Start WineHappens Report Günther Jauch: Über die Schwierigkeit, den eigenen Wein zu erkennen

Günther Jauch: Über die Schwierigkeit, den eigenen Wein zu erkennen

1

Das erste Mal tat es noch weh. Nicht mir, sondern Jean-Michel Cazes, dem Besitzer des Pauillac-Château Lynch-Bages und (bis 2000) Berater der französischen Weinberg-Holding Axa Millésimé. Nachdem der französische Versicherungskonzern 1987 das Château Pichon-Baron in Pauillac erworben hatte (1987), lud Cazes eine kleine Gruppe von Journalisten nach Bordeaux ein, um die alten Jahrgänge, die noch im Keller von Pichon-Baron lagen und die die Axa mit übernommen hatte, durchzuprobieren. Ich gehörte zu dieser Gruppe. Wir probierten die Weine nach Jahrzehnten zurück bis 1901, blind selbstverständlich. Zwei oder drei Mal erlaubte sich Cazes, seinen eigenen Lynch-Bages unerkannt in den betreffenden Flight zu stellen. Ich erinnere genau, dass er ihn kein einziges Mal wiedererkannte. Das erste Mal war es ihm noch peinlich, zumal Roger Salama, ein ebenfalls eingeladener Weintester der einflussreichen Weinfachzeitschrift Revue du Vin de France, sofort herausschmeckte, welcher Wein der „blinde Passagier“ war. Am Ende konnte Cazes über seine Faux Pas lachen.

Auch Dominique Lafon irrte sich

Kein Einzelfall. Vor einem Jahr saß ich im Hotel Waldhaus im schweizerischen Sils anlässlich einer Burgunder-Gala am Tisch neben Dominique Lafon, dem Besitzer der Domaine Conte Lafon in Meursault. Der Ober servierte uns die Weine der anwesenden Winzer im Glas.  Nach fünf oder zehn Minuten angeregter Unterhaltung winkte Lafon den Ober herbei und bat ihn leise, ihm doch bitte seinen eigenen Wein zu bringen. Der Ober stutzte einen Moment, dann sagte er: Monsieur, c’est le votre…“ Tatsächlich hatte Lafon seinen eigenen Meursault Clos de la Barre im Glas, ohne ihn zu erkennen. Passiert also nicht nur einem Jauch.

Luis von Delleman, der Schwager und Kellermeister von Alois Lageder, erzählte mir einmal, dass er einen älteren Jahrgang seines eigenen Chardonnay Löwengang in einer gemischten Weinprobe in der Schweiz nicht herausgeschmeckt hatte. Er konnte über seinen Lapsus herzlich lachen.

Gianfranco Soldera verließ den Raum

Ganz anders Gianfranco Soldera. Der Besitzer des Weinguts Case Basse in Montalcino, dessen Brunello mit mindestens 150 Euro pro Flasche die Hitliste der Etiketten dieser Appellation anführt, besuchte vor rund zehn Jahren das Piemont. Ein paar Barolo-Erzeuger – unter ihnen Clerico, Scavino, Rivetti –  luden ihn ein und arrangierten eine Weinprobe. Doch der Brunello-Star fand an keinem der Weine der Barolo Boys (wie sie damals noch hießen) Gefallen. Mal fehlte den Weinen seiner Meinung nach die Tiefe, mal waren sie zu oberflächlich oder unfrisch, einmal sogar leicht oxydiert. Der letzte Wein der Probe sei „völlig tot“, kritisierte er. Es war dummerweise sein Brunello, den die Boys heimlich in die Probe geschmuggelt hatten. Soldera verließ wutschnaubend den Raum.

Ich selbst war bei dieser Begegnung nicht dabei. Aber die Information stammt aus sicherer Quelle. Wie schwer es ist, einen bestimmten Wein in einer Weinprobe, die unter anderem Vorzeichen steht, zu erkennen, musste ich selbst einmal schmerzvoll erfahren.

