Große Gewächse 2017: Saar noch besser als die Mosel

GG Vorprämiere Wiesbaden 2017
Anfang September kommen die Großen Gewächse 2017 in den Verkauf. Jens Priewe hat sie auf der „Vorpremiere“ in Wiesbaden schon ein paar Tage früher verkosten können.

Die Mosel ist uraltes Ries­ling­land, aber nicht unbe­dingt das Stamm­land tro­cke­ner Wei­ne. Des­halb frem­delt die Mosel immer mit den Gro­ßen Gewäch­sen (GG). Gemes­sen an der Viel­zahl der Gro­ßen Lagen, die es an der Mosel gibt,  ist die Zahl der Wei­ne, die als Gro­ße Gewäch­se – also als tro­cken schme­cken­de Wei­ne – auf den Markt kom­men, sehr überschaubar.

Und vie­le die­ser Gro­ßen Gewäch­se haben eine mehr oder min­der schmeck­ba­re Rest­sü­ße (gesetz­lich bis 9 Gramm/Liter erlaubt, wenn der Wein auf dem Eti­kett als tro­cken dekla­riert wird; das gilt auch für die GG).

Schlimm ist das nicht, im Gegen­teil. Man­che die­ser Wei­ne schme­cken tro­cke­ner als ana­ly­tisch tro­cke­ne, aber alko­hol­rei­che­re Wei­ne, etwa aus der Pfalz, die ent­spre­chend mehr Extrakt­sü­ße besit­zen und deren pH-Werte ent­spre­chend nied­ri­ger lie­gen (doch der pH-Wert ist – anders als im Aus­land – in Deutsch­land kein gän­gi­ges Kri­te­ri­um: vie­le Win­zer und Kri­ti­ker wis­sen gar nicht, was er bedeutet).

2017 – ohne Zweifel ein ganz großer Jahrgang

Vie­le Stim­men, die direkt nach der Vor­pre­mie­re zu ver­neh­men waren, spra­chen von 2017 als einem gro­ßen Mosel-Jahrgang.

Mein Ein­druck ist ein ande­rer: 2017 ist ein gro­ßer Saar-Jahrgang.

Die GG von der Saar sind durch­schnitt­lich beein­dru­cken­der als die GG von der Mosel. Und ich bin nicht sicher, ob das allein dar­an liegt, dass die Saar kli­ma­tisch begüns­tigt war. Viel­leicht spielt auch eine Rol­le, dass die dor­ti­gen VDP-Weingüter auf­wen­di­ger arbei­ten, weni­ger dem Zufall über­las­sen und – par­don – die Mess­lat­te ein­fach etwas höher legen.

Natür­lich, es gibt in 2017 auch an der Mit­tel­mo­sel fan­tas­ti­sche GG. Aber an Dra­ma­tik kom­men sie sel­ten an die Spit­zen der Saar heran.

Atemberaubende Weine von der Saar

Von von Othe­gra­ven habe ich noch nie einen bes­se­ren Alten­berg getrun­ken als in 2017 (94 Punk­te). Obwohl ziem­lich tro­cken, bril­liert er mit rei­fer Bee­re und herz­haf­ter Säu­re. Auch der Bock­stein die­ses Gutes ist so gut wie nie (93).

Nik Weis’ Bock­stein (Sankt Urbans­hof) ist eben­falls ein per­fekt struk­tu­rier­ter Wein mit einer ori­gi­nel­len, leicht zim­t­i­gen Süße (94). Das über­ra­gen­de GG des Sankt Urbans­hofs kommt jedoch vom Saar­feil­ser Mari­en­berg, des­sen Aro­ma­bo­gen von kan­dier­ter Oran­gen­scha­le bis zu gerös­te­ten Zwetsch­gen reicht: ein gran­dio­ser Ter­ro­ir­wein (95)!

Eben­so begeis­ternd die Ayler Kupp aus dem Wein­gut Dr. Fischer, wo Nik Weis zusam­men mit dem Süd­ti­ro­ler Mar­tin Fora­do­ri (Wein­gut Hof­stät­ter) arbei­tet. Auch die­ser Wein ergänzt die schief­ri­gen Noten durch eine fast ori­en­ta­lisch anmu­ten­de Wür­ze – sehr spe­zi­ell, aber unver­schämt gut (94).

