Große Gewächse 2010 Rheingau: Viel Licht, noch mehr Halbschatten

Weinberge von Wittman in Westhofen
Die Bedingungen waren für alle gleich schwierig. Doch die rheinhessischen VDP-Betriebe haben in 2010 beim Riesling im Durchschnitt mehr zustande gebracht als die des Rheingaus. Einige warten mit Weinen auf, die besser sind als 2009. Aber auch von einigen Gütern, die sonst nicht in der ersten Reihe stehen, kommen tolle Weine. Von Jens Priewe

Die Rhein­gau­er Win­zer sind mit den unge­wöhn­li­chen Bedin­gun­gen in 2010 nicht son­der­lich gut zurecht­ge­kom­men. Eini­ge Wei­ne gehö­ren zwei­fel­los nicht in den Rang eines Ers­ten Gewäch­ses, ande­re kom­men nicht über gepfleg­tes Mit­tel­maß hinaus.

Dass mehr drin war, zei­gen Betrie­be wie Spreit­zer, Graf von Kanitz und Weil (Letz­te­rer hat­te sei­nen über­ra­gen­den Turm­berg noch nicht ein­mal angestellt).

Rheingau mit Schwierigkeiten

Wäh­rend Spreit­zer schon seit Jah­ren eine siche­re Bank ist und sich an der Spit­ze des Rhein­gaus fest­ge­setzt hat, ist Graf Kanitz noch mit­ten in der Wand­lung begriffen.

Die Bio­dy­na­mie ist ein Argu­ment, mit dem die­ses Wein­gut wuchern kann, die Prä­zi­si­on und Sorg­falt, mit der in Wein­berg und Kel­ler gear­bei­tet wird, das ande­re. Jeden­falls gab es so fines­se­rei­che, raf­fi­nier­te Wei­ne von der Pfaf­fen­wies wie 2009.

Leitz und Kes­se­ler hat­ten nicht in Wies­ba­den ange­stellt – auch die­se bei­den Betrie­be haben 2010 her­vor­ra­gen­de Wei­ne zustan­de gebracht, selbst­ver­ständ­lich auch The­re­sa Breu­er, die das Wein­gut seit ein paar Mona­ten allein­ver­ant­wort­lich betreibt. Sie ist aller­dings nicht Mit­glied im VDP. Die größ­te Ent­täu­schung 2010 sind die Wei­ne von Gun­ther Künst­ler, die das Vor­jah­res­ni­veau auch nicht annä­hernd erreichen.

Rheinhessen top

Rhein­hes­sen hat dage­gen eine Fül­le von sehr guten, die Bezeich­nung „Gro­ßes Gewächs“ wahr­haf­tig ver­die­nen­de Wei­ne her­vor­ge­bracht. Witt­mann ragt her­aus. Hier zeigt sich ein­mal mehr, dass die Kom­bi­na­ti­on von Spit­zen­la­gen und bio­dy­na­mi­scher Bear­bei­tung gera­de in Jah­ren wie 2010, in denen rei­fes Lese­gut nicht auf dem Sil­ber­ta­blett ser­viert wird, Erfol­ge fei­ert. Für Kel­ler mach­te es man­gels Wein wenig Sinn, an der Prä­sen­ta­ti­on inWies­ba­den teil­zu­neh­men. Auch sei­ne Wei­ne hät­ten sicher ganzoben mitgespielt.

K.F. Groe­be, Battenfeld-Spanier, Kühling-Gillot und Wagner-Stempel lie­fer­ten eben­falls hohe, teils begeis­tern­de Qua­li­tä­ten ab – wie man es ange­sichts der Lagen und der Prei­se von ihnen aller­dings auch erwar­ten darf.

Ich habe mich in mei­nen Bemer­kun­gen über die 2010er GG  auf knap­pe, urteils­be­grün­den­de Kom­men­ta­re beschränkt und  auf lang­at­mi­ge Beschrei­bun­gen  der Wei­ne ver­zich­tet. Da Wein­be­wer­tun­gen immer auch sub­jek­tiv sind, beken­ne  ich, tro­cke­ne, lagen­ty­pi­sche, mineralisch-saubere Wei­ne höher bewer­tet zu haben als „lecke­re“, leicht trink­ba­re, abge­run­de­te Weine.

