Ab Freitag, den 1. Dezember, bietet der Discounter netto in seinem Onlineshop ein Grosses Gewächs vom Riesling für 9,99 Euro an. Es handelt sich um den 2016er Honigberg von der Administration Prinz von Preussen aus dem Rheingau. Noch nie wurde ein Grosses Gewächs zu einem Preis unter 10 Euro angeboten. „Wir machen die gehobene Riesling-Kultur für ein breites Publikum erschwinglich“, läßt das Unternehmen aus dem oberpfälzischen Maxhütte-Haidhof vollmundig verlauten. Und: „Netto demokratisiert das Große Gewächs.“
Ein Discounter-Coup? Mitnichten. Es handelt sich hier um eine böse Irreführung des Verbrauchers, der ein Grosses Gewächs im Sinne des Verbandes Deutscher Prädikatweinguter (VDP) erwartet: also einen Spitzen-Riesling aus einer herausragenden Lage des Rheingau. Doch hinter dem klangvollen Namen dieses Weins verbirgt sich eine relativ einfacher trockener Riesling, eine Spätlese im (gefühlt) unteren Bereich, handwerklich korrekt, reintönig, sauber, aber ohne jegliche Terroirnote. Woher sollte diese auch kommen? Der Erbacher Honigberg ist eine Großlage, keine Grosse Lage – also das juste Gegenteil dessen, was der Rheingauer Weinbauverband beziehungsweise der VDP mit ihrer Klassifizierung anstreben.
Bei genauerem Hinsehen fallen dem Experten schon beim Studium des Etiketts zwei Dinge auf. Erstens: Es gibt es kein Weingut namens Administration Prinz von Preussen, sondern nur einen Abfüller dieses Namens. Es handelt sich bei dem Wein also um eine reine Handelsmarke. Die echten Prinzen von Preussen besaßen einst das Schloß Reinhartshausen in Erbach, hatten es aber 1987 an den Unternehmer Willi Leibrandt verkauft (Rewe, Goldpfeil). Nach dessen Tod ging es an ein Investorenkonsortium, das seinerseits Schloß und Weingut trennte und letzteres 2013 an die pfälzische Familie Lergenmüller weiterreichte. Die Lergenmüller sind Deutschlands größter privater Weingutsbesitzer. Hinter dem klangvollen Namen „Administration Prinz von Preussen“ stehen in Wirklichkeit hemdsärmelige Pfälzer Weinunternehmer, die sowohl das ehemalige Weingut der Prinzen von Preussen als auch die Marke „Administration Prinz von Preussen“ besitzen.
Zweitens: Weder Schloß Reinhartshausen noch die Administration Prinz von Preussen sind Mitglied im VDP – jenem Verband, der das Grosse Gewächs geschaffen hat und nach strengen Richtlinien verwaltet. Die Bezeichnung „VDP Grosses Gewächs“ ist rechtlich geschützt. Sie darf also von der Administration Prinz von Preussen für ihren Wein nicht verwendet werden. Rechtlich zulässig wäre hingegen die Bezeichnung „Administration Prinz von Preussen. Grosses Gewächs“. Aber auch die fehlt auf dem Etikett. Die Bezeichnung „Grosses Gewächs“ allein, also ohne Bezug auf Verband oder Weingut, ist nicht erlaubt. Die Benennung als „Grosses Gewächs“ wäre in diesem Fall nämlich an keinerlei Qualitätskriterien und Qualitätskontrollen gekoppelt – von der fehlenden Eignung der Lage Honigberg für ein Grosses Gewächs mal ganz abgesehen. Also eine völlig beliebige private Klassifizierung.
Zum Preis: Bei der Genossenschaft Winzer von Erbach kostet die trockene Spätlese 7,80 Euro – und die kommt zwar nicht von einer Grossen Lage, aber von einer echten „Ersten Lage“: der Erbacher Michelmark.