Zil­li­kens Saar­bur­ger Rausch ist nie ein extre­mer Wein und den­noch immer spek­ta­ku­lär: fili­gra­ne Frucht und kris­tal­li­ne Säu­re mit sub­li­mer Frucht­sü­ße (94).

Her­aus­ra­gend die drei GG von Peter Lau­er: die Kupp mit gesto­chen kla­rer Frucht, schmelzig-weicher Tex­tur und cre­mi­ger Wür­ze (94), der Schon­fels mit einer exo­tisch anmu­ten­den Wür­ze (93), der Feils hoch­mi­ne­ra­lisch mit einer Säu­re, die den Wein wie ein Laser­strahl durch­bohrt (93).

Van Volxem schießt den Vogel ab

Den Vogel aber schießt in 2017 van Vol­xem ab. Schon in den letz­ten Jah­ren hat­te man den Ein­druck, dass sich Roman Nie­wod­nic­zan­ki von Jahr zu Jahr stei­gert. Aber so genia­le Ries­lin­ge wie in 2017 habe ich von ihm noch nie getrun­ken. Nie­wod­nicz­an­ski ten­diert bekannt­lich dazu, sei­ne GG tro­cken aus­zu­bau­en. Um zu ver­hin­dern, dass sie herb und bit­ter schme­cken, geht er stär­ker in die Reife.

Schon sein ein­fachs­tes GG vom Gold­berg aus Wawern ist eine Offen­ba­rung: Rei­fen­o­ten vom Stein­obst gepaart mit Kräu­ter­wür­ze und leich­ter Phe­n­o­lik – ein Klas­se­wein (94). Der Volz aus Wil­tin­gen ist etwas brei­ter ange­legt und zeigt beträcht­li­che mine­ra­li­sche Fines­se (94). Das GG vom Scharz­hof­berg ist geschmei­di­ger, aber mit einem Spek­trum, das von sal­zi­ger Aus­tern­scha­le bis zu rosa Grape­fruit reicht (93).

Weine mit großem Atem

Der ers­te ganz gro­ße Höhe­punkt sei­ner Kol­lek­ti­on ist der Got­tes­fuß: fein­strah­lig, hoch­mi­ne­ra­lisch, bei aller Kom­ple­xi­tät spie­le­risch leicht und doch von atem­be­rau­ben­der Spann­wei­te. In der Nase sich spie­gelt sich nicht nur der übli­che wei­ße Pfir­sich wider, son­dern bereits ein Hauch Exo­tik, dunk­lem Tee, Lakrit­ze, Cur­ry (96).

Das i-Tüpfelchen auf den GG ist der Per­gents­k­nopp, eine klei­ne, his­to­ri­sche Par­zel­le im Scharz­hof­berg mit alten Reben (der bes­se­ren Aus­sprech­bar­keit hal­ber hat Nie­wod­nicz­an­ski ihn ein­fach Scharz­hof­ber­ger P genannt): ein dra­ma­ti­scher Wein mit gro­ßem Atem, feins­ter Faser, zar­tes­ter Frucht, küh­ler Mine­ra­lik, der trotz sei­ner Fül­le kein Gramm Fett auf­weist (98). Noch nie habe ich einen tro­cke­nen Mosel­wein so hoch bepunktet.

Auch an der Mittelmosel ist 2017 ein sehr guter Jahrgang

So über­ra­gend die Saar GG sein mögen – ein sehr guter Jahr­gang ist 2017 trotz­dem auch an der Mit­tel­mo­sel. Dort ragt für mich das GG vom Nie­der­berg Hel­den von Schloss Lie­ser her­aus – übri­gens nicht zum ers­ten Mal. Ein gigan­ti­scher Wein von kalei­do­skop­ar­ti­ger Fül­le, fei­nen Tee­blü­ten und teil­wei­se dun­kel­beer­i­gen Noten (96).

