gen­des in der Lage Kastanienbusch

Prie­we: Was sind Terpene?
Reb­holz: Eine ande­re Klas­se von aro­ma­bil­den­den Kohlenwasserstoff-Verbindungen, die sich im Wein befin­den. Sie stam­men vor allem aus der Scha­le der Rieslingbeere.
Prie­we: Für wel­che Aro­men ste­hen die Terpene?
Reb­holz: Mine­ral­stof­fe sind zum Bei­spiel typi­sche Terpen-Aromen. In mei­nem Wein­gut wird der Gärung stets eine Kalt­ma­zer­a­ti­on vor­ge­schal­tet. Das heißt: Die Scha­len ruhen bei nied­ri­gen Tem­pe­ra­tu­ren im frisch gepress­ten Most. Nach sechs Stun­den begin­nen die im Most befind­li­chen Enzy­me, die Ter­pe­ne aus den Scha­len zu lösen. Nach 24 Stun­den sind sie voll­kom­men extra­hiert – so lan­ge dau­ert bei uns die Kaltmazeration.

 

Die Weine von Hansjörg Rebholz
Die Wei­ne von Hans­jörg Rebholz

Prie­we: Die Ter­pe­ne sind also von Anfang an im Wein?
Reb­holz: Sie sind da, aber man riecht und schmeckt sie nicht so inten­siv wie die Ester. Sie machen sich erst nach ein paar Jah­ren bemerkbar…
Prie­we: …wenn der ‚Obst­sa­lat’ weg ist?
Reb­holz: Noch spä­ter. Ter­pe­ne brau­chen etwa fünf Jah­re, um sich zu ent­wi­ckeln. Das heißt: Die Frische- und Frucht­pha­se ist bereits vor­bei, aber die Ter­pe­ne sind noch nicht rich­tig ent­wi­ckelt. Das ist die Pha­se, in der Wein abtaucht, in ein Loch fällt. Der Ries­ling­freund ist irri­tiert. Er hat das Gefühl, der Wein sei plötz­lich stark geal­tert. Doch wenn sich die Terpen-Aromen erst ein­mal ent­fal­tet haben, kommt der Wein wie­der aus sei­nem Tief her­aus. Man muss nur Geduld haben.
Prie­we: Haben Ihre 2005er Ries­lin­ge inzwi­schen die Puber­tät hin­ter sich?
Reb­holz: 2005 wird zwar als gro­ßer Riesling-Jahrgang beschrie­ben. Ich fin­de jedoch, er wird völ­lig über­schätzt. Den Wei­nen fehlt ein­fach die Säu­re. Ich zie­he des­halb den 2004er Jahr­gang vor.

Das Weingut Ökonomierat Rebholz
Das Wein­gut Öko­no­mie­rat Rebholz

Prie­we: 2004 gilt als eher klei­ner Jahrgang…
Reb­holz: Falsch! Die­se Wei­ne sind jetzt toll zu trin­ken. Die Ter­pe­ne haben sich ent­wi­ckelt. Die Wei­ne besit­zen Ras­se und nicht sel­ten einen fei­nen Petrolton.
Prie­we: Petrol ist nicht gera­de das, was der Ries­ling­lieb­ha­ber im Wein sucht.
Reb­holz: Ein Petrol­ton kann sogar eklig sein. Es kommt auf die Stär­ke an. In Aus­tra­li­en ent­steht er schon in den Trau­ben am Stock. Aber Petrol riecht nicht immer gleich. Zu Beginn ist der Petrol­ton oft plump, mit den Jah­ren wird er fei­ner. Petrol kann sogar die Grö­ße eines gereif­ten Ries­ling ausmachen.
Prie­we: Wel­che Jahr­gän­ge emp­feh­len Sie?
Reb­holz: Der Jahr­gang 2008 ist zum Bei­spiel rich­tig ver­schrien. Zu Unrecht. Die 2008er sind bes­ser als die 2007er und 2009er. Vor allem die 2009er wer­den schnel­ler rei­fen und frü­her ins Loch fal­len als die 2008er. Über­haupt glau­be ich, dass die soge­nann­ten klei­nen Jah­re oft die inter­es­san­te­ren Wei­ne brin­gen. Das gilt nicht nur für die Pfalz, son­dern auch für ande­re Riesling-Anbaugebiete.
Prie­we: Und was ist mit den 2010ern?
Reb­holz: Es kommt auf die Säu­re an. Sie muss reif sein. Zwar feh­len uns für solch extre­me Jahr­gän­ge die Erfah­rungs­wer­te – ich gehe jedoch davon aus, dass die gelun­ge­nen 2010er in 20 Jah­ren gro­ße Wei­ne sein werden.

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