Wenn die Traditionsweingüter ihre Ersten Lagen präsentieren, herrscht bei Handel, Gastronomie und Presse in Österreich Weinalarm – und über Österreich hinaus auch. Erste Lage – das ist die derzeit höchste Klassifikationsstufe der Qualitätspyramide im Nachbarland. Sie repräsentiert die besten Terroirs des Landes. Besser gesagt: die besten Rieden. Ried ist die österreichische Bezeichnung für Lage. Es geht also um die Topweine des Landes. Die Klassifikation ist – ähnlich wie beim VDP in Deutschland – nicht amtlich. Sie gilt nur vereinsrechtlich, also für jene Betriebe, die Mitglied der Traditionsweingüter sind. Der rechtliche Rahmen wäre die DAC Kremstal. Mit der Erste Lagen-Klassifikation wollen die Traditionsweingüter über die DAC hinausgehen.
Bis jetzt haben die Weinanbaugebiete Wien, Donauregion (Traisental, Kremstal, Kamptal, Wagram) und Carnuntum eine verbindliche Riedenklassifikation erarbeitet. Die Steiermark und die Wachau gehen kurz davor. Bei der Präsentation des Jahrgangs 2017 waren sie noch nicht dabei. Jens Priewe hat einen Großteil der Ersten Lagen dieses Jahrgangs verkostet. Er beginnt hier mit seinem Degustationsreport für das Kremstal.
Löß und Urgestein – was gibt den besseren Wein?
Die Stadt Krems liegt an der Donau, und das Kremstal befindet sich voll im Einflussbereich des trocken-warmen pannonischen Klimas. Vor allem in den flussnahen Weinbergen ist es wärmer als in der benachbarten Wachau. Entsprechend üppig sind die Weine. Die Weine, das sind Grüner Veltliner und Riesling. Die beiden Sorten machen über 60 Prozent des Rebsortenspiegels im Kremstal aus. Idealtypisch wächst der Grüne Veltliner auf Lößböden, während der Riesling auf Urgesteinböden steht. Beide Bodentypen sind im Kremstal vertreten. Doch in vielen Rieden, auch klassifizierten, vermischen sich die Bodentypen. Und Gemeinden, die vorwiegend Löß haben, verzichten deshalb nicht unbedingt den Anbau von Riesling.
Gesucht und nicht immer gefunden: Kühle
In einem warmen Jahr wie 2017 sind sowohl Riesling als auch Grüner Veltliner reif und opulent, vor allem die vom Löß. Die Alkoholgradation geht schnell in Richtung 14 Vol.%, im Einzelfall auch darüber hinaus. Manche Weine sind überladen, andere weisen leichte Kochnoten auf. Die besten Weine kommen, ähnlich wie in der Wachau, aus Lagen, die von kühlen, aus dem Landesinneren, speziell dem Waldviertel kommenden Luftströmungen berührt werden. Die kühle Luft drückt die hohen Tagestemperaturen und sorgt für Frische und angenehme Säuregehalte der Weine.
Wie auf die Erwärmung reagieren?
Es gibt im Kremstal hervorragende Weingüter, die seit vielen Jahren mit sicherer Hand Grüne Veltliner und Rieslinge erzeugen, die zu den besten Österreichs gehören. Sie stehen den Reserve-Weinen des benachbarten Kamptals sowie den Federspielen und Smaragden der Wachau in nichts nach. Nigl, Salomon Undhof, Rainer Wess, Türk, Proidl, Stadt Krems, Sepp Moser haben nicht nur in Österreich einen exzellenten Ruf. Sie erfreuen sich auch in Deutschland eines guten Bekanntheitsgrads. Mein Eindruck aber ist, dass es auch den renommierten Weingütern nicht immer gelingt, auf die veränderten klimatischen Bedingungen adäquat zu reagieren. Es kommt keineswegs selten vor, dass dasselbe Weingut überaus gelungene Riedenweine auf die Flasche bringt, bei anderen Riedenweinen dagegen die hohen Erwartungen verfehlt.
Wuchtige, exzessive Weine gewünscht?
Sicher: In warmen Jahren wie 2017 besteht nun einmal die Gefahr, dass die Weine zu fett werden. Das gilt vor allem für die auf Löß gewachsenen Weine. So sind mehrere Grüne Veltliner einfach zu behäbig. Ihnen fehlt es an Eleganz, an Leichtigkeit, an Spannung. Ich habe das Gefühl, dass viele Winzer Glycerin-schwangere, vor Extrakt strotzende Weine nicht als Nachteil ansehen, sondern sie sogar anstreben, und zwar mit dem Argument, es handele sich schließlich um Spitzenweine, die ein Maximum an Reife und Substanz benötigen.
Ich bin dieser Meinung nicht. Weine von Spitzenlagen sollten eine natürliche Balance aufweisen, nicht aber exzessiv stoffig oder reich sein. Unter diesem Vorzeichen sind meine Kommentare und Bewertungen zu lesen.