Welt­klas­se auch das Graa­cher Him­mel­reich von Schloss Lie­ser, das mich von allen GG aus die­ser Lage dies­mal am meis­ten beein­druckt hat. Auch wenn es abge­dro­schen klingt: Soviel Schie­fer habe ich in kei­nem ande­ren Wein von der Mosel gefun­den. Viel­leicht liegt es dar­an, dass Tho­mas Haags Wei­ne immer rela­tiv tro­cken sind. Ich mag die­sen Stil, auch wenn ich für ande­re Wein­trin­ker Ver­ständ­nis habe, die das Spiel zwi­schen Süße und Säu­re lie­ben und des­halb mehr zu Bru­der Oli­vers Brau­ne­ber­ger Juf­fer (92) oder der Juf­fer Son­nen­uhr (94) ten­die­ren. Bei­de Wei­ne ver­sprü­hen einen enor­men Charme.

Toll auch die GG vom Abts­berg (93) und vom Her­ren­berg (93) von Maxi­min Grün­häu­ser, die bei­de leicht­fü­ßig, fast ver­spielt daher­kom­men, gleich­zei­tig aber mine­ra­lisch straff gewirkt sind.

Das Wein­gut Rein­hold Haart ist eher für sei­ne frucht­sü­ßen Ries­lin­ge berühmt. Doch Theo Haart und Sohn Johan­nes haben in 2017 auch zwei bemer­kens­wer­te GG der tro­cke­nen Geschmacks­rich­tung auf die Fla­sche gebracht: der straf­fe, pikan­te Ohligs­berg aus Wintrich (92) und das rei­che, ras­si­ge Gold­tröpf­chen aus Pie­sport (92).

Dr. Loosen mit sieben Großen Gewächsen

Das Wein­gut Dr. Loo­sen prä­sen­tier­te sich auf der Vor­pre­mie­re gleich mit sie­ben GG. Bei aller Unter­schied­lich­keit der Ter­ro­irs eint die Wei­ne der unver­wech­sel­ba­re Loosen-Stil, der sich wie ein roter Faden durch das Sor­ti­ment die­ser Top­wei­ne zieht und sie unver­wech­sel­bar macht: glo­cken­rei­ne Frucht, cre­mi­ge Mine­ra­lik und vibrie­ren­de Säu­re auf der einen Sei­te. Auf der ande­ren Sei­te sind die Wei­ne unauf­ge­regt, weni­ger ner­vös, ruhen in sich. Für mich hat­te dies­mal der Graa­cher Dom­probst mit sei­ner kraft­vol­len Ele­ganz die Nase vorn (94).

Kaum weni­ger gut das ein­drucks­vol­le Him­mel­reich (93) aus Graach und der Ürzi­ger Würz­gar­ten (93). Das Erde­ner Trepp­chen (92) und das Bern­kas­te­ler Johan­nis­brünn­chen (92) sind etwas zurück­hal­ten­der und weni­ger ner­vös, wäh­rend die Weh­le­ner Son­nen­uhr vor Charme nur so sprüht (93).

Qua­si außer Kon­kur­renz lief das GG vom 2014er Erde­ner Prä­lat, das erst jetzt frei­ge­ge­ben wird und mit hoher Rei­fe, immenser Fül­le und beein­dru­cken­der Struk­tur prunkt (94).

Wegeler, Grans-Fassian, S. A. Prüm und Karthäuserhof nicht ganz auf hohen Niveau

Nicht ganz an die­ses hohe Niveau her­an rei­chen die GG von Grans-Fassian. Sowohl der Dhro­ner Hof­berg als auch die Trit­ten­hei­mer Apo­the­ke und die Lei­we­ner Lau­ren­ti­us­lay sind zwar ohne Fehl und Tadel, aber durch Rest­sü­ße abge­run­det – um nicht zu sagen: ent­schärft (alle drei 90).

Eben­falls etwas bra­ver sind die bei­den GG vom Wein­gut Geheim­rat J. Wege­ler, das mit sei­ner Weh­le­ner Son­nen­uhr (90) und dem Bern­kas­te­ler Doc­tor (91) ver­tre­ten war.

