Große Gewächse 2013: Nahe-Riesling und Ahr-Spätburgunder

Die Nahe bei Oberhausen
Die Nahe bei Oberhausen
Auch wenn die Spitzenbetriebe an der Nahe den schwierigen Jahrgang 2013 gut gemeistert haben – das Niveau der beiden Vorgängerjahre erreichen die GG vom Riesling nicht. Und bei den 2012er Spätburgundern von der Ahr gibt es mehr Schatten als Licht.

Man­che Wein­ex­per­ten schei­nen Wein­kri­tik mit Hei­li­gen­ver­eh­rung zu ver­wech­seln, beson­ders wenn es um deut­sche Wei­ne geht. Von „Kunst­wer­ken“, „Aus­ge­bur­ten an Fines­se“, „Inbe­griff des Ries­lings“ und ähn­li­chem ist die Rede. Die Win­zer hören solch Wort­ge­klin­gel gern. Aber sie wis­sen, dass es nicht wahr ist. 2013 war ein Jahr­gang, der sehr hete­ro­ge­ne Qua­li­tä­ten her­vor­ge­bracht hat. An der Nahe setz­te im Okto­ber feucht-warmes Kli­ma ein. Vie­le Trau­ben setz­ten Schim­mel an, ande­re platz­ten. Das bedeu­te­te: skru­pu­lö­ses Aus­le­sen der Trau­ben (oder Trau­ben­tei­le). Und schnel­les Ein­brin­gen der Ern­te, um Schlim­me­res zu ver­mei­den. Die Fol­ge: Vie­le Trau­ben konn­ten nicht voll­stän­dig aus­rei­fen. Die Most­ge­wich­te waren nied­ri­ger als in den Vor­jah­ren (was durch­aus will­kom­men ist), die Säu­ren aber höher und teil­wei­se unreif. Der Anteil der wei­chen Wein­säu­re liegt jeden­falls gefühlt nied­ri­ger als in den Vorjahren.

Hohe Säure, viel Restsüße

Die Top-Betriebe akzep­tier­ten die­sen Umstand und belie­ßen den Wei­nen eine klei­ne Rest­sü­ße, um sie abzu­run­den. Eine ver­nünf­ti­ge Ent­schei­dung, bes­ser jeden­falls als zu ent­säu­ern oder sei­ne Wei­ne einem BSA zu unter­zie­hen. Doch nicht sel­ten fiel die Rest­sü­ße nach mei­nem Emp­fin­den grenz­wer­tig hoch aus. GG sol­len tro­cken schme­cken. Sol­len ihr Ter­ro­ir zei­gen. Rest­sü­ße aber ist ein Weich­zeich­ner. Sie erhöht zwar den Span­nungs­bo­gen, aber macht das Pro­fil unscharf. Ten­den­zi­ell jeden­falls. Und unrei­fe Säu­re wird durch Rest­sü­ße nicht in rei­fe Säu­re umgewandelt.

Die Nahe bei Oberhausen
Die Nahe bei Oberhausen

Für Jubel­ari­en also kein Anlass. Trotz­dem sind unter den 2013er GG exzel­len­te, im Ein­zel­fall auch gran­dio­se Wei­ne. Um ihre Klas­se zu bewei­sen, brau­chen sie aller­dings noch ein biss­chen Zeit. Als beson­ders gut gelun­gen emp­fin­de ich dies­mal die Wei­ne des Schloss­guts Diel. Was Caro­lin Diel und ihr Kel­ler­meis­ter Chris­toph Fried­rich auf die Fla­sche gebracht haben, ist nicht nur qua­li­ta­tiv, son­dern auch sti­lis­tisch sehr über­zeu­gend. Über­rascht war ich von dem Qua­li­täts­sprung bei Prinz Salm. So mutig tro­cke­ne, unge­schminkt ter­ro­ir­be­ton­te Ries­lin­ge wie in 2013 habe ich schon lan­ge nicht mehr getrun­ken. Aller­dings muss ich zuge­ben, dass es wohl auch die schwie­rigs­ten GG von der Nahe sind – nichts für Spaß- und Leckertrinker!