In der nächs­ten Woche ver­öf­fent­licht weinkenner.de die Bewer­tun­gen der 2010 Ries­ling GG aus der Pfalz und aus Franken.

Rheinhessen: 2010 Große Gewächse

Wein­gutLageDegus­ta­ti­onPunk­te
Witt­mannWest­ho­fen Morsteinaus­la­den­der Wein, reich struk­tu­riert, aro­m­en­tief, rie­si­ger Span­nungs­bo­gen – grö­ße­res Poten­zi­al als 200994
Witt­mannWest­ho­fen Kirchspielsaf­tig, kraft­voll, reich mit rei­fer Frucht und Säu­re, spektakulär93
Battenfeld-SpanierHohen-Sülzen Kir­chen­stücküppi­ger, reich fun­dier­ter Wein, hoch­fein und doch zurück­hal­tend: einer der Gro­ßen des Jahrgangs93
Wagner-StempelSie­fers­heim Höllbergsehr rei­fer Wein mit tro­pi­schen Frucht­no­ten, pikan­te Säu­re, gut auf den Punkt gebacht93
K. F. GroebeWest­ho­fen Kirchspieltief­grün­dig, facet­ten­reich, reich an Nuan­cen, ohne zu aus­la­dend zu sein, veri­ta­bles Gro­ßes Gewächs92
Wagner-StempelSie­fers­heim HeerkretzGro­ße Frucht­fül­le, fei­ne Mine­ra­lik, wohl dimen­sio­nier­te Säu­re – tol­ler Wein92
Kühling-GillotNier­stein Pettenthaldruck­voll, kräf­tig, mit mine­ra­li­schem Hin­ter­grund – aus­ge­feil­ter Wein, sehr fein91
Kühling-GillotNier­stein Ölbergauf­fäl­lig gold­gel­be Far­be, rela­tiv stof­fig, ver­steck­te Säu­re, viel Power91
Witt­mannWest­ho­fen Aulerdeboden­be­tont, aber mit eini­ge süs­sen Honig­no­ten oben­drauf, spannend91
Witt­mannWest­ho­fen Brunnenhäuschensaftig-fetter Wein mit kna­cki­ger Frucht, rei­fer Säu­re, aber ohne den ganz Gro­ßen Atem91
Battenfeld-SpanierMöls­heim Zel­ler­weg am Schwar­zen Herrgottnicht zu mäch­ti­ger, aber fein zise­lier­ter Wein mit schö­nen Bodentönen91
Kühling-GillotNacken­heim Rothenbergrela­tiv rei­fe Bee­re, boden­be­tont, eige­ner Charakter90
K. F. GroebeWest­ho­fen Aulerdesehr homo­ge­ner, bodenständig-feiner Wein, saf­tig mit nicht zu hoher Säure90
Battenfeld-SpanierNieder-Flörsheim Frau­en­bergmineralisch-feiner, straf­fer Wein, schnörkellos90
Gun­der­lochNacken­heim RothenbergSehr sau­ber, aus­drucks­stark, spielerisch-leicht89
Gun­der­lochNier­stein Pettenthalviel Schmelz, rein­tö­ni­ge Frucht, kräf­ti­ger Biss89
Rap­pen­hofNier­stein Pettenthalgeschmei­dig, schlank, span­nungs­reich: “flüs­si­ges Gestein”89
Rhein­graf – Vil­la SachsenBin­gen Scharlachbergsat­te Frucht, fein­glied­rig, sehr ausgewogen89
Brü­der Dr. BeckerDien­heim Tafelsteinunspek­ta­ku­lä­rer, aber durch­aus fei­ner Wein mit Lagencharakter88
Brü­der Dr. BeckerDien­heim Falkenbergbra­ver, etwas “grü­ner” Wein, gut, aber nicht über nor­ma­lem Spätlese-Niveau87
Staat­li­che Wein­bau­do­mä­ne OppenheimNacken­heim Rothenberghin­ten flach: gekapp­te Säure86

