Große Gewächse 2010 Nahe und Mosel: Nahe dran am Spitzenniveau

Tim Froehlich
Die Nahe hat in 2010 die größten Überraschungen bei den Großen Gewächsen geliefert. Was Crusius, Diel, Dönnhoff, Emrich-Schönleber und vor allen Schäfer-Fröhlich auf die Flasche gebracht haben, ist „Nahe“ dran am Spitzenniveau. Die Moselwinzer taten sich mit den trockenen Weinen dagegen schwer. Von Jens Priewe

Ende August wur­den im Wies­ba­de­ner Kur­haus die Gro­ßen Gewäch­se der VPD-Güter in einer Vor­pre­mie­re zur Ver­kos­tung gege­ben. Die Begeis­te­rung der meis­ten Jour­na­lis­ten, Som­me­liers und Händ­ler hielt sich erkenn­bar in Gren­zen. Die 2010er sind nun mal kei­ne Wei­ne, die man Kun­den oder Gäs­ten so risi­ko­los emp­feh­len kann wie die 2007er und die 2009er. Vor allem im jet­zi­gen, jun­gen Sta­di­um kann man sie der hohen Säu­ren wegen eigent­lich nur trin­ken, wenn man eine Maloxan-Tabelette in der Tasche hat.

Nicht die besseren, aber die interessanteren Weine

Mein per­sön­li­cher Ein­druck ist, dass sich die 2010er nach eini­gen Jah­ren zwar nicht als die bes­se­ren, aber inter­es­san­te­ren Wei­ne ent­pup­pen wer­den gegen­über den 2007ern und 2009ern. Was Span­nungs­bo­gen, Trin­ke­le­ganz und Ter­ro­irn­o­ten angeht, sind sie die­sen Jahr­gän­gen über­le­gen – an Lang­le­big­keit ver­mut­lich auch.

Die meis­ten der anwe­sen­den Ver­kos­ter blie­ben reser­viert gegen­über den 2010ern (auch wenn es heu­te in ihren Kauf­of­fer­ten manch­mal anders klingt). Die jahr­gangs­ty­pisch hohe Säu­re, die deut­lich höher liegt als bei den 2008ern, mach­te ihnen sicht­lich zu schaf­fen. Mir übri­gens auch, vor allem, wenn die Säu­re unreif war, was lei­der oft vor­kam. Daher zur Klar­stel­lung: Nicht alle GG aus dem Jahr­gang 2010 sind Spit­ze. Aber die es sind, dür­fen als Iko­nen deut­scher Ries­ling­kul­tur gelten.

Die Nahe setzt dem Jahrgang die Krone auf

Auf­fäl­lig ist der hohe Anteil an Spit­zen­wei­nen von der Nahe. Von Cru­si­us habe ich noch nie so gute Wei­ne getrun­ken wie 2010. Gut Her­manns­berg, das in 2009 teil­wei­se mit Säu­ren auf­war­te­te, die den Rah­men spreng­ten, hat in 2010 sehr viel aus­ba­lan­cier­te­re Wei­ne gemacht. Emrich-Schönleber bril­liert dies­mal mit sei­nem „Früh­lings­plätz­chen“ und nicht – wie in 2009 – mit dem „Halen­berg“. Diel hat aber­mals eine über­zeu­gen­de Kol­lek­ti­on abge­lie­fert. Das „Pit­ter­männ­chen“ ist der am schöns­ten zu trin­ken­de Wein jetzt. Aber der „Burg­berg“ über­strahlt alles. In das Lamen­to eini­ger Kri­ti­ker über die Dönnhoff-Weine kann ich über­haupt nicht ein­stim­men. Dass sie unschein­bar sind, habe ich nicht gemerkt. Es sind sub­ti­le Wei­ne von zar­ter Cre­mig­keit, bei denen die Säu­re mit den Rei­fe­aro­men per­fekt ver­schmol­zen ist. Hier spürt man die ruhi­ge Hand des Meis­ters. Ganz anders Tim Schäfer-Fröhlich. Von ihm kom­men in 2010 mit­rei­ßen­de, hoch­mi­ne­ra­li­sche Wei­ne. Sie besit­zen zwar nicht die stil­le Ele­ganz der Dönn­hoff­schen Gewäch­se. Aber an Span­nung, Prä­zi­si­on und – im Fal­le des Fel­sen­eck – an unbän­di­ger Kraft set­zen sie dem Jahr­gang an der Nahe die Kro­ne auf.