Riesling Nahe: die Großen Gewächse 2013


OrtLageWein­gutCha­rak­te­ri­sie­rungPunk­te
Nie­der­hau­senHer­manns­höh­leDönn­hoffTrotz des schwie­ri­gen Jahr­gangs ein ziem­lich kom­plet­ter Wein: fein­ner­vig bei dis­zi­pli­nier­ter Fül­le, kräftig-mineralisch, aber auch saf­tig: meis­ter­haf­tes GG trotz erhöh­ter Restsüße.93
Bocken­auStrom­bergSchäfer-FröhlichSehr schlan­kes, geschmei­di­ges GG von unheim­li­cher Fri­sche, seh­nig, straff, packen­de Säu­re, vom wil­den Sponti-Bouquet abge­se­hen sehr prä­zi­se: der mine­ra­lischs­te aller S-F-Weine.93
Mon­zin­genHalen­bergEmrich-SchönleberGro­ßer Wein von über­ra­gen­der Stoff­fül­le, packend, mit­rei­ßend, feins­te Grapefruit- und Pfir­sich­no­ten, gleich­zei­tig rau­chi­ge Rot­schie­fer­no­ten: ein ech­tes GG.93
Nie­der­hau­senHer­manns­bergGut Her­manns­bergSchon auf den ers­ten Schluck als ein raf­fi­nier­ter, ele­gan­ter Wein erkenn­bar, hefe­frisch, mine­ra­lisch, hoch­kom­plex: ein hoch­klas­si­ger, ja distin­gu­ier­ter Wein.92
Bocken­auFel­sen­eckSchäfer-FröhlichSehr straf­fer, ara­bes­ken­lo­ser Ries­ling, cre­mig mit vie­len Schiefer- und Quar­zit­no­ten, aber ohne die Üppig­keit ande­rer Jahrgänge.92
Mon­zin­genHalen­bergSchäfer-FröhlichWeit­ge­hend durch­ge­go­re­ner, fas­zi­nie­ren­der Ries­ling mit sub­li­mer Frucht, hoher mine­ra­li­scher Wür­ze, fei­nem Säur­enerv: ein Kraftpaket.92
Mon­zin­genFrüh­lings­plätz­chenEmrich-SchönleberBou­quet noch ver­schlos­sen, eher dumpf, am Gau­men jedoch powerful mit viel Nerv, nicht die Klas­se von 2012 und 2011, den­noch sehr eindrucksvoll.91
Wall­hau­senJohan­nis­bergPrinz SalmMineralisch-puristischer Wein, rela­tiv tro­cken aus­ge­baut und dadurch im Moment ein wenig sper­rig wir­kend, trotz­dem: ein muti­ger, ganz eigen­stän­di­ger Wein.91
Trai­senBas­teiGut Her­manns­bergRei­cher, kräf­ti­ger Ries­ling mit rei­fer Säu­re und vie­len exo­ti­schen Anklän­gen, straff gewo­ben, rela­tiv tro­cken, ein Kraftpaket.91
Dor­s­heimPit­ter­männ­chenSchloss­gut DielKräuterwürzig-zarter Wein mit vie­len spie­le­ri­schen Ele­men­ten, facet­ten­reich, ele­gant, gut balan­ciert, kurz: gekonnt.91
Dor­s­heimGold­lochSchloss­gut DielÜppi­ger Ries­ling mit fast cre­mi­ger Tex­tur, brei­tes Aro­men­spek­trum, pikan­te Säu­re, durch Rest­sü­ße etwas abge­mil­dert, schö­ner Spannungsbogen.91
Schloß­bö­ckel­heimKup­fer­gru­beGut Her­manns­bergErdig-herber Ries­ling mit rauchig-mineralischen Noten, rela­tiv tro­cken, kon­zen­triert, sich auf der Zun­ge jedoch sprei­zend, herz­haft, kristallin-klare Säu­re: Wow!91
Schloß­bö­ckel­heimKup­fer­gru­beSchäfer-FröhlichGut gebaut, aber etwas fra­gi­ler als sonst, schmeck­ba­re Rest­sü­ße, aber auch eine mit­rei­ßen­de, ja rasier­klin­gen­schar­fe Säure.91
Schloß­bö­ckel­heimFel­sen­bergDönn­hoffÜppi­ger, aber gleich­zei­tig sehr prä­zi­ser Wein mit domi­nan­ten Por­phyr­no­ten, viel­tö­nig, ras­sig, rie­si­ger Spanungsbogen.91
Mon­zin­genFrüh­lings­plätz­chenSchäfer-FröhlichSeh­nig, saf­tig mit viel gel­ber Frucht und wür­zi­ger Mine­ra­li­tät, schon antrink­ba­rer, von rei­fer Säu­re geäder­ter Ries­ling, etwas schma­ler anger­legt als im Vorjahr.91
Wall­hau­senFel­sen­eckPrinz SalmSehr mine­ra­lisch, schnör­kel­los, karg, doch nicht ohne Span­nung: bes­ter Fel­sen­eck seit Jah­ren, der­zeit aller­dings unnahbar.90
Dor­s­heimBurg­bergSchloss­gut DielKein spek­ta­ku­lä­rer, aber in sich stim­mi­ger Wein, ver­gleichs­wei­se fili­gran, dabei ein­deu­tig und klar und ent­spre­chend schön zu trinken.90
Nor­heimDell­chenDönn­hoffBeein­dru­cken­der Ries­ling, klar geglie­dert, viel grü­ner Apfel, ein wenig tro­pi­sche Früch­te, aber uner­klär­lich hohe Rest­sü­ße, die zwar die Span­nung erhöht, aber die Mine­ra­li­tät verwässert.90
Schloß­bö­ckel­heimFel­sen­bergSchäfer-FröhlichGut fun­dier­ter, opu­len­ter Wein mit der typisch hefig-wilden Nase, brei­tes Aro­men­spek­trum, doch nicht ganz grad­li­nig, auf­ge­setz­te Restsüße.90
Trai­senBas­teiDr. Cru­si­usKräf­ti­ger, sub­stanz­rei­cher Wein aus Cru­si­us’ Para­de­la­ge, warm, fül­lig und mit rei­fer Säu­re: viel­leicht ein Tick zu gefällig.89
Dor­s­heimPit­ter­männ­chenJoh. Bapt. SchäferSehr sau­be­rer und gut am Gau­men lie­gen­der Wein vom Grau­schie­fer, herz­haf­te, etwas rohe Säu­re, erfreulich.89
Münster-SarmsheimPit­ters­bergKruger-RumpfKraft­voll, stof­fig mit ras­si­ger Säu­re und erdig-salzigen Noten, ein biss­chen zu konventionell.88
Dor­s­heimGold­lochJoh. Bapt. SchäferGutes Fun­da­ment bei mitt­le­rem Kör­per, kraft­vol­le, etwas rup­pi­ge Säu­re, sti­lis­tisch wenig spektakulär.88
Münster-SarmsheimDau­ten­pflän­zerKruger-RumpfEtwas vor­der­grün­di­ger Ries­ling mit drop­si­ger Frucht, gut gebaut, aber letzt­lich doch etwas brav für ein GG.88