Die Weh­le­ner Son­nen­uhr (89) von S. A. Prüm ist zwar ziem­lich tro­cken, weist aber deut­li­che Unwuch­ten auf. Leicht ent­täuscht hat mich der Kart­häu­ser­hof mit einem ver­gleichs­wei­se behä­bi­gen GG (89).

Cle­mens Busch, Reichs­graf von Kes­sel­statt, die Ver­ei­nig­ten Hos­pi­zi­en, Wwe Dr. Tha­nisch und Wil­li Schä­fer hat­ten nicht bei der Vor­pre­mie­re angestellt.

Begeisternde Rieslinge von der Terrassenmose

Bleibt die Ter­ras­sen­mo­sel zwi­schen Pün­de­rich und Koblenz, wo die Ries­lin­ge immer kör­per­rei­cher und exo­ti­scher aus­fal­len als an der Mit­tel­mo­sel. Das beein­dru­ckends­te GG lie­fern in dort Bea­te und Mat­thi­as Kne­bel aus Win­nin­gen. Ihr Uhlen ist ver­schwen­de­risch voll, cre­mig, dabei hoch­gra­dig nuan­cen­reich mit Frucht­no­ten, die von Limet­te bis Man­go rei­chen, sowie einer aus­ge­prägt sal­zi­gen Mine­ra­lik, wel­che von einer klei­nen Rest­sü­ße beglei­tet wird (95).

Kne­bels zwei­tes GG, der Rött­gen, ist durch­ge­go­re­ner, erreicht nicht ganz die Klas­se des Uhlen (93). Auch Heymann-Löwenstein hat eine gran­dio­se Palet­te von GG geern­tet, wobei der Rött­gen mit sei­ner gera­de­zu baro­cken Fül­le, der pikan­ten Säu­re der packen­de­re Wein im Ver­gleich zu dem der Kne­bels ist.

Rein­hard Löwen­steins erha­bens­ter aber ist der Uhlen-Blaufüsser Lay mit rie­si­gem Span­nungs­bo­gen zwi­schen Säu­re und tro­pi­scher Frucht (94), wäh­rend der Uhlen-Laubach die ganz gro­ße Span­nung ver­mis­sen lässt. Trotz­dem: All die­se Wei­ne sind Kunst­wer­ke: ein­zig­ar­tig, rar, ohne Ver­gleich in der Welt. Wer Heymann-Löwensteins ein­fa­che GG von Kirch­berg (91) und vom Stol­zen­berg (92) mit die­sen Extrem­wei­nen ver­gleicht, wird viel­leicht ent­täuscht sein. Doch das wäre ein unfai­rer Wett­be­werb. Auch die­se Ries­lin­ge sind so atem­be­rau­bend sind wie die luf­ti­gen Ter­ras­sen hoch über der Mosel. Aus eige­ner Erfah­rung kann ich sagen: Statt in 15 Jah­ren wer­den sie in bereits in zehn Jah­ren extrem hohen Genuss bieten.

2 Kommentare

  • Dan­ke für den tol­len Bericht! Das wäre ja auch ein Job für mich, früh­zei­tig die top Wei­ne zu ver­kos­ten, aber wem, der ger­ne Wein trinkt, wür­de das nicht gefal­len. Ich bin ja auf jeden Fall gespannt, wie ich sie selbst dann fin­de. Freue mich aufs Trinken!

  • Dan­ke für Ihren groß­ar­ti­gen Bericht zu den GG 2017.

    Roman Nie­wo­nidcz­an­ski hat den Per­gents­k­nopp nicht der Ein­fach­heit hal­ber P genannt. Anfang der 70er Jah­re wur­de ihm vom Ver­band die Namens­nut­zung einer Lage inner­halb einer Lage unter­sagt (mei­ne alten Vol­xem ab 2002 ff
    hat­ten noch die aus­ge­schrie­be­ne Lage auf dem Eti­kett). So hat sich Roman sei­ner­zeit (schwe­ren Her­zens im Kampf mit sol­cher “wich­ti­gen” Büro­kra­tie) zum P entschlossen.

    Herz­li­che Grüße

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