Rheingau: 2010 Große Gewächse

Wein­gutLageDegus­ta­ti­onPunk­te
Josef Spreit­zerOestrich Len­chen “Rosen­gar­ten”stark mine­ra­lisch geprägt, fein­frucht und zart, äus­serst gekonnt92
Robert WeilKied­rich Gräfenbergsuper Stoff, im Inne­ren fein­glied­rig, zar­te, viel­schich­ti­ge Frucht, von einer herz­haf­ten Säu­re geädert: her­vor­ra­gend, aber braucht viel Zeit92
Graf von KanitzLorch Pfaf­fen­wieshohe kris­tal­li­ne Säu­re, aber leicht­füs­sig, mine­ra­lisch, sehr tro­cken: schwie­ri­ger, aber tol­ler Wein mit gros­sem Spannungsbogen91
Josef Spreit­zerHat­ten­heim Wisselbrunnenherr­lich fruch­tig, ange­neh­me Säu­re, lagen­treu, superb91
Schloss Rein­harts­hau­senHat­ten­heim Schlossbergelegant-geschmeidiger Wein mit geschlif­fe­ner Frucht, erfreulich91
Schloss Rein­harts­hau­senHat­ten­heim Marcobrunnaus­ge­wo­gen, stim­mig, siche­re Qua­li­tät, aber nicht­wirk­lich spektakulär91
Graf von KanitzLorch Kro­neleicht, schlank, fines­se­reich, mit Boden­prä­gung: sehr gekonnt90
Schloss Schön­bornRüdes­heim Berg Schlossbergrei­fe Bee­re, geschlif­fe­ne Frucht, mar­kan­te Säu­re, unge­schminkt, for­dern­der, aber span­nen­der Wein90
BarthHat­ten­heim Wisselbrunnenfein gewirkt, schmelzig, grad­li­nig, leicht ver­ständ­li­cher Wein90
Det­lev Rit­ter und Edler von Oeting­er – zum jun­gen OetingerHat­ten­heim Siegelsberggut gelun­ger, leicht rauchig-mineralischer Wein90
Hes­si­sche Staats­wein­gü­ter Klos­ter EberbachHoch­heim Domdechaneysau­be­rer, tief­grün­di­ger Wein mit schö­nen Wür­ze und vie­len Bodentönen90
Hes­si­sche Staats­wein­gü­ter Klos­ter EberbachRüdes­heim Berg Schlossbergtief­grün­dig, facet­ten­reich, dezent fruch­tig, hin­ten etwas abgerundet89
Geheim­rat J. WegelerRüdes­heim Berg Schlossbergurtümlich-kraftvoll, rus­ti­kal, unge­stü­me Säu­re, etwas “wild”89
Schloss Voll­radsSchloss Voll­radsschmelzig-weich, gut inte­grier­te Säu­re, gut inte­grier­te Holzfassnote89
August EserOes­trichLen­chensat­te, rei­fe Frucht, herz­haf­te Säu­re, kräf­ti­ger Kör­per: unver­bo­ge­ner, aber etwas mon­the­ma­ti­scher Riesling89
Hes­si­sche Staats­wein­gü­ter Klos­ter EberbachHat­ten­heim Marcobrunnetwas rohe Säu­re, sonst aber eine siche­re Bank89
Joa­chim FlickWicker Nonn­bergsau­be­re Frucht ein­ge­bet­tet in viel süs­sen Schmelz, leben­di­ge Säure89
Künst­lerHoch­heim Kirchenstückgut fun­diert, kräf­tig, zar­te Gelb­frucht, mode­ra­te Säure89
Schloss Schön­bornHoch­heim Domdechaneyfei­ner, aber etwas abge­run­de­ter und dadurch gefäl­li­ger Wein89
Georg Mül­ler StiftungHat­ten­heim Nussbrunnenfrucht­be­ton­ter Wein mit ker­ni­ger Säu­re, auf­dring­li­cher Neuholzton88-90
