Klingt komisch: Aber an der Nahe sind die Weine des Jahrgangs 2014 besser als der Jahrgang selbst. Der war nämlich höchst problematisch. Zu wenig Regen im Frühjahr, zu viel Regen im Juli und August, dazu subtropische Temperaturen. Pilzkrankheiten breiteten sich rasend schnell aus. Immer wieder mussten die Rebstöcke von befallenen Trauben gesäubert werden. Doch wer die Arbeit nicht scheute, erntete am Ende reife, gesunde Trauben. Fazit: Nicht die Natur hat den Jahrgang gerettet, sondern jene Winzer, die an ihn glaubten. Kein Jahrhundert-Jahrgang also, dieser 2014er, aber einer, der neben Tiefen auch viele Höhen aufweist.
Schäfer-Fröhlich mit eindrucksvoller Kollektion
Ein Winzer war es, dessen Weine fast alle Kritiker zu Superlativen hinriss: Tim Fröhlich. Die GG, die er in 2014 abgeliefert hat, sind wahrlich eindrucksvoll. Vor allem: Eine so homogene Kollektion hat Tim Fröhlich noch nie vorgelegt. Irritiert stellte mancher Kritiker fest, dass sich alle Weine seiner Großen Lagen auf nahezu gleich hohem Niveau befinden – der Diversivität der Lagen zum Trotz. Stimmt. Aber warum lange rätseln, wieso und warum das so ist. Wer seine Weine nach drei oder fünf Jahren trinkt, wird leicht zwischen Felsenberg und Felseneck unterscheiden können.
Donnernde Säure, brutale Mineralität
Das GG vom Stromberg, das ich wegen seiner extremen Mineralität schon im letzten Jahr besonders schätzte, ist jetzt schon deutlich unterscheidbar von den anderen GG – und nach meiner Meinung schlicht genial. Allerdings hat Fröhlich seinen eigenen Stil, und der ist nicht Jedermanns Sache. Die Gärnoten, die alle seine Weine im Bouquet zeigen, sind zum Beispiel gewöhnungsbedürftig.
Auch Dönnhoffs Palette überzeugt in seiner ganzen Breite. Mal sehen, wie der Gault Millau dessen Kollektion dieses Jahr bewertet. Er hatte Dönnhoff in seiner letzten Ausgabe vom 5-Trauben- zum 4-Trauben-Betrieb herabgestuft. Emrich-Schönleber hat in 2014 eher schlanke GG im Angebot, aber von einer mitreißenden Mineralität. Auch Peter Crusius hat gute Weine gemacht. Sie haben allerdings etwas Gefälliges an sich – wie auch in den Vorjahren schon. Vielleicht will Crusius seinen Kunden nicht die donnernden Säuren und die teilweise brutale Mineralität zumuten, die viele Weine der Grossen Lagen mitbringen.
Diel glänzt diesmal ganz hell
Auffällig ist auch, dass die untere Nahe in 2014 Weine vorgelegt hat, wie man sie von diesem Teil des Anbaugebiets nicht immer gewohnt ist. Joh. Baptist Schäfer, Krüger-Rumpf, Prinz Salm – sie alle glänzen, freilich mit einer Stilistik, die hohe Anforderungen an die Weintrinker stellt. Carolin Diels Trilogie vom Burgberg, vom Goldloch, vom Pittermännchen ist wiederum so begeisternd, dass selbst die notorischen Diel-Skeptiker verbal applaudierten (das vierte GG vom Schloßberg konnte ich nicht verkosten).
Schade nur, dass Gut Hermannsberg bei der Wiesbadener Vorpremiere nicht vertreten war. Seine Weine hatten sich in den letzten Jahren angeschickt, ganz oben mitspielen zu wollen.