Mosel: nicht ideal für trockene Weine

An der Mosel stellt sich die Situa­ti­on anders dar. Für Wei­ne der tro­cke­nen Geschmacks­rich­tung ist 2010 nicht ide­al. Aller­dings haben die Mosel­win­zer die Chan­ce, die hohen Säu­ren durch Rest­sü­ße auf­zu­fan­gen. Zil­li­kens Dia­bas mit über 12 Gramm Rest­zu­cker ist intui­tiv der stim­mi­ge­re Wein als das tro­cke­ne GG vom Rausch – aber eben nur Ers­te Lage und nicht GG. Eben­so ver­hält es sich mit den Spit­zen­wei­nen Van Vol­xems. Sie lie­gen alle­samt über der gesetz­lich fest­ge­leg­ten Ober­gren­ze für tro­cke­ne Wei­ne und kön­nen daher nicht als GG auf den Markt gebracht wer­den. Den­noch (oder des­we­gen) sind es gran­dio­se Wei­ne (die übri­gens nicht ent­säu­ert wur­den). Auch Heymann-Löwenstein hat in 2010 kein GG, son­dern nur Ers­te Lagen erzeugt. Botrytis-Noten sind deut­lich wahr­nehm­bar. Auch wenn die Wei­ne her­vor­ra­gend gelun­gen sein mögen – sti­lis­tisch lie­gen sie außer­halb des GG-Rahmens.

Die Situa­ti­on bei den tro­cke­nen GG der Mosel ist durch­wach­sen. An das 2009er Niveau kom­men die Wei­ne nicht her­an. Über­rascht und wirk­lich über­zeugt haben mich dies­mal nur die Wei­ne von Cle­mens Busch, denen ich – mein Feh­ler – in der Ver­gan­gen­heit oft­mals rat­los gegen­über stand.

Nächs­te Woche berich­ten wir über die GG des Rhein­gau und Rhein­hes­sens: zwei renom­mier­te Anbau­ge­bie­te, von denen in 2010 eines ent­täuscht hat.

Nahe: 2010 Große Gewächse

Wein­gutLageDegus­ta­ti­onPunk­te
Schäfer-FröhlichBocken­au Felseneckflüs­si­ger Gra­nit – prä­zi­ser, mit­reis­sen­der Wein, der von sei­ner Kraft und aus­ser­or­dent­li­chen Mine­ra­li­tät lebt: gro­ßes Kino94
Dönn­hoffNie­der­hau­sen Hermannshöhlestof­fig, lang, ohne aus­la­dend zu sein, dezen­te Wür­ze, ver­hal­te­ne Frucht, fei­ne Mine­ra­li­tät: monu­men­tal, aber zeigt noch wenig von sei­ner Klasse93
Emrich-SchönleberMon­zin­gen Halenbergmäch­ti­ger, aber dezen­ter Wein mit Boden­haf­tung, rie­si­ges Potenzial91
Schloss­gut DielDor­s­heim Burgbergraf­fi­nier­ter, mineralisch-salziger Wein, kom­pro­miss­los tro­cken, sehr anspruchs­voll und fordernd92
Dr. Cru­si­usTrai­sen Basteileben­dig, aus­drucks­voll, vor Tem­pe­ra­ment sprü­hend: schlan­ker, ner­vi­ger, fines­se­rei­cher Wein92
