Der Jahrgang 2009 wird den Winzern Rheinhessens auf jeden Fall in Erinnerung bleiben: in schlechter, weil sich durch den regnerischen Septemberbeginn die Botrytis ausbreitete und es auch in der zweiten Oktoberhälfte immer wieder Regen gab, so dass viel Handarbeit nötig war, um die faulen Trauben oder Traubenteile mit der Schere auszuschneiden. In guter Erinnerung, weil die Beeren klein, der Herbst (von den Regenfällen abgesehen) warm und sonnig und so lang war, dass der Wein am Ende voll ausreifen konnte.
Rheinhessen kann sich also höchstens über die unterdurchschnittlich geringen Erntemengen, nicht aber über die Qualität beklagen. Die Güte des Jahrgangs spiegelt sich in den Großen Gewächsen der Region wider. Es sind durch die Bank kräftige, in ihren besten Qualitäten cremig-weiche Weine mit Alkoholgehalten, die bei 13,5 Vol.% liegen und damit höher als in 2008 sind.
Auf der anderen Seite besitzen diese Weine eine feine, mineralisch-fruchtige Säure, die zwar nicht so hoch wie die des Vorgängerjahrgangs, aber reif und weinig ist und die Weine auch schon im jungen Stadium attraktiv macht.
Weinkritiker diesseits und jenseits des Atlantiks überschlagen sich jedenfalls bei der Bewertung des Jahrgangs und singen Hymnen auf die Weine der führenden Erzeuger. Tatsächlich kommt der Stil des Jahrgangs den Testern sehr entgegen: Die Weine zeigen bereits im frühen Stadium viel her, sind schmelzig-weich und begeistern durch ihre offene Art.
In puncto Rasse und Feinheit halten viele 2009er Großen Gewächse jedoch nicht ganz den hohen Erwartungen stand. Auch sind viele Weine bereits verdächtig gut antrinkbar, so dass sich die Frage stellt, was bleibt, wenn die Primärfrucht verblasst ist. In Bezug auf Langlebigkeit und Zukunftspotenzial dürften die 2008er die Nase vorn haben.
Klar: Spitzenbetriebe wie Keller und Wittmann haben großartige Kollektionen vorgelegt (wobei Kellers Große Gewächse bereits so gefragt sind, dass er in der Vorpremiere nur sein Kirchspiel angestellt und die anderen drei nicht zur öffentlichen Verkostung bereitgestellt hatte). Wittmann legt in 2009 nach meinem Empfinden die beste Kollektion vor, die je seinen Keller verlassen hat.
Stark aufstrebend sind auch Battenfeld-Spanier und Kühling-Gillot, die jedes Jahr präzisere Weine vorlegen. Sie zeigen Terroir-Noten, die vielleicht nicht jedem gefallen, aber in ihrer Authentizität einzigartig sind. Auch Wagner-Stempel, Gutzler, K.F. Groebe und Gunderloch glänzen mit sehr guten Qualitäten. Kurz: Wer sich als Konsument auf Terroir einzulassen bereit ist und nicht erst nach zehn Jahren (mit dem 2008er), sondern schon nach fünf Jahren (oder jetzt) etwas Außergewöhnliches trinken möchte, sollte sich mit den Weinen des Jahrgangs 2009 gut bevorraten.