Große Gewächse Nahe 2014
Region | Ort | Weingut | Beschreibung | Punkte |
---|---|---|---|---|
Bockenau | Stromberg | Schäfer-Fröhlich | Der mineralischste aller SF-Weine, sonst eher schlank, diesmal erstaunlich kräftig mit viel Gneis, Porphyr und Feuerstein in der Nase, pikante, aber reife Säure, viel Schmelz, genial. | 95 |
Niederhausen | Hermannshöhle | Dönnhoff | Äußerst vielschichtiger, aber in sich völlig stimmiger Wein, erkennbar eine Klasse für sich. | 94 |
Bockenau | Felseneck | Schäfer-Fröhlich | Bouquet gewöhnungsbedürftig (wie bei allen SF-Weinen), am Gaumen aber wie aus einem Guss: exzentrischer, gewagter, am Ende gelungener Wein,fast wie von einem anderen Stern. | 94 |
Monzingen | Halenberg | Emrich-Schönleber | Gravitätisch ernster Wein, in sich gekehrt, karg, von seiner Mineralität und seinem Extrakt lebend: nichts für Leckertrinker. | 94 |
Dorsheim | Goldloch | Schlossgut Diel | Saftig-kräftig mit feinen Gelbfrucht-Aromen auf der einen, kantig- mineralischen Noten auf der anderen Seite, dazu eine pikante, kristalline Säure: Einige sagen, es sei das beste Goldloch ever, kann ich nicht beurteilen. Aber ein sehr gelungener, ja großer Riesling ist er auf jeden Fall. | 93 |
Schloßböckelheim | Felsenberg | Schäfer-Fröhlich | Wie der Lagenname suggeriert: flüssiger Granit. | 93 |
Monzingen | Halenberg | Schäfer-Fröhlich | Die etwas nahbarere Variante des Halenbergs: weniger ernst, dafür spielerischer, fast ein wenig charmant: ein von feiner Mineralität durchzogener Wein, der seine ganze Klasse erst im nächsten Jahrzehnt demonstrieren wird. | 93 |
Dorsheim | Pittermännchen | Schlossgut Diel | Filigraner, aber straffer Wein mit zarten Pfirsich-, Mango- und Schiefernoten und gut eingebetteter Säure: sehr fein. | 92 |
Dorsheim | Pittermännchen | Joh. Bapt. Schäfer | Schlank, rassig, hochmineralisch mit pikanter Säure: der beste JBS seit Langem. | 92 |
Norheim | Dellchen | Dönnhoff | In 2014 vor Säure strotzend, gleichzeitig aber auch viel Frucht und Würze: Grapefruit, Pfirsich, Teeblüten, irre Länge – das spannenste Dellchen seit Langem. | 92 |
Schloßböckelheim | Kupfergrube | Schäfer-Fröhlich | Eleganter Wein mit vielen spielerischen Elementen, in sich gut abgestimmt, balanciert, durchaus faszinierend: sichere Bank. | 92 |
Schloßböckelheim | Felsenberg | Dönnhoff | Schlank, arabeskenlos mit zarter Frucht und klarer, sauberer Mineralik, die diesen Wein – trotz gewagt hoher Säure – sicher trägt: phantastisch. | 92 |
Monzingen | Frühlingsplätzchen | Emrich-Schönleber | Extrem dichter, noch völlig unaufgeschlossener Wein, salzig, trocken, kaum Frucht, dabei geschmeidig und schlank. | 92 |
Monzingen | Frühlingsplätzchen | Schäfer-Fröhlich | Packend, bissig mit kristalliner Säure, die in schmelzige Frucht eingebettet ist und im Mund schmilzt wie Schokolade in der Sonne. | 92 |
Münster-Sarmsheim | Im Pitterberg | Kruger-Rumpf | Viel Zitrus und grüner Apfel, wenig Gelbfrucht, dazu eine pikante, alles beherrschende Säure: Bester Freund wird man mit diesem Riesling nicht so schnell – trotzdem: der beste Krüger-Rumpf aller Zeiten. | 91 |
Wallhausen | Johannisberg | Prinz Salm | Sehr trocken, aber mit gut abgepufferter Säure und feiner Hintergrundmineralität: sowohl grüner Apfel wie gelber Pfirsich, dazu nasser Lehm und Kräuterwürze: anspruchsvoll, aber muss sich noch finden. | 91 |
Dorsheim | Burgberg | Schlossgut Diel | In der Vergangenheit oft das beste aller Diel’schen GG, diesmal hat das Goldloch die Nase vorn: trotzdem ein großer Wein, etwas breiter angelegt und eher saftig als mineralisch. | 91 |
Münster-Sarmsheim | Dautenpflänzer | Kruger-Rumpf | Stürmisch, wild mit viel ungepufferter Säure, noch etwas ungeordnet und, weil bis zum Anschlag trocken, schwierig zu beurteilen: auf jeden Fall ein anspruchsvoller Wein, auch wenn derzeit nicht leicht verständlich. | 90 |
Wallhausen | Felseneck | Prinz Salm | Kompromisslos trockener Wein mit viel Granny Smith und nassem Schiefer sowie einer kristallinen Säure, die den ganzen Wein durchzieht: besonderer, nicht alltäglicher Wein. | 90 |
Dorsheim | Goldloch | Joh. Bapt. Schäfer | Nicht ganz so bezwingend wie der Diel’sche Wein aus dieser Lage, dennoch ein sehr gutes GG. | 90 |
Traisen | Bastei | Dr. Crusius | Sehr nachhaltiger Wein mit bissiger Säure, leichten Phenolnoten und einer kleinen, abrundenden Restsüße. | 89 |
Schloßböckelheim | Felsenberg | Dr. Crusius | Gut gemachter, substantieller Wein mit Tiefgang und vielen Facetten, der den Konsumenten nicht überfordert. | 89 |