Grüner Veltliner ist die häufigste Weißweinsorte in Österreich. Sie bedeckt über ein Drittel der Rebfläche. Im kühlen Kamptal und im warmen Krems entstehen auf Lössböden einzigartige Weine aus dieser Sorte. Am Wagram, der im Einflussbereich warmer pannonischer Luftströmungen liegt, wachsen reiche, üppige Weine mit zarter Kräuterwürze. Das teils warme, teils kühle Weinviertel ist das größte Veltliner-Anbaugebiet in Österreich und liefert elegante Weine, die oft eine grüne Note, das berühmte „Pfefferl“, aufweisen.
Smaragde aus der Wachau
Die Wachau, wo sich der Grüne Veltliner mit dem Riesling die Rebberge teilt, entstanden nach dem Weinskandal von 1985 die ersten bedeutenden, ja großen Weine, die als Smaragde bewiesen, dass sie langlebig sind und im Laufe der Jahre eine unerwartete Feinheit entwickeln können. Smaragd ist eine von der Winzervereinigung Vinea Wachau geschützte Bezeichnung für spätgelesene Grüne Veltliner und Rieslinge von höchstem Niveau. Sie würden die Weinkarte jedes ***Restaurants schmücken. Wir haben schon oft über die außerordentliche Langlebigkeit der Wachauer Smaragde berichtet, zuletzt 2012 anlässlich einer umfangreichen Vertikalprobe. Jetzt wieder: Im Rahmen eines Rare Bottle Sharing (RBS) hatte Jens Priewe Mitte September in der Weinhandlung GARIBALDI in München 8 rare, größtenteils gereifte Grüne Veltliner aufgemacht und kommentiert.
Die acht Weine, die verkostet wurden
2023 Grüner Veltliner „Hinter der Burg“, Weingut Prager-Bodenstein
Zartfruchtig, aber nicht leicht: sehr präziser GV, der wie eine Eins im Glas steht. Saftig-fruchtig auf der einen Seite, mineralisch-salzig auf der anderen. Er wurde (und wird immer) aus kerngesundem Lesegut erzeugt, ohne jede Botrytis. Mit 13 Vol.% ist er in 2023 kein Federspiel mehr (Federspiele dürfen nicht mehr als 12,5 Vol.% aufweisen), sondern schon ein Smaragd. Toni Bodenstein, der Winzer, hat diesmal jedoch auf die Bezeichnung Smaragd verzichtet, da der Wein unter dem Riedennamen „Hinter der Burg“ normalerweise als Federspiel auf den Markt kommt. Der Wein ist in seiner Kategorie so gut, dass er meist schnell ausverkauft ist.
Bewertung: 93/100
€ 27,90, www.gute-weine.de (Jahrgang 2023)
2018 Grüner Veltliner „Ried Brandstatt“, Weingut Grabenwerkstatt
Karger, hochfeiner GV mit purer Frucht und zarter, schotiger Würze, vorherrschend Zitrus und Sommerapfel, der auch nach fünf Jahren noch wenig Marille oder andere gelbfruchtige Noten aufweist, schon gar keine Honignoten – typisch für die kühle Lage und die 50 Jahre alten Rebstöcke in einem nicht-flurbereinigten cool climate spot. Mit dem Wachauer Franz Hofbauer und dem (geborenen) Pfälzer Michael Linke haben sich 2014 zwei ebenso beseelte wie leidenschaftliche Winzer gefunden, von denen heute einige der raffiniertesten Weine der ganzen Wachau kommen. Mehrere Reisen nach Australien und nach Neuseeland, wo sie auf Spitzenweingütern wie Felton Road und Pyramid Valley arbeiteten, haben den Plan wachsen lassen, im äußersten Winkel des Spitzer Grabens, dem kühlsten Teil der Wachau, ein kleines Weingut zu gründen. Grabenwerkstatt-Weine sind sehr gesucht und ältere Jahrgänge kaum zu finden.
Bewertung: 96/100
€ 69, www.grubis-weine.de (Jahrgang 2023)
2016 Grüner Veltliner Smaragd „Ried Steinertal“, Weingut Leo Alzinger
Noch sehr jung wirkender, hellgelber GV mit grünlichen Reflexen, der nicht fett und nicht nur fruchtig daherkommt, sondern zart-mineralisch ist und von einer feinen, kristallinen Säure durchzogen ist. Der Spannungsbogen reicht von den reifen, gelbfruchtigen Noten einerseits (mit einem Hauch ins Tropische) und salzig-schotigen Noten andererseits. Ein hochfeiner, ja finessereicher Wein, wie er als GV in Österreich nicht zweimal zu finden ist. Der Grund dafür ist die besondere Lage. Steinertal ist die erste Riede am östlichen Eingang der Wachau, die durch ihre leicht nach Südwesten geneigte Ausrichtung die pannonische Wärme, die sich durchs Donautal wälzt, abmildert und zugleich von kühlen Luftströmungen touchiert wird, die von oben vom Waldviertel herabfallen. Das sorgt für die verhaltene, kühle Frucht, während der Gneis für die eher karge Struktur des Weins verantwortlich ist. Ein Klassiker, der unter Kennern ein hohes Ansehen genießt und dieses auch im Jahrgang 2016 wieder unter Beweis stellt.