Wein­bergs­la­gen bei Wal­porz­heim (Ahr)Wie Spät­bur­gun­der vini­fi­ziert wird, wis­sen wir inzwi­schen, hat ein bekann­ter Ahr-Winzer kürz­lich auf einer Prä­sen­ta­ti­on in Lon­don gesagt. Mag sein. Umso rat­lo­ser hat mich die Ver­kos­tung der 2012er GG gemacht. So viel müde, mat­te, ein­di­men­sio­na­le Wei­ne hat­te ich in die­ser Top-Kategorie nicht erwar­tet. Wei­ne mit stie­li­gem Tan­nin, gro­tesk über­zo­ge­nen Neu­holz­tö­nen – der Abstand zu Gewäch­sen aus dem Bur­gund, aus Kali­for­ni­en, teil­wei­se auch aus Baden und aus der Süd­pfalz ist augen­fäl­lig. Von Meyer-Näkel abge­se­hen, der eine for­mi­da­ble Kol­lek­ti­on vor­ge­legt hat, ist die Ent­täu­schung groß. Ich weiß nicht, ob ich mit die­sem Urteil allein ste­he. Doch die hym­ni­schen Gesän­ge, die vie­le Händ­ler, Som­me­liers und Wein­schrei­ber jetzt wie­der anstim­men, gehen ange­sichts der dar­ge­bo­te­nen Qua­li­tä­ten an mei­nen Ohren vorbei.