Mensch gegen Maschine

Ich sollte in einer Fernsehsendung des WDR gegen einen Gaschromatographen antreten, also einen Apparat, der Gerüche registriert und identifiziert. In diesem Fall sollte er – und ich parallel dazu – das Bouquet von drei Weinen erkennen, die ihm vorgesetzt wurden. Mensch gegen Maschine – so lautete das Motto, das sich der Moderator ausgedacht hatte (ich glaube, es war der damals noch relativ unbekannte Ranga Yogeshwar, der heute „Wissen vor 8“ moderiert).

Vor der Sendung wurde ich in einen Nebenraum gebeten und hatte eine halbe Stunde Zeit, mir das Bouquet von fünf Weinen einzuprägen, die dort aufgebaut waren. Genauer gesagt: von fünf verschiedenen Jahrgängen ein und desselben Rotweins. In der Sendung sollte ich dann drei Weine vorgesetzt bekommen und sagen, um welche Jahrgänge es sich handelt. Der Gaschromatograph erhielt dieselbe Aufgabe.

3 : 1 gegen den Gaschromatographen

Die Bouquets der Weine unterschieden sich nach meinem Empfinden deutlich voneinander. Ein leichtes Spiel also, dachte ich. Entsprechend optimistisch ging ich in die Sendung. Den ersten Wein erkannte ich auf Anhieb. Doch beim zweiten war ich unsicher. Immer wieder schnüffelte ich am Glas und gab am Ende die falsche Antwort. Auch beim dritten Wein lag ich daneben. 3 : 1 für den Gaschromatographen, der alles richtig identifiziert hatte. Peinlich.

Was war geschehen? Der Moderator, dieser Schuft, hatte mir dreimal denselben Jahrgang hingestellt. Doch da mein Hirn auf das Herausfinden von Unterschieden programmiert war, wollte es nicht akzeptieren, dass es keine Unterschiede gibt. Es suchte sie – und fand sie, obwohl sie nicht da waren. In der Anspannung und Aufregung, die einen Kandidaten in so einer Sendung befällt, war es meinem Hirn offenbar nicht möglich zu erkennen, dass ich in eine Falle gelockt werden sollte.

Schadenfreude über den Fehltritt des TV-Moderators

Vielleicht war das auch bei Jauch so. Der Chefredakteur des Südwestfunk Radio, Fritz Frey, hatte den Talkmaster und Weingutsbesitzer zu Gast und wollte dessen Weinkennerschaft testen. Er gab ihm einen Wein zum Probieren, ohne zu sagen, dass dieser aus dessen eigenem Weingut von Othegraven an der Saar stammt. „Kabinett oder Spätlese“ rätselte Jauch. Auf jeden Fall „kein Großes Gewächs“. Frey verriet nichts. Jauch schnodderte: „Ich weiß ja nicht, was für einen Fusel Sie hier ausschenken.“

Das reichte, um den Fernsehmoderator der Unwissenheit zu überführen. Da half es nichts, dass Jauch immer wieder betont, er sei in Sachen Wein noch ein Lernender: Die Presse hatte ihre Story. Focus, Welt Online, Handelsblatt, stern, Bild, Hamburger Abendblatt – alle hatten ihren Spaß daran, den Fehltritt des berühmten TV-Mannes zu vermelden.

In die Falle gelockt

Ich bin nach meinen eigenen Missgeschicken beim Weinerkennen milder gestimmt. Das Einzige, was man Jauch vorwerfen kann, ist, dass er sich dafür, dass er den Wein nicht einordnen konnte, den ihm der SWR-Mann vorgesetzt hatte, verbal zu weit aus dem Fenster gelehnt hat.

Übrigens: Das Weingut von Othegraven bringt jedes Jahr rund zehn Weine auf den Markt (Beeren- und Trockenbeerenauslesen nicht mitgezählt). Selbst wenn Jauch geahnt hätte, dass ihm sein eigener Wein vorgesetzt wird, wäre die Möglichkeit, Fehler zu machen, immer noch sehr groß gewesen.

1 Kommentar

Die mobile Version verlassen