Bewertung: 95/100
€ 42,50, www.weinfurore.de
2011 Grüner Veltliner Smaragd „Vinothekenfüllung“, Weingut Knoll
Ein Old School-GV, aber ein hochklassiger. Genau genommen der hochklassigste aus dem Hause Knoll: eine Selektion bester Trauben aus dem Loibenberg und den benachbarten Lagen. Er prunkt mit seiner barocken Fülle, die im Laufe des Reifeprozesses auf der Flasche immer ausgeprägter wird: viel kandierte Marille, ein bisschen Passionsfrucht und Brennnessel, dazu ein Hauch von Honigmelone, die die leichte Botrytis anzeigt, welche die Trauben bei der Lese aufwiesen. Ein hedonistischer Wein aus einem großen Jahrgang, mit Glück immer wieder auf Auktionen zu finden. Aber auch die jungen Jahrgänge sind sehr gesucht. Aus der Magnumflasche getrunken.
Bewertung: 96/100
€ 145,00 (Magnumflasche), www.ungerweine.de (Jahrgang 2023)
2007 Grüner Veltliner Smaragd „Ried Hochrain“, Weingut Rudi Pichler
Ungemein frischer Wein mit blitzsauberer, präziser Frucht, Zitronenmelisse und Pfirsich vorherrschend, dazu ein Hauch von Chlorophyll: jahrgangsbedingt weniger ausladend als Weine anderer Jahrgänge, aber ausgesprochen delikat und sehr fein ziseliert. Rudi Pichler verwendet für seine Smaragde nur gesunde Trauben. Edelfaules Lesegut wird gar nicht angestrebt beziehungsweise aussortiert. Rudi Pichlers Smaragde gehören immer zu herausragenden der Wachau. Wir haben sie auf weinkenner.de schon mehrfach vorgestellt.
Bewertung: 95/100
€ 41,90, www.bremer-weinkolleg.de (Jahrgang 2023)
2000 Grüner Veltliner Smaragd „Loibner Berg“, Weingut F.X. Pichler
Wenn F.X. Pichler auf der Flasche steht, steigen die Erwartungen. Aber auch ein Kultwinzer kann nicht zaubern. 2000 war ein warmer Jahrgang, der in Österreich gute Rotweine hervorgebracht hat, aber für Weißweine eher schwierig war. Und der Loibenberg (hier noch Loibner Berg genannt), ein steiler, terrassierter Hang am Eingang der Wachau, befindet sich im Einflussbereich warmer pannonischer Winde, was die Situation für den Winzer nicht leichter macht. Angesichts dessen hat F.X. Pichler einen sehr respektablen Wein auf die Flasche gebracht, der auch nach über 20 Jahren genussvoll zu trinken ist. Der Spannungsbogen ist nicht der größte, das Säuregerüst nicht das ausgeprägteste und der Geschmack ist auf schmelzig-Gelbfruchtiges reduziert. Aber der Wein ist lebendig und kraftvoll, wie es sich für einen guten Smaragd gehört. Heute ist Lucas Pichler für die Weine verantwortlich. Er vinifiziert anders mit mehr Maischestandzeit als früher und ohne Botrytis. Die Bezeichnung „Smaragd“ wird nicht mehr benutzt.
Bewertung: 94/100
€ 59,00, www.koelner-weinkeller.de (Jahrgang 2023)
1997 Grüner Veltliner Smaragd „Kellerberg“, F.X. Pichler
Für Weißweine ist der Jahrgang 1997 vom Falstaff, der österreichischen Weinfachzeitschrift, mit drei von fünf möglichen Sternen bewertet worden – also kein Spitzenjahrgang. Zu warm und zu trocken, lautete die Begründung. Dem GV vom Kellerberg schmeckt man das in keiner Weise an: ein majestätischer Wein mit großem Atem und breit gefächerter Aromatik, die von Aprikosenkompott über vegetabile Sellerienoten bis hin zu provençalischen Kräutern und Bachkiesel reicht. Der Wein ist von gewaltiger Spannbreite und hat einen frischen Säurenerv. Sein Geheimnis: die Lage. Der Kellerberg liegt hoch über Loiben im Einflussbereich kühler Luftströmungen aus dem Waldviertel und gilt deshalb als eine der besten Lagen in der Wachau. Und was F.X. Pichler daraus gemacht hat, ist genial (wie so viele Kellerberg-Weine, wie wir schon häufig berichtet haben). Glücklich, wer diesen Wein noch im Keller hat. Notabene: Heute heißt der Wein einfach nur Kellerberg ohne die Zusatzbezeichnung Smaragd. Das Weingut ist 2020 aus der Vinea Wachau ausgetreten.
Bewertung: 97/100
€ 91,50, www.pieromassi.de (Jahrgang 2022)
1995 Grüner Veltliner Smaragd „Honivogl“, Hirtzberger
Bei allem Respekt vor den anderen Weinen: der Honivogl war der beste Wein der Probe. Dieser GV ist heute, fast 30 Jahre nach der Lese, so stimmig in sich, dass man ihn als fast perfekt bezeichnen kann. Die Farbe goldgelb, das Bouquet Geleefrucht, Physalis und Grapefruit, dazu ein Hauch Fenchel und grüner Apfel (das sogenannte „Pfefferl“), am Gaumen salzige Algen und süße Honignoten (typisch für Botrytisweine). Von Oxydation keine Spur, wohl aber eine elegante Petrolnote. Er schmeckt ein bisschen wie ein gereifter Sauternes – nur trocken. Franz Hirtzberger ist ein traditioneller Weinerzeuger, der bei seinen Smaragden immer darauf achtet, dass ein mehr oder minder großer Teil der Trauben edelfaul ist. Dadurch erhalten seine Weine Fülle – und das lange Leben (auch wenn dieser Stil heute zunehmend obsolet ist). Auch wenn der Honivogl dieses Jahrgangs ausgetrunken sein dürfte, so zeigt der 1995er doch, dass es sich lohnt, die jungen Jahrgänge zu lagern und nicht gleich auszutrinken.
Bewertung: 99/100
€ 125,00, www.schreiblehner.com (Jahrgang 2022)