Afrikanische Hitze im Juni, ein feucht-warmer Sommer mit dem Resultat einer sich schnell ausbreitenden Fäule – Alptraum für alle Bordeaux-Winzer, die nach 2009 und 2010 auf einen weiteren großen Rotwein-Jahrgang gehofft hatten. Viele Châteaux waren gezwungen notzulesen. Sie mussten verhindern, dass sich die Fäulnis auch auf die gesunden Trauben ausbreitet. Andere sahen sich mit ungleich gereiften Trauben konfrontiert und hatten hart am Lesebrett zu arbeiten, um nur die gleichmäßig durchgereiften Trauben zu selektieren. Und auch die besaßen nicht jene hohe Reife, die sie in 2010 und 2009 aufwiesen – egal ob Cabernet Sauvignon, Cabernet franc oder Merlot.
Robert Parker hat den Jahrgang schon abgeschrieben
2011 war für die roten Bordeauxweine ein schwieriger Jahrgang, der aufgrund der frühen Lese höchst unterschiedliche Qualitäten hervorbracht hat. Wenn sich ab 2. April in Bordeaux wieder 5000 Händler und Journalisten aus aller Welt treffen, um den Jahrgang zu begutachten, werden sie auf viele schlanke, zum schnellen, unkomplizierten Genuss tendierende Rote, aber auch auf zahlreiche magere Weine mit grünem Tannin stoßen. Robert Parker, der amerikanische Weinkritiker, hat seine Anhänger bereits via Twitter wissen lassen, dass er an diesem Jahrgang „absolut kein Interesse“ habe.
Rechtes Ufer hat die Nase vorn
Laut Experten hängt die Frage, wie gut ein Wein in 2011 gelungen ist, vor allem von der Beschaffenheit der Böden ab. „Man brauchte gute Böden und ein bisschen Glück, um ordentliche Weine zu erzeugen“, sagt Stéphane Derononcourt. Die besten Böden besitzen die großen klassifizierten Châteaux, insbesondere die Premiers. Sie werden auch in 2011 nach Meinung Derononcourts mit dichten, konzentrierten Weinen aufwarten, die über dem Niveau von 2004 und 2008 liegen. Am ehesten werden sie mit 2001 vergleichbar sein. Für ihn haben die Weine vom Rechten Ufer (Pomerol und St. Emilion mit Satelliten) diesmal die Nase vorn: „Die dortigen Böden sind kühler und haben einen höheren Lehmanteil, der eine gute Drainage ermöglicht.“
Den Jahrgang abzuschreiben, ist allerdings genauso falsch wie ihn schön zu reden. Wer auf Nummer Sicher gehen will, kommt allerdings nicht umhin ihn zu probieren. Nie gab es größere Unterschiede zwischen den Appellationen, ja sogar innerhalb der Appellationen wie in 2011. Die Preise werden zwar deutlich sinken. Aber ob ein 20prozentiger Abschlag gegenüber den 2010ern ausreichen wird, um die Kauflust der Konsumenten zu wecken, ist fraglich. Euro- und Weltwirtschaftskrise laden nicht ein, um im Luxus zu schwelgen.
Weißweine und Sauternes sind ein sicherer Kauf
Die 2011er Weißweine sind nach den ersten Kommentaren jedoch ein sicherer Kauf. Sie haben von der frühen Lese profitiert. Diese begann am 17. August und war Anfang September bereits abgeschlossen – zumindest für die trockenen Weißweine. Denis Dubourdieu, Weingutsbesitzer (Château Doisy-Dane u.a.) und Professor an der Universität Bordeaux, spricht von „überraschend gut gelungenen trockenen Weißweinen“. Überraschend, weil so früh wie zuletzt in 2003 gelesen wurde, jenem Hitzejahr, bei dem die Säure buchstäblich veratmet wurde mit dem Resultat, dass die meisten Weißweine flach und flau ausfielen.
„Ganz anders 2011“, erklärt Dubourdieu. „Das viel zu warme Frühjahr hat das Wachstum beschleunigt, der durchwachsene Sommer dafür gesorgt, dass die Säure erhalten bleibt. Die Weißweinmoste wiesen zwar etwas geringere Mostgewichte, aber eine höhere Säure und niedrigere ph-Werte als in 2010 und 2009 auf. Das galt sowohl für Sauvignon blanc wie für die Sémillon. Das Resultat sind vibrierende Weine mit gut integrierter Säure und klarer Aromatik.“
Großer Jahrgang für Sauternes
Noch besser sind die edelsüßen Sauternes und Barsacs gelungen. Dabei sah es zunächst gar nicht nach einem guten Jahrgang aus. Der feuchte August hat zwar die Schimmelbildung gefördert, aber leider die des Grauschimmels, der sich als Nassfäule manifestiert. Ende August mussten deshalb die befallenen Trauben von Hand ausgelesen werden, damit die gesunden Trauben ohne Risiko weiter reifen konnten.
Anfang September kamen dann ein paar Regenfälle. Sie hatten zur Folge, dass erste Morgennebel auftraten, die eine Welle von Edelschimmel auslösten. In den folgenden drei Wochen blieb das Wetter trocken und warm, sodass die Konzentration des Saftes in den Beeren rasch zunahm. Nur zwei Lesegänge waren nötig, um das edelfaule Lesegut zwischen 5. und 28. September einzubringen. „Ein derart heftiger Ausbruch der Botrytis Cinerea ist selten“, stellt Dubourdieu fest. „In den 40 Jahren, in denen ich in Bordeaux bin, habe ich nur 2009 eine ähnlich massive Edelfäule-Welle gesehen.“
Sein Urteil: „Die 2011er Sauternes und Barsacs sind groß.“