Österreichische Traditionsweingüter ERSTE LAGEN Tasting KREMSTAL | ||||||
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2017 | Rohrendorf | Breiter Rain | Grüner Veltliner | Weingut Sepp Moser, Rohrendorf | breit angelegt, fast fett, verhaltene Würze, sehr milde Säure: typischer Löß-Veltliner | 88 |
2017 | Senftenberg | Ehrenfels | Grüner Veltliner | Weingut Proidl, Senftenberg | differenziert, ausdrucksstark, feinwürzig, alkoholisch gut strukturiert | 89 |
2017 | Krems | Frechau | Grüner Veltliner | Weingut Schmid, Stratzing | wächsern-erdige Note, wenig Frucht, recht üppig: eigenwillig und durchaus interessant | 90 |
2017 | Krems | Frechau | Grüner Veltliner | Weingut Türk, Stratzing | wächsern mit grünem “Pfefferl”, echter Terroir-Wein | 90 |
2016 | Angern | Gaisberg | Grüner Veltliner | Weingut Geyerhof, Oberfucha | leichtfüssig, facettenreich, ausgewogen | 89 |
2017 | Krems | Gebling | Grüner Veltliner | Weingut Schmid, Stratzing | blumig, gelbfruchtig, kurz, gut zum jungen Genuß | 88 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Grüner Veltliner | Weingut Sepp Moser, Rohrendorf | dezente Frucht und Würze, aber etwas einfacher Zuschnitt | 89 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Grüner Veltliner | Weingut Thiery-Weber, Rohrendorf | reich, speckig, dick aufgetragen, (noch) frisch | 88 |
2017 | Furth | Gottschelle | Grüner Veltliner | Weingut Malat, Palt | rustikal, etwas gekochte Aromen | 87 |
2017 | Furth | Gottschelle | Grüner Veltliner | Weingut Stift Göttweig, Furth | gut gemachter, braver Grüner | 88 |
2017 | Furth | Gottschelle | Grüner Veltliner | Weingut Petra Unger, Furth | sehr solider, aber nicht furchtbarer aufregender ein | 89 |
2017 | Krems | Lindberg | Grüner Veltliner | Weingut Salomon Undhof, Krems | fetter GV mit viel Schmelz und sublimer Frucht, in reichlich Alkohol eingebettet | 90 |
2017 | Gedersdorf | Moosburgerin | Grüner Veltliner | Weingut Walter Buchegger, Droß | einfach, leicht, grobfruchtig | 87 |
2017 | Gedersdorf | Mosburgerin | Grüner Veltliner | Weingut Mantlerhof, Gedersdorf | hochmineralisch, spannend | 91 |
2017 | Senftenberg | Pellingen | Grüner Veltliner | Weingut Proidl, Senftenberg | üppig, fett, ausdrucksvoll, aber leider nicht durchgegoren | 88 |
2017 | Stein | Pfaffenberg | Grüner Veltliner | Weingut Rainer Wess, Krems | relativ schlank, mineralisch, sichere Hand spürbar | 91 |
2017 | Rohrendorf | Schnabel | Grüner Veltliner | Weingut Sepp Moser, Rohrendorf | träge, behäbig, als ob er einen BSA gemacht hätte | 87 |
2017 | Gedersdorf | Spiegel | Grüner Veltliner | Weingut Mantlerhof, Gedersdorf | leicht rauchig, mächtig, doch gut auf den Punkt gebracht | 91 |
2016 | Oberfucha | Steinleithn | Grüner Veltliner | Weingut Geyerhof, Oberfucha | stilistisch braver, aber gut fundierter Riesling | 89 |
2017 | Krems | Thurnerberg | Grüner Veltliner | Weingut Türk, Stratzing | schmelzig-süß, zartes “Pfefferl”, Schliff | 90 |
2017 | Gedersdorf | Vordernberg | Grüner Veltliner | Weingut Walter Buchegger, Droß | disziplinierte Fülle, saubere Frucht, mehr vom Löß als von der Rebsorte geprägt | 89 |
2017 | Krems | Wachtberg | Grüner Veltliner | Weingut Salomon Undhof, Krems | breit angelegt, aber nicht überladen, dezente Würze, stoffige Länge | 91 |
2017 | Krems | Wachtberg | Grüner Veltliner | Weingut, Stadt Krems | herrlich gewachsener, homogener Wein mit viel Ausdruck, Saft und Mineralität | 92 |
2017 | Furth | Oberfeld | Grüner Veltliner “Alte Reben” | Weingut Petra Unger, Furth | 15 Vol.% und dennoch restsüß: Wie geht das? Und wer will das trinken? | 86 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Grüner Veltliner “Der Löss” | Weingut Hermann Moser, Rohrendorf | opulent, reich (aber nicht überreif), etwas rustikal | 88 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Grüner Veltliner “Fortissimo” | Weingut Hermann Moser, Rohrendorf | leichte Kochnoten, überladen, zu ambitiös | 88 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Grüner Veltliner “Hannah” | Weingut Hermann Moser, Rohrendorf | vollmundig, üppig, deutlicheRestsüße: keine Erste-Lagen-Stilistik | 86 |
