Große Gewächse: 2015er Riesling top, 2014er Spätburgunder Vorsicht

Anne Krebiehl MW hat die Großen Gewächse vom 2015er Riesling probiert und ist begeistert: ein Gaumenfeuerwerk. Anders beim 2014er Spätburgunder. Da klaffen Wunschdenken und Realität weit auseinander.

Gespannt war ich schon auf die neu­en Jahr­gän­ge: Wür­den die 2015er Ries­lin­ge genü­gend Spann­kraft und Fri­sche haben? Wür­den sich die 2014er Rot­wei­ne trotz des schwie­ri­gen Jahr­gangs behaup­ten? Ein­deu­tig wur­den mei­ne Fra­gen nicht beant­wor­tet, aber das Fazit ist: 2015er Ries­ling kann sich sehen las­sen. Er bie­tet mit­un­ter sogar ein knis­tern­des Gau­men­feu­er­werk. Bei den 2014er Rot­wei­nen hin­ge­gen konn­te nur eine Hand­voll von Per­fek­tio­nis­ten überzeugen.

Vorpremiere in Wiesbaden

In die­sem Jahr stan­den den Ver­kos­tern der „Vor­pre­mie­re“, wie die jähr­lich Ende August in Wies­ba­den statt­fin­den­de Pre­mie­re der Gro­ßen Gewäch­se heißt, zum ers­ten Mal nicht nur zwei, son­dern zwei­ein­halb Tage zur Ver­fü­gung. Den­noch war es schwie­rig , die­ser Anzahl von Wei­nen – stol­zen 440 Gro­ßen Gewäch­sen, dar­un­ter 272 Ries­lin­ge, 20 Sil­va­ner, 51 Weiß- und Grau­bur­gun­der und Char­don­nays, 15 Lem­ber­ger, 81 Spät- und Früh­bur­gun­der und ein ein­sa­mer Tra­mi­ner – gerecht zu werden.

Mein Inter­es­se galt dabei beson­ders dem Spät­bur­gun­der, Lem­ber­ger und natür­lich dem deut­schen Ries­ling, der sich hier in all sei­ner regio­na­len und sti­lis­ti­schen Viel­falt prä­sen­tiert. Ich habe bei wei­tem nicht alles pro­biert, mir und den Wei­nen lie­ber etwas mehr Zeit gelassen.

2015er schon ungemein offen

Das Gros 2015er Ries­lin­ge ist ver­füh­re­risch und die meis­ten sind schon unge­mein offen. Das will nicht hei­ßen, dass es unter ihnen kei­ne Lang­stre­cken­läu­fer gibt. Es ist eine Art kind­li­che Flirt­pha­se, die dann nach der fol­gen­den Pha­se jugend­li­cher Schüch­tern­heit letzt­end­lich zur vol­len Ent­fal­tung kommt. Das Rei­fe­po­ten­zi­al von Ries­ling wird so oft unter­schätzt. Bei die­ser Qua­li­tät habe ich kei­ner­lei Beden­ken, wenn die Wei­ne kor­rekt gela­gert wer­den. Man muss eben nur wis­sen, ob einem ter­tiä­re Aro­men zusa­gen oder nicht.

Präzise, aufregend, elegant

Eini­ge weni­ge Wei­ne ver­ste­cken sich noch hin­ter ange­neh­men, viel­ver­spre­chen­den Reduk­ti­va­ro­men, sind aber als Voll­blü­ter klar zu erken­nen. In mei­nen Noti­zen, vor allem an Mosel, Saar, Ruwer, tau­chen Attri­bu­te wie prä­zi­se, auf­re­gend, ele­gant und kris­tal­lin mehr­fach auf. Zu mei­nen Favo­ri­ten zäh­len Cle­mens Busch, Rein­hold Haart, Peter Lau­er, von Kes­sel­statt, Maxi­min Grün­haus, von Othe­gra­ven und St Urbans-Hof. Am Mit­tel­rhein hat mich Mar­tin Mül­ler beeindruckt.

Große Gewächse: 2015er Riesling top
Gro­ße Gewäch­se: 2015er Ries­ling top

Im Rhein­gau ging es baro­cker zu, nicht über­bor­dend, aber schon gehalt­voll und trotz­dem klar und sau­ber. Ich war von den span­nungs­ge­la­de­nen Ries­lin­gen von Hans Lang und Josef Spreit­zer sehr ange­tan – sie befan­den sich im idea­len Direkt­ver­gleich vier ver­schie­de­ner Ries­lin­ge vom Hat­ten­hei­mer Wis­sel­brun­nen. Ansons­ten gefie­len Weil, Johan­nis­hof und Wegeler.

Nahe und Rheinhessen mit begeisternden Weinen

Die Nahe bil­de­te den größ­ten sti­lis­ti­schen Kon­trast dazu: sehr ele­gan­te, ja packen­de Wei­ne von einer wun­der­ba­ren Küh­le: Dön­hoffs Schloss­bö­ckel­hei­mer Fel­sen­berg “Fel­sen­türm­chen” ist mus­ter­gül­tig für die Tie­fe, Ele­ganz und Span­nung des tro­cke­nen, deut­schen Ries­lings. In Rhein­hes­sen stach Kühling-Gillots Pet­ten­thal vom Roten Hang durch sei­ne auf­fal­len­de Aro­ma­tik her­vor: Rauch und Zitrus, Kräu­ter und Apfel­fri­sche – zwei­fel­los ein gro­ßer, per­sön­lich­keits­star­ker Wein.

Große Gewächse bei der Vorpremiere
Gro­ße Gewäch­se bei der Vorpremiere

Die Ries­lin­ge von den Kalkstein-Lagen – ich spre­che von Witt­mann, Gutz­ler, Kel­ler –  sind alle­samt von ent­waff­nen­der Fri­sche und Form. Die rei­fen, aber kris­tall­kla­ren Gewäch­se aus der Pfalz erin­ner­ten teil­wei­se sogar an Öster­reich: äußerst gehalt­voll, gera­de­zu prall, gleich­zei­tig aber span­nungs­ge­la­den und blitzsauber.

Stilistische Vielfalt in der Pfalz

Die dort anzu­tref­fen­de sti­lis­ti­sche Viel­falt emp­fin­de ich als eine gro­ße Berei­che­rung. Da ist die pfeil­ge­ra­de, kno­chen­tro­cke­ne Art der von Buhl’schen Ries­lin­ge, die prä­zi­se, aber sono­re Holz­no­te bei von Win­ning, die zurück­hal­tend cre­mi­ge Ele­ganz von Christ­mann. Beson­ders über­zeu­gend waren auch die Würt­tem­ber­ger Ries­lin­ge. Ell­wan­ger war mein krö­nen­der, beflü­geln­der Abschluss. Im Länd­le tut sich was.

Licht und Schatten bei den Spätburgundern

Bei den Rot­wei­nen kann ich weni­ger schwel­gen: Ein Spät­bur­gun­der hat­te einen Essig­stich und hät­te nie­mals gefüllt wer­den dür­fen. Ein oder zwei ande­re waren ganz klar zu früh gefüllt. Vie­le ande­re Spät­bur­gun­der ent­spra­chen eher Wunsch­den­ken als dem Anspruch eines Gro­ßen Gewäch­ses. Ordent­li­che, wohl­schme­cken­de Spät­bur­gun­der waren sie wohl, aber Gro­ße Gewäch­se? Dazu fehl­te es ihnen an Tie­fe und Struk­tur. Bedenk­lich, dass so vie­le Erzeu­ger gera­de jetzt, da die GG inter­na­tio­nal an Bedeu­tung gewin­nen, der­art mit­tel­mä­ßi­ge Qua­li­tä­ten als GGs abfül­len. Sie ver­un­si­chern damit Kon­su­men­ten, die gera­de dabei sind, Ver­trau­en auf­zu­bau­en in die Gro­ßen Gewächse.

Eini­ge Win­zer prä­sen­tier­ten jetzt erst ihre 2013er, 2012er und 2011er, was die Schwä­chen der 2014er noch deut­li­cher offen­leg­te. Letzt­lich war es nur eine Hand­voll Win­zer, die mit ihren 2014er Spät­bur­gun­dern über­zeug­te, ja: begeis­ter­te. Allen vor­an Fürst aus Fran­ken, Huber aus Baden sowie Aldin­ger und Schnait­mann aus Würt­tem­berg, dann gefolgt von Gutz­ler und Kel­ler aus Rhein­hes­sen sowie Stod­den von der Ahr.

Lemberger schneidet besser ab als Spätburgunder

Dass deut­sche Spät­bur­gun­der Welt­klas­se sein kön­nen, bewie­sen mit sei­nem 2013er Jahr­gang auch Fried­rich Becker, mit sei­nem 2012er Knip­ser und Reb­holz mit sei­nem 2011er GG. Im Unter­schied zum Ries­ling, der zahl­rei­che Allein­stel­lungs­merk­ma­le im inter­na­tio­na­len Ver­gleich auf­weist, muss sich Spät­bur­gun­der aus Deutsch­land einer glo­ba­len Kon­kur­renz stel­len. Das kann er grund­sätz­lich auch – nur lei­der viel zu sel­ten in 2014. Die Lem­ber­ger schnit­ten mei­ner Mei­nung nach bes­ser ab – Aldin­ger, Schnait­mann und Graf Neip­perg lie­gen hier an der Spitze.

Wer also auf Ries­ling setzt, ist 2015 gut bera­ten und muss nur sei­nen Stil und sei­ne Regi­on fin­den. Auch in die­sem war­men Jahr­gang gibt es Fri­sche, Auf­re­gung und Span­nung – sogar Gra­zi­li­tät. Bei Spät­bur­gun­der heißt es caveat emp­tor. Zu deutsch: Der Käu­fer möge sich in Acht nehmen.

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