Johan­nis­hofRüdes­heim Berg Rottlandsat­te Frucht, rei­fe Bee­re, kräf­ti­ge Säu­re, rus­ti­kal und zum Schluß etwas abgerundet88
Fritz Allen­dorfRüdes­heim Berg Roseneckviel Saft, viel Frucht, herz­haf­te Säu­re, aber wenig Schliff88
Fried­rich FendelRüdes­heim Berg Rosenecksehr schlank mit unter­schwel­li­ger Mine­ra­lik und kräf­ti­ger Säureader88
Domä­ne Schloss JohannisbergSchloss Johan­nis­ber­gerzar­te Frucht, mode­ra­te Säu­re, für ein Ers­tes Gewächs ein­fach zu mager88
Schloss Schön­bornHat­ten­heim Pfaffenbergherz­haft fruch­ti­ger Wein, gut fun­diert, viel Tie­fe, sehr rund, aber ohne gro­ße Spannung88
Frei­herr Lang­werth von SimmernHat­ten­heim Mannbergviel­schich­tig, aro­m­en­tief, sub­til mine­ra­lisch: ins­ge­samt aber etwas ein­fach gewoben88
Frei­herr Lang­werth von SimmernHat­ten­heim Marcobrunngute Sub­stanz, aber unge­ho­belt, wenig Schliff, vie­le Nebentöne88
Baron Knyphau­senHat­ten­heim Steinmorgensau­ber, aus­drucks­voll, etwas apfel­i­ge Säure88
Schloss Rein­harts­hau­senHat­ten­heim Hohenrainmitt­le­rer Kör­per, saf­tig, fei­ne Frucht, rou­ti­nier­te, aber kei­ne spek­ta­ku­lä­re Qualität88
Diefenhardt’sches Wein­gutMar­tins­thal Langenbergrei­fe Frucht, kräf­ti­ge Säu­rea­der, leich­ter Joghurtton88
Dom­de­chant Werner’sches WeingutHoch­heim Kirchenstückzar­te Pfir­sich­no­ten, apfel­i­ge Säu­re: for­dern­der Wein, nicht langweilig88
Künst­lerHoch­heim Hölleviel Sub­stanz, druck­voll, schmelzig, unge­schlif­fe­ne, gro­be Säure88
Dom­de­chant Werner’sches WeingutHoch­heim Domdechaneysehr wür­zi­ger Wein mit Min­ze, Pfef­fer, herz­haf­te Säu­re, solide88
Georg Mül­ler StiftungHat­ten­heim Wisselbrunnenexzel­len­te Aus­gangs­sub­stanz, irri­tie­ren­der deut­li­cher Neuholzton87-89
Fried­rich FendelRüdes­heim Kirchenpfadmar­ki­ge Säu­re, grob­fruch­tig, wenig Schliff87
Johan­nis­hofJohan­nis­berg Hölleordent­li­cher Wein, aber wenig Lagen­merk­ma­le, sehr brav87
Künst­lerKost­heim Weiß Erdsoli­de, aber etwas rus­ti­kal und sehr herb, rohe Säure87
Joa­chim FlickHoch­heim Köni­gin Viktoriabergerdig, dezent fruch­tig, etwas bieder87
Jakob JungHat­ten­heim Hohenrainleicht petro­lig, mit Bit­ter­no­ten, unsi­che­rer Wein, alt­mo­di­scher Stil86
Toni Jost – HahnenhofWal­luf Walkenbergschlan­ker, aus­ein­an­der­stre­ben­der Wein, unpräzise86

Mittelrhein: 2010 Große Gewächse

Wein­gutLageDegus­ta­ti­onPunk­te
Lanius-KnabEnge­höll Bernsteinker­nig, erdig, druckvoll89
Toni Jost – HahnenhofBacha­rach Hahnzart­fruch­tig, fein, leich­te Joghurtnote87

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