Dönn­hoffNor­heim Dellchenfein­fruch­ti­ger, fast cre­mi­ger Wein, Säu­re gut ver­steckt, viel Understatement92
Schäfer-FröhlichSchloß­bö­ckel­heim Kupfergrubesehr mine­ra­li­scher Wein mit rei­fer, strah­len­der Säu­re, vor Leben­dig­keit spü­hend, extrem viel Finesse92
Dönn­hoffSchloß­bö­ckel­heim Felsenbergele­gan­ter, aus­drucks­vol­ler Wein mit kit­ze­li­ger, aber nicht über­trie­be­ner Säu­re: aus einem Guss92
Schäfer-FröhlichSchloß­bö­ckel­heim Felsenbergpikan­ter, hoch­mi­ne­ra­li­scher Wein, for­dernd, aber auch viel bietend92
Gut Her­manns­bergTrai­sen Basteimine­ra­lisch, leicht rau­chig, viel Fines­se, tol­le Säu­re: macht Spass91
Dr. Cru­si­usTrai­sen Rotenfelsgeschmei­di­ger, aber etwas bedäch­ti­ger Wein, gute Sub­stanz, schö­ne Säure91
Gut Her­manns­bergNie­der­hau­sen Hermannsbergdicht, kom­pakt, im Inne­ren fein gewirkt, Säu­re durch Extrakt gut abgepuffert91
Emrich-SchönleberMon­zin­gen Frühlingsplätzchensaf­tig mit leicht dropsig-mineralischer Note, leben­di­ge Säure93
Schloss­gut DielDor­s­heim Goldlochfein­fruch­tig, mit sub­ti­len Boden­tö­nen, strahlend-klare Säure90
Schloss­gut DielBurg Lay­en Schlossbergfili­gra­ne Frucht, dezen­te Mine­ra­li­tät, geschlif­fe­ne Säu­re: hohe Ele­ganz bei viel Stoff90
Gut Her­manns­bergSchloß­bö­ckel­heim Kupfergrubesehr homo­ge­ner, balan­cier­ter Wein, erstaun­lich mode­ra­te Säure90
Dr. Cru­si­usSchloß­bö­ckel­heim Felsenberggut gewach­se­ner, har­mo­ni­scher Wein, aber ohne den ganz gros­sen Spannungsbogen90
Schäfer-FröhlichMon­zin­gen Halenbergspielerisch-leichter Wein mit viel Mine­ra­lik und Würze90
Schloss­gut DielDor­s­heim Pittermännchensehr saf­ti­ger, unge­schminkt fruch­ti­ger Wein mit ker­ni­ger Säure89
Prinz SalmWall­hau­sen Felseneckunge­stüm, aber mit gro­ßem Span­nungs­bo­gen und zar­ten mine­ra­li­schen Noten89
Kruger-RumpfMünster-Sarmsheim Kapel­len­bergguter, aber kaum mehr als tro­cken zu bezeich­nen­der Wein87
Kruger-RumpfMünster-Sarmsheim Dau­ten­pflän­zersaf­tig, rein­tö­nig, schlank, hin­ten leicht abgerundet87
Kruger-RumpfMünster-Sarmheim Pit­ters­bergsehr run­de, har­mo­ni­sche Spät­le­se, aber Gros­ses Gewächs?87
Prinz SalmWall­hau­sen Johannisbergrus­ti­ka­ler Wein mit vie­len Ecken vund Kan­ten und etwas unge­ho­bel­ter Säure87

