Nicht nur die Mosel, auch die Nahe gehört zu den großen Gewinnern des Jahrgangs 2009 in Deutschland. Auch wenn mancher Händler hierzulande etwas zu heftig in die Saiten greift und engelsgleiche Hymnen auf die Weine singt (Beispiel: „Spagat zwischen unbändiger Kraft, sagenhafter Finesse und fabelhafter Präzision, dazu Filigranität auf des Messers Schneide und Abgründe einer salzigen Mineralität…“), so zeichnen sich die Nahe-Rieslinge diesmal durch ihre große Ausgewogenheit aus: relativ kräftige Weine mit viel süßem Schmelz und einer reifen, weinigen Säure, die in der Regel besser eingebunden ist als in 2008. Aufgrund ihrer Ausgewogenheit dürften sie sich lange und gut auf der Flasche entwickeln.
Die Erzeuger sprechen von einem Reifepotenzial von mindestens zehn Jahren. Wer sich also ein außergewöhnliches Trinkerlebnis gönnen möchte und bereit ist, dafür ein paar Euro mehr als für einen einfachen Qualitätswein auszugeben, der darf an diesen Weinen nicht vorbeigehen.
Das Besondere vieler Nahe-Rieslinge dieses Jahrgangs ist, dass sie sich auch im jungen Stadium bereits mit einigem Genuss trinken lassen. Die geringen Erträge (bedingt durch kühle Temperaturen während der Blüte), die teilweise 25 Hektoliter nicht überstiegen, haben dazu geführt, dass die wenigen Trauben in dem langen Herbst sicher und voll ausreifen konnten. Die Extrakte (und mit ihnen die Alkoholwerte) liegen dadurch in vielen Fällen leicht über dem Durchschnitt. Weine mit 13,5 Vol.% sind keine Seltenheit.
Herausragend sind – nicht überraschend – mal wieder drei Weine: Der Halenberg von Emrich-Schönleber, Felseneck von Tim Schäfer-Fröhlich und die Hermannshöhle von Helmut Dönnhoff. Alle drei kommen von völlig unterschiedlichen Terroirs und besitzen von daher eine andere mineralische Ausprägung. Gemeinsam ist ihnen die außerordentliche Eleganz und Finesse, die sie trotz ihrer Reife besitzen.
Die große Überraschung ist der erste Jahrgang des Gut Hermannsberg unter neuer Führung. Da ist der Willen spürbar, das Beste aus den Lagen herauszuholen. Auch Peter Crusius’ Felsenberg ist schon lange nicht mehr so beeindruckend ausgefallen wie in 2009. Höchst erfreulich ist auch die Kollektion des Schlossguts Diehl, stark verbessert die Weine des VDP-Ehrenpräsidenten Prinz Salm Salm.
Übrigens: Wer sich ein paar Fläschlein sichern möchte, sollte sich beeilen. Die Top-Weine sind bei den Weingütern bereits ausverkauft und auch im Handel teilweise nur noch schwer zu finden.
Große Gewächse 2009 – Nahe
Weingut | Gemeinde und Erste Lage | Charakteristik | Punkte | ca. Preis |
---|---|---|---|---|
Dönnhoff | Niederhausen, Hermannshöhle |
Reife Beere, weinig-fruchtige Säure, Pfirsich-/Aprikosenfrucht mit exotischen Unternoten: kraftvoll, lang, gewichtig und gleichzeitig hochelegant | 94 | € 32,80 |
Schäfer-Fröhlich | Monzingen, Halenberg |
Mineralisch, knackig, mit blitzsauberer Frucht, weiniger Säure: gut fundierter, sehr präziser Wein | 93 | € 36,00 |
Emrich-Schönleber | Monzingen, Halenberg |
Schiefrige Frucht, stramme Säure, schlanker Bau: feingliedriger, tiefer, in sich stimmiger, sehr anspruchvoller Wein | 93 | € 31,00 |
Schlossgut Diel | Dorsheim, Burgberg |
„molliger“ Wein mit Schnörkeln und Arabesken, der trotzdem auf den Punkt kommt: tolle Mineralik, zarte Frucht,mitreißender Stil | 92 | € 33,50 |
Gut Hermannsberg | Niederhausen, Hermannsberg |
erdig-reife Frucht, nachhaltig und tief: extrem dichter, facettenreicher Wein aus einer Parzelle mit Mini-Ertrag, toller Wein | 92 | € 27,00 |
Dönnhoff | Schloßböckelheim, Felsenberg |
Geschliffener, sehr eleganter Wein, bei dem nicht nur die Oberfläche, sondern auch der Kern überzeugt: zupackend, fest, eine Bank für die Zukunft | 92 | € 35,00 |
Schlossgut Diel | Dorsheim, Pittermännchen |
Schöne Frucht, eindrucksvolle Mineralik, schlanker Körper: macht Spaß, ohne erschlagen zu werden | 92 | € 29,90 |
Schlossgut Diel | Dorsheim, Goldloch |
Erdig-mineralische Würznoten, dabei hefefrisch, geschliffene Frucht, gut abgepufferte Säure | 91 | € 29,50 |
Dönnhoff | Norheim, Dellchen |
Fein aufgebauter Wein, mittlerer Körper, gute Balance zwischen Reife, Säure, Alkohol und Extrakten: höchst genussvoll zu trinken | 91 | € 29,50 |
Schäfer-Fröhlich | Schloßböckelheim, Kupfergrube |
Satte Frucht, feine Mineralik, reife Säure: in viel Schmelz eingebetteter, sehr distinguierter Wein | 91 | € 32,00 |
Dr. Crusius | Schloßböckelheim, Felsenberg |
In sich stimmiger, überzeugender Wein mit sauberer, klarer Frucht, strahlender Säure, vielen Zwischentönen, leicht mineralische Prägung | 91 | € 29,50 |
Schäfer-Fröhlich | Bockenau, Felseneck |
Sehr mineralischer Wein, fein gewirkt, geschmeidig, schlank, ohne Schnörkel | 91 | € 33,50 |
Emrich-Schönleber | Monzingen, Frühlingsplätzchen |
Viel Zitrusfrucht, Mandarine, Kräuterwürze: feinