Martin Kössler ist ein Weinhändler mit Ecken und Kanten. Er trägt seine Meinungen und Ansichten sehr dezidiert vor. Nicht immer finden diese Zustimmung von Kollegen und Weinliebhabern. Das stört ihn wenig. Er schwimmt gerne gegen den Strom, und manchmal ist er damit besser gefahren als die, die mit dem Mainstream schwimmen. Das Sortiment seiner Nürnberger Weinhandlung ist frankreich- und kalifornienlastig, wobei er sich im Süden Frankreichs – wo er einen Großteil des Jahres lebt – besonders gut auskennt. Er führt zahlreiche Weine von dort, die der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt sind, unter Eingeweihten dagegen stillschweigend höchste Wertschätzung genießen. Auch Deutschland ist in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt geworden (www.weinhalle.de).
„Ich bin nun schon seit 25 Jahren im Bordeaux-Geschäft und habe auch dieses Jahr rund 200 Primeur-Weine probiert. Aber da frage ich mich doch einfach: Warum soll ich dieses teure Geschäft mitmachen? Ich habe mich aus dem Handel mit Crus Classés komplett zurückgezogen. Die meisten 2009er haben eine niedrige Säure und einen hohen pH-Wert. Die sind lecker, süß, nett, aber ich habe beschlossen: Ich schieße mich auf ein paar Weine ein, von denen ich überzeugt bin, der Rest kann mir gestohlen bleiben.
Weine wie der Clos Puy Arnaud aus den Côtes de Castillon, das sind die wahren Bordeaux. Oder Clos Manou (Médoc), Bel Air La Royère (Blaye), die Weine von Christian Veyry und François Mitjaville. Und diese Weine biete ich meinen Kunden auch in Subskription an. Von Clos Manou beispielsweise habe ich fast ein Viertel der ganzen Ernte.
Aber machen wir uns nichts vor: Das klassische Bordeaux-Geschäft ist trist. Der typische Subskriptionskäufer kauft ja unterm Jahr keine einzige Flasche Bordeaux mehr. Und gerade bei diesem Jahrgang wundere ich mich über die einhellige Begeisterung und die große Kauffreude. Der 2009er ist doch kein 1959er, bei dem die Säure stimmte. Der Jahrgang hat seine Macken, darüber muss man reden. In meinen Augen ist die chemische Stabilität vieler Weine fraglich, ich bin da sehr skeptisch. Und die Berichterstattung darüber ist mir viel zu unkritisch.“
Ich finde diese kritsche Meinung ebenso gut wie einen invividuellen Wein der anders ausfällt wie ein Mainstream-Wein. Kritik steht für Fortschritt. Mainstream für Stillstand.