2017 | Senftenberg | Pellingen | Grüner Veltliner “Privat” | Weingut Nigl, Senftenberg | sehr präziser, trockener Wein, gehobener Standard | 90 |
2017 | Senftenberg | Ehrenfels | Riesling | Weingut Proidl, Senftenberg | feines Säurespiel, vielschichtig, delikat | 90 |
2017 | Stein | Gaisberg | Riesling | Weingut Petra Unger, Furth | straff und schnörlellos mit schöner Säure, es fehlen etwas die Facetten | 90 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Riesling | Weingut Sepp Moser, Rohrendorf | handwerklich guter Wein ohne Ecken und Kanten, gleichzeitig aber etwas dfrucklos | 89 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Riesling | Weingut Thiery-Weber, Rohrendorf | Riesling um GV-Stil: breit, wächsern, ohne große Feinheiten | 88 |
2016 | Hollenburg | Goldberg | Riesling | Weingut Geyerhof, Oberfucha | solide, unspektakulär | 88 |
2017 | Stein | Grillenparz | Riesling | Weingut Stadt Krems | saftig, feingliedrig mit schönem, reifen Säurespiel: erfreulicher Wein, wenngleich nichtganz trocken | 91 |
2017 | Senftenberg | Hochäcker | Riesling | Weingut Proidl, Senftenberg | kristalline Frucht, mineralische Säure, 14 Vol.% spürbar | 90 |
2016 | Oberfucha | Kirchensteig | Riesling | Weingut Geyerhof, Oberfucha | gut fundiert, aber stumpfe Frucht und grobe Säure | 88 |
2017 | Stein | Kögl | Riesling | Weingut Salomon Undhof, Krems | beste Substanz, kristalline Säure, feingliedrig | 91 |
2017 | Stein | Kögl | Riesling | Weingut Rainer Wess, Krems | feingliedriger, ausdrucksstarker Riesling, vielleicht etwas zu ausladend | 91 |
2017 | Gedersdorf | Moosburgerin | Riesling | Weingut Walter Buchegger, Droß | gute Substanz, aber grobe Frucht | 88 |
2017 | Stein | Pfaffenberg | Riesling | Weingut Salomon Undhof, Krems | sehr saftig mit feinen Honignoten und leichter Botrytis, nicht ganz trocken | 89 |
2017 | Stein | Pfaffenberg | Riesling | Weingut Rainer Wess, Krems | hervorragender Wein, aber feinherb | 90 |
2017 | Stein | Pfaffenberg | Riesling | Weingut Stift Göttweig, Furth | guter, aber etwas altbackener Standard | 88 |
2017 | Senftenberg | Pfeningberg | Riesling | Weingut Proidl, Senftenberg | vielschichtig, schmelzig,differnziert | 90 |
2017 | Furth | Silberbichl | Riesling | Weingut Malat, Palt | frische, aber etwas dropsige Frucht | 88 |
2017 | Furth | Silberbichl | Riesling | Weingut Stift Göttweig, Furth | sauber, präzis, ausdrucksstark | 91 |
2017 | Palt | Steinbühel | Riesling | Weingut Malat, Palt | auffällig dropsige Säure. inhomogen | 86 |
2017 | Gedersdorf | Steingraben | Riesling | Weingut Mantlerhof, Gedersdorf | sehr gefälliger, etwas plumper Riesling | 88 |
2017 | Stratzing | Sunogeln | Riesling | Weingut Schmid, Stratzing | trotz großer Stoffigkeit feingliedrig: gehobener Standard | 89 |
2017 | Gedersdorf | Vordernberg | Riesling | Weingut Walter Buchegger, Droß | parfümiert, dropsig | 87 |
2017 | Krems | Wachtberg | Riesling | Weingut Türk, Stratzing | kräftig-aromatische Frucht, hohe Säure, viel Spannung | 91 |
2017 | Gedersdorf | Wieland | Riesling | Weingut Mantlerhof, Gedersdorf | sehr stoffiger, zartfruchtfruchtiger Riesling, alkoholisch gut unterwegs | 91 |
2017 | Rohrendorf | Gebling | Riesling “Kellerterrassen” | Weingut Hermann Moser, Rohrendorf | ohne Fehl und Tadel, aber stilistisch etwas bieder | 89 |
2017 | Senftenberg | Hochäcker | Riesling “Privat” | Weingut Nigl, Senftenberg | packender Wein mit tollem Spannungsbogen, trotz hohen Alkohols (14 Vol.%) sehr gekonnt | 91 |
2017 | Stein | Kögl | Riesling “Steiner Kögl” | Weingut Salomon Undhof, Krems | exotisch voller Wein mit Duft von Mandarinenschale und nassem Fels, gleichzeitig straffund fein gewirtkt | 92 |