Weingut | Gemeinde und Erste Lage | Charakteristik | Punkte | ca. Preis |
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Wittmann | Westhofen, Kirchspiel | Sehr dichter, saftiger Wein mit erdig-mineralischer Prägung, feiner Würze, überragender Säure und „großem Atem“: ein begeisternder Tropfen | 93 | € 29,50 |
Wittmann | Westhofen, Morstein | Saftig-reifer Wein mit fein ziselierter Frucht, erdiger Säure, großem Aromenspektrum: noch nicht voll entwickelt, dürfte aber sehr langlebig sein | 93 | € 39,90 |
Klaus Keller | Westhofen, Kirchspiel | Opulent, reich, mit tausend Facetten aufwartend: ein begeisternder Riesling für alle, die die Kraft lieben und geduldig warten können | 93 | € 32,50 |
Wittmann | Westhofen, Brunnenhäuschen | Dicht gewobener, straffer Wein mit viel Körper, feiner Mineralik, eleganter Textur: mitreißender, ausdrucksvoller Wein | 92 | € 32,50 |
Kühling-Gillot | Nierstein, Pettenthal | Kräftiger, stark mineralisch geprägter Wein mit reifer Pfirsich-/Passionsfurcht, dazu Muschelkalk und schotige Würze: toller Wein | 92 | € 28,00 |
Battenfeld-Spanier | Nieder-Flörsheim, Frauenberg | Geschliffener, „moderner“ Riesling mit glockenreiner Frucht, strahlender Säure, zarter Mineralik: gute Lage und sichere Hand spürbar | 92 | € 35,00 |
Wittmann | Westhofen, Aulerde | Erdig, komplex-fruchtig, reife, mineralische Säure: ein gewichtiger, in die Breite gehender Wein mit vielen Feinheiten im Inneren | 91 | € 23,50 |
Wagner-Stempel | Siefersheim, Höllberg | Grüner Apfel mit Grapefruit-Note, geschliffen, spielerisch-leicht: feiner Stoff | 91 | € 32,90 |
K. F. Groebe | Westhofen, Kirchspiel | Vollmundig, üppig, reif, mit süßer Spitze: ein reicher, innerlich differenzierter, dennoch gradliniger Riesling, der in diesem Jahr zu den besten Rheinhessens gehört | 91 | € 22,00 |
Wagner-Stempel | Siefersheim, Heerkretz | Zartfruchtig, differenziert, schlank, Säure gut abgepuffert: ein eleganter, leichtfüssiger und doch nachhaltiger Wein | 90 | € 38,90 |
K. F. Groebe | Westhofen, Aulerde | Feinblumig, duftig, geschliffene Frucht mit mineralischem Einschlag, elegant und fein | 90 | € 22,00 |
Battenfeld-Spanier | Hohensülzen, Kirchenstück | Reife Aprikosen-/Mandarinenfrucht, kalkig-schiefriger Hintergrund, würzige Hefe: sehr charaktervoller, klar ausgerrichteter Wein mit deutlicher Lagenprägung | 90 | € 24,50 |
Kühling-Gillot | Nierstein, Ölberg | Reicher, mit vielen Facetten ausgestatteter Wein, warme, reife Frucht, kühle Mineralik: braucht noch Zeit | 89-91 | € 25,50 |
St. Antony | Nierstein, Pettenthal | Bouquet von Birne, Honigmelone, Orangen, am Gaumen lebendig, frisch mit leicht exotischem Einschlag: eigenständiger, kräftiger Wein mit individueller Note | 89 | € 19,00 |
Gutzler | Worms, Liebfrauenstift Kirchenstück | Opulenter, reichhaltiger Wein, buttrig-weicher Schmelz, viel Frucht, reich und doch leicht zu trinken | 89 | € 34,50 |
Gunderloch | Nackenheim, Rothenberg | sehr schlanker Wein mit dezenter Frucht und feiner Mineralik, durchdringende, reife Säure, relativ trocken | 89 | € 21,00 |
Gunderloch | Nierstein, Pettenthal | schlanker Riesling mit reifer, gelber Frucht, mineralischer Säure und deutlicher Lagenprägung: derzeit noch etwas verhalten | 88-90 | € 22,50 |
St. Antony | Nierstein, Brudersberg | Goldgelbe Farbe, reife Frucht, mineralisches Bouquet: ein in die Breite gehender Riesling mit eigenwilliger Stilistik | 88 | |
St. Antony | Nierstein, Orbel | Feine, erdig-fruchtige Nase, reifer Apfel, herzhafte Säure: rustikaler Stil | 88 | € 16,00 |
Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim | Nierstein, Ölberg | Reifer, in die tropischen Früchte tendierender Wein, unterlegt mit einer kräftigen, frischen Säure: interessanter, noch im Entwicklungsstadium befindlicher Wein | 87 | € 18,00 |
Brüder Dr. Becker | Dienheim, Falkenberg | Nicht ganz trockener, relativ voluminöser Wein, gut gemacht, aber etwas brav | 87 | € 19,00 |
Brüder Dr. Becker | Dienheim, Tafelstein | Rassig, mineralisch-fruchtig, sehr säurebetont: solider Wein, der durchaus Trinkvergnügen bietet | 87 | € 18,00 |
Rheingraf – Villa Sachsen | Bingen, Kirchberg | Sehr satte, reife Frucht, feine Pfirsichtöne, guter Trunk, im Hintergrund leider Kochapfelnoten | 86 | € 17,50 |
Rheingraf – Villa Sachsen | Bingen, Scharlachberg | Kraftvoll, aber etwas grobfruchtig mit plumper Säure: körperreich, aber nicht fein | 85 | € 19,50 |
Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim | Nierstein, Glöck | Grobe apfelige Frucht, rohe Säure: flauer, ausdrucksloser Wein | 84 | € 20,00 |
Staatliche Weinbaudomäne Oppenheim | Nackenheim, Rothenberg | Nase diffus, Gaumen unpräzis: ein richtungsloser, gründlich missratener Wein | 80 | € 20,00 |