Mosel: 2010 Große Gewächse und erste Lagen

Wein­gutLageDegus­ta­ti­onPunk­te
*van Vol­xemKan­zem Alten­berg (Ers­te Lage)frucht­süss auf der Basis mine­ra­li­scher Boden­prä­gung: raf­fi­nier­tes Spiel93
*Heymann-LöwensteinWin­nin­gen Uhlen “Lau­bach” (Ers­te Lage)kräf­ti­ger Edel­bee­ren­ton, mas­si­ve Säu­re, viel Botry­tis, Honig­no­ten: eher edel­sü­ßer als tro­cke­ner Wein93
Cle­mens BuschPün­de­rich Mari­en­burg “Fahr­lay”rei­fer und exk­trakt­rei­cher als der “Rothen­pfad”, Säu­re wie eine Speerspitze92
*van Vol­xemWil­tin­gen Got­tes­fuss (Ers­te Lage)schief­rig, beer­ig, durch­drin­gen­de Säu­re, gut abgepuffert92
*van Vol­xemWil­tin­gen Volz (Ers­te Lage)bei aller Rei­fe und (kiräf­ti­ger) Mine­ra­li­tät leicht­füss­dig, elegant92
*van Vol­xemWil­tin­gen Scharz­hof­ber­ger (Ers­te Lage)hoch­an­spruchs­vol­ler Wein von natür­li­chem Gleich­ge­wicht, die Frucht­süs­se lässt ihn fast tro­cken schme­cken: traumhaft92
*Cle­mens BuschPün­de­rich Mari­en­burg “Fahrlay-Terrassen” (Ers­te Lage)zupa­ckend, druck­voll, tol­les Spiel, wahsinnssäure92
*Heymann-LöwensteinWin­nin­gen Uhlen “Blau­fü­ßer Lay” (Ers­te Lage)kräf­ti­ge Mine­ra­lik, viel Botry­tis , brei­ter Spannungsbogen92
Fritz HaagBrau­ne­berg Juffer-Sonnenuhrbril­lan­te Frucht, gut inte­grier­te Säu­re, stim­mi­ger, begeis­tern­der Wein91
Cle­mens BuschPün­de­rich Mari­en­burg “Rothen­pfad”für die Mosel sehr kom­pakt, aber spielerisch-leicht: begeisternd91
*Forst­meis­ter Geltz-ZillikenSaar­burg Rausch “Dia­bas” (Ers­te Lage)herr­lich frucht­süss, per­fekt aus­ta­riert, Süs­se kaum spür­bar: Saar at ist best91
*Heymann-LöwensteinWin­nin­gen Rött­gen (Ers­te Lage)frucht­süss mit deut­li­cher Botrytis91
von Othe­gra­venKan­zem Altenbergsehr pikan­ter, fines­se­rei­cher Wein mit Naphtalin- und Schie­fer­no­ten, eigenwillig90
Kart­häu­ser­hofEitels­bach Karthäuserhofbergwei­cher Schmelz, rei­fe Bee­re, strah­len­de Säu­re, herzhaft-eleganter Wein90
Rein­hold HaartWintrich Ohligs­bergstark mine­ra­lisch, zupa­ckend, bis­si­ge, rei­fe Säure90
Dr. Loo­senÜrzig Würz­gar­tensub­til mine­ra­lisch mit leicht rau­chig­her Note, schö­ner Wein90
Cle­mens BuschPün­de­rich Marienburgmit­reis­sen­der, fast tro­cke­ner Wein mit herz­haf­ter Säure90
*van Vol­xemWawern Gold­berg (Ers­te Lage)von mar­ki­ger Säu­re geädert, gekonnt abgerundet90
*Cle­mens BuschPün­de­rich Mari­en­burg “Fal­ken­lay” (Ers­te Lage)rela­tiv stof­fi­ger, gleich­wohl glas­kla­rer Ries­ling mit rei­fer Säure90
von Othe­gra­venOck­fen Bocksteinmineralisch-schiefrig, zar­te Apfel-/Pfirsichfrucht, anspruchsvoll89
Forst­meis­ter Geltz-ZillikenSaar­burg Rauschsehr ker­nig und saf­tig, boden­be­tont, sub­ti­ler Schmelz89
Reichs­graf von KesselstattKasel Nies’chenkom­pakt, ker­nig, zupa­cken­de Säure89
Rein­hold HaartPie­sport Goldtröpfchenfei­ner, geschlif­fe­ner Wein, obwohl die Säu­re hoch und etwas herb ist89
Geheim­rat J. WegelerBern­kas­tel Doctorfei­ner, homo­ge­ner Wein, deut­lich mit Restsüsse89
Dr. Loo­senWeh­len Sonnenuhrstark mine­ra­lisch geprägt, zart­fruch­tig, mas­siv Säure89
Dr. Loo­senErden Prä­latrela­tiv üppig, aus­la­dend, leicht restsüss89
Dr. Loo­senErden Trepp­chendezen­te Mine­ra­lik, ele­gant, etwas abgerundet89
Reichs­graf von KesselstattKan­zem Scharzhofbergernicht ganz rei­fe Säu­re, gut ein­ge­bun­den und abgepuffert88
Grans-FassianLei­wen Laurentiuslaynicht ganz tro­cke­ner Wein mit guter Sub­stanz, aber etwas auseinanderstrebend88
Grans-FassianDhron Hof­bergkräf­ti­ger, etwas lau­ter Wein, durch Rest­süs­se abgepuffert88
Reichs­graf von KesselstattBrau­ne­berg Juffer-Sonnenuhrzar­te Frucht, rei­fe Bee­re, klei­ne Botry­tis, pikan­te Säure88
Reichs­graf von KesselstattGraach Josephs­hö­ferschief­rig, wür­zig, herb, etwas Restsüsse88
S. A. PrümWeh­len Son­nen­uhr “Lan­gen­berg”stark schief­rig, dabei fein gewirkt, herz­haf­te Säu­re: sehr lau­ter Wein88
S. A. PrümWeh­len Son­nen­uhr “Lay”würzig-schiefrig, kräf­ti­ger und noch lau­ter als der “Lan­gen­berg”88
Reichs­graf von KesselstattBernksa­tel Doctorzart­glied­ri­ger Wein mit roher Säu­re und ganz leich­ter Botrytis87
Reichs­graf von KesselstattWeh­len Sonnenuhrrei­fe Bee­re, viel Mine­ra­lik, säu­re­mäs­sig hin­ten aber abfal­lend, schade87
Reichs­graf von KesselstattPie­sport Goldtröpfchenflau­er Wein mit wenig Spiel, enttäuschend86

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