Spätburgunder Ahr: die Großen Gewächse 2012


OrtLageJahr­gangReb­sor­teWein­gutCha­rak­te­ri­sie­rungPunk­te
Neu­en­ahrSon­nen­berg2012Spät­bur­gun­derMeyer-NäkelDuf­ti­ge Bur­gun­der­na­se, wür­zig, fruch­tig, reich, am Gau­men druck­voll und sam­tig zugleich: ein Spät­bur­gun­der mit viel Schliff und Finesse.92
Der­n­auPfarr­win­gert2012Spät­bur­gun­derMeyer-NäkelBlau­rot in der Far­be, sat­tes Bou­quet von Pflau­men Blau­bee­ren, Johan­nis­bee­ren, fei­ne Röst­aro­men, sta­bi­les Tan­nin­rück­grat: “bur­gun­dischs­ter” aller Meyer-Näkel-Weine.92
Der­n­auPfarr­win­gert2012Früh­bur­gun­derMeyer-NäkelFri­sche, aus­drucks­vol­le Frucht mit viel Pflau­me und einem Hauch Him­bee­re im Vor­der­grund, im Hin­ter­grund deut­li­che Röst­aro­men: sehr prä­zi­ser, kräf­ti­ger Wein mit viel Aus­druck und guter Prognose.91
Neu­en­ahrSon­nen­berg2012Spät­bur­gun­derKreuz­bergFein­duf­tig im Bou­quet mit aus­drucks­vol­ler, sau­be­rer Frucht, im Hin­ter­grund fei­nes, gesun­des Tan­nin, spielerisch-leicht und gut fun­diert zugleich: ech­ter Spitzenwein.91
Wal­porz­heimKräu­ter­berg2012Spät­bur­gun­derMeyer-NäkelExplo­siv bee­ren­fruch­tig mit süßer, rei­fer Him­bee­re und Zwetsch­ge­n­rös­tern, zar­te Säu­re, sanf­tes Tan­nin, schon rela­tiv gut antrink­bar: gelun­ge­ner, fines­se­rei­cher Wein.91
Ahr­wei­lerRosen­thal2012Spät­bur­gun­derJean Stod­denVoll­mun­di­ger, rei­cher Spät­bur­gun­der mit sat­ter, saf­ti­ger Frucht, kraft­voll, kom­plex, star­ke Röstnote.90
Neu­en­ahrSchie­fer­lay2012Spät­bur­gun­derKreuz­bergNoch unge­stü­mer Wein mit fri­scher, wür­zi­ger Frucht, aller­dings nicht ganz so fein­ner­vig und dif­fe­ren­ziert wie der Sonnenberg.90
RechHer­ren­berg2012Früh­bur­gun­derJean Stod­denEher leich­ter, etwas ein­sei­tig frucht­be­ton­ter Spät­bur­gun­der, sau­ber, aber undif­fe­ren­ziert, über­deut­li­che Neuholznoten.89
Der­n­auHardt­berg2012Spät­bur­gun­derJean Stod­denLocker gewo­be­ner, nicht durch­ge­ar­bei­te­ter Wein, hel­les Erd­beer­rot, feh­len­de Fri­sche, flau.89
Der­n­auHardt­berg2012Früh­bur­gun­derKreuz­bergSchlan­ker, etwas ein­di­men­sio­na­ler Wein mit viel roten Früch­ten und stie­li­gem Tan­nin, fruchtig-monoton, leich­ter Man­gel an Kom­ple­xi­tät und Eleganz.88
Ahr­wei­lerSil­ber­berg2012Spät­bur­gun­derKreuz­bergRela­tiv dun­kel­far­be­ner, viel­schich­ti­ger Wein, stark extra­hiert und auf Schwe­re getrimmt, deut­li­che Bit­ter­stof­fe, wenig Finesse.88
Neu­en­ahrSon­nen­berg2012Spät­bur­gun­derJean Stod­denDis­zi­pli­niert und straff auf der einen Sei­te, redu­zier­tes Aro­men­spk­trum auf der ande­ren: letzt­lich wenig Charme, aber viel Neuholz.88
RechHer­ren­berg2012Spät­bur­gun­derJean Stod­denWei­cher, mil­der Wein, blu­mig in der Nase, frisch und fruch­tig auf der Zun­ge, doch von beschei­de­ner Sub­stanz: char­miert nicht, packt nicht, son­dern plät­schert über den Gaumen.88
Ahr­wei­lerRosen­thal2012Spät­bur­gun­derJ. J. AdeneuerHel­ler, trans­pa­ren­ter Wein, süß­li­cher Frucht­cock­tail mit leich­ter Joghurt­no­te, über­ra­schend weit entwickelt.87
Wal­porz­heimGär­kam­mer2012Spät­bur­gun­derJ. J. AdeneuerHel­les Gra­nat­rot mit oran­ge­nen Refle­xen, Him­beer­li­kör und gekoch­te Erd­beer­kon­fi­tü­re in der Nase, deut­lich gezehrt, matt, kei­ne Zukunft.87

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