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Große Gewächse 2014: Frankens Silvaner – Paukenschlagweine

Mit den Franken kann man gut zanken, spotten die Norddeutschen gern – aber nicht über deren Silvaner des Jahrgangs 2014. Sie sind so gut gelungen wie schon lange nicht mehr. Sie haben die traditionelle Üppigkeit, die oft nur Behäbigkeit war, abgelegt. Sind dank anderer Vinifikation schlank, sehnig, säurebetont geworden. Wo früher erdig-dumpfe Noten dominierten, findet man heute eine zarte mineralische Würze – jedenfalls bei den Weinen, die von großen Terroirs kommen. Und die Großen Gewächse, abgekürzt GG, sind per definitionem Terroirweine.

Keine alkoholischen Exzesse

Julius-Echter-Berg in Iphofen
Julius-Echter-Berg in Iphofen

Nicht alle, aber der größte Teil der fränkischen Silvaner tendiert in diese Richtung, übrigens schon seit einigen Jahren. Dabei kommt der Jahrgang 2014 dieser neuen Silvaner-Stilrichtung sehr entgegen. Denn die Trauben waren, so sie nicht zu früh, aber auch nicht zu spät geerntet wurden, vollreif, ohne übermäßig viel Zucker gebildet zu haben. Alkoholische Exzesse, wie sie teilweise 2013 und 2011 zu beobachten waren, hat es in 2014 nicht gegeben. Die GG dieses Jahrgangs liegen zwischen 12,5 und 13 Vol.% Alkohol, sind also herrlich leicht zu trinken und besitzen eine reife Säure – die besten jedenfalls. Solche Weine machen Spaß, auch wenn es ernste Weine sind, selbstverständlich. Würde ich allein nach dem Spaßfaktor gehen, entschiede ich mich für die Silvaner von Bickel-Stumpf und Horst Sauer: makellose, trinkanimierende Weine, leicht verständlich und doch anspruchsvoll.

Für ein langes Leben konzipiert

Doch Silvaner wird erst richtig interessant, wenn er gereift ist. Wenn die fruchtigen Primäraromen in den Hintergrund treten und die Mineralik durchschlägt. Ich habe in den letzten Jahren oft Gelegenheit gehabt, zehn oder 15 Jahre alte Silvaner zu trinken. Da tauchen dann Noten von nassem Kiesel, Austernschalen, Sellerie, grünem Pfeffer, Klee, Rauke und reifem, gelben Steinobst auf – Aromen, die entfernt an gereifte Grüne Veltliner erinnern (mit der Sorte ist der Silvaner ja verwandt). Und die GG sind für ein langes Leben konzipiert (das ist der Grund, weshalb das Würzburger Juliusspital seine GG des Jahrgangs 2014 beispielsweise erst nächstes Jahr freigibt). Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf ist mir egal, ob die Weine vom Bürgerspital, von Ludwig Knoll, Rainer Sauer oder von Luckert jetzt spröde, teilweise richtig abweisend sind. Ihre Stunde kommt – da bin ich mir sicher – erst später, dann aber mit einem Paukenschlag.

Traditionelle Silvaner-Liebhaber werden enttäuscht sein

Robert Haller vom BürgerspitalApropos Bürgerspital: Dessen Weine haben in den letzten Jahren wohl die größte Wandlung durchgemacht. Silvaner pur: „entfettet“ und von allem überflüssigen Ballast befreit. Ich bin gespannt, wohin die Reise dieser Weine geht. Traditionelle Silvaner-Trinker werden mit ihnen wenig anfangen können. Dafür könnten sie für Leute interessant werden, die einen fränkischen Silvaner bisher nicht anrührten, sondern eher an die Loire oder ins Burgund tendierten. Wer heute zum Beispiel die Premiers Crus und Grands Crus der führenden Weißwein-Domainen an der Côtes de Beaune trinkt, merkt schnell, dass auch dort die Zeit der fetten, alkoholreichen, getoasteten Weine vorbei ist. Weniger ist mehr, haben viele Winzer dort erkannt. Vorausgesetzt, man gibt ihren Weinen eine Chance. Heißt: Zeit.

Schade übrigens, dass viele Winzer ihre GG diesmal nicht präsentiert haben. Es fehlten Silvaner-Spezialisten wie Störrlein-Krenig, Michael Fröhlich, Johann Ruck, Zur Schwane, Fürst Löwenstein zum Beispiel.

 

2014 Silvaner Großes Gewächs


Ort Lage Weingut Beschreibung Punkte
Würzburg Stein Bürgerspital zum Hl. Geist Blanker Kalkstein in der Nase, spröde, fast herb mit leicht vegetalen Noten, im Hintergrund satte, schmelzig-warme Frucht: ein schnörkelloser, relativ schlanker Silvaner mit leicht phenolischen Noten (Maischestandzeit), hohe Säure, relativ niedriger Alkohol, spontan vergoren mit leichter (nicht schmeckbarer) Restsüße, nichts für traditionelle Silvanerliebhaber, für Puristen dagegen ein Hochgenuss (braucht allerdings noch viel Zeit). 93
Iphofen Julius-Echter-Berg Hans Wirsching Ob sich der Wechsel des Kellermeisters bemerkbar macht? Der Julius-Echter-Berg-Silvaner wirkt jedenfalls straffer als früher, ist gleichzeitig sehr saftig, vegetal-würzig mit Pfirsich, Renekloden, Sellerie, nicht fett und wuchtig, sondern komplex und zartfruchtig: schon antrinkbar, aber erfahrungsgemäß sehr langlebig 93
Stetten Stein Am Stein, Ludwig Knoll Sehr kompakter, aber nicht alkoholschwerer Wein, konzentriert mit vielen herben, vegetalen Noten und deutlich mineralischer Prägung, bis in die Fasern durchgearbeitet, aber in diesem Stadium noch schwer zu beurteilen: wahrscheinlich einer der Jahrgangsbesten. 93
Würzburg Stein-Harfe Bürgerspital zum Hl. Geist Die etwas trockenere Variante aus der Monopollage des Bürgerspitals, auch sie noch spröde und abweisend, im Inneren jedoch facettenreich und vielschichtig mit deutlich mineralischen Noten, fordert Geduld, Geduld, Geduld. 92
Rödelsee Küchenmeister “Hoheleite” Weltner Leichter und eleganter Typus mit vielen spielerischen Elementen, gleichzeitig vielschichtig, salzig und von süßem Schmelz durchzogen: toller, aber für viele gewöhnungsbedürftiger Wein, eigene Stilistik. 92
Iphofen Kronsberg Hans Wirsching Der etwas kräftigere, ausladendere Silvaner im Vergleich zum Julius-Echter-Berg, stoffig, saftig, reich mit viel reifem Apfel, aber auch vegetalen Noten und feiner Keuper-Mineralität. 92
Sulzfeld Maustal Zehnthof Luckert Stringenter, straffer Wein mit viel Muschelkalk-Mineralität, zurückhaltend fruchtig, schlank, fast karg: ein Solitär in Franken für alle, die den etwas anderen Silvaner suchen. 92
Randersacker Pfülben Schmitt’s Kinder Präzise im Duft, druckvoll am Gaumen, zartfruchtig mit feinen Pfirsich- und Sellerienoten: moderat in der Säure, extraktreich und schmelzig-weich – ein klassischer Silvaner vom Feinsten. 91
Thüngersheim Rothlauf Rudolf May Relativ milder, dafür umso körperreicherer Silvaner, sehr reife Beere, entsprechend satte, schmelzig-süße Frucht mit angedeuteten Honignoten, spontan vergoren, ganz trocken ausgebaut: sehr gelungener Wein für Körpertrinker. 91
Escherndorf Am Lumpen 1655 Horst Sauer Sehniger, aber eleganter Wein mit zarter Kräuterwürze und feiner Mangofrucht, moderat im Alkohol, schmelzig-weich am Gaumen und nachhaltig: stilistisch Mainstream – doch von der angenehmen Art. 91
Escherndorf Am Lumpen 1655 Rainer Sauer Herb, vegetabil, leicht phenolisch mit viel grünem Apfel, aber auch reifer Birne und einer kräftigen mineralischen Würze: spannender, aber reifebedürftiger Wein mit einem leichten Retro-Touch, sicher nicht Everybody’s Darling. 91
Frickenhausen Mönchshof Bickel-Stumpf Sehr reduktiver Wein der modernen Stilrichtung, nicht üppig, aber aromentief, dabei relativ leicht und sehr gradlinig, knochentrocken mit weiniger, mineralischer Säure: spontan vergoren, im Eichenfass gereift, schon gut antrinkbar. 91
Castell Schlossberg Fürstlich Castell’sches Domänenamt Etwas breiter, stark würziger Silvaner mit schöner, sauberer Frucht, nicht sonderlich feinnervig oder zartblumig, aber durchaus saftig und trinkanimierend: traditionelle Stilistik. 89
Retzstadt Langenberg “Himmelspfad” Rudolf May Stoffiger Wein mit guter Substanz, dicht gewoben, muskulös, viel Saft, aber einigen irritierenden Honig- und Naphtalinoten, die für ein GG eigentlich überflüssige Arabesken sind. 89
Würzburg Stein Staatlicher Hofkeller Würzburg Kräftiger, fast mächtiger Silvaner der traditionellen Art, viel Substanz, aber etwas grobfruchtig und ohne Schliff, dafür mit etwas “schrägem” Bittermandelton. 87
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Autor

Jens Priewe
Jens Priewe
Jens Priewe hat viele Jahre als Politik- und Wirtschaftsjournalist gearbeitet, bevor er auf das Thema Wein umsattelte. Er schreibt Kolumnen für den Feinschmecker und für das schweizerische Weinmagazin Merum. Für den Weinkenner, dessen Gesellschafter er ist, hat er seit der Gründung über 200 Artikel beigesteuert. Außerdem ist er Verfasser mehrerer erfolgreicher Weinbücher (u. a. „Wein – die grosse Schule“, „Grundkurs Wein“). Er stammt aus Schleswig-Holstein, lebt aber seit fast 40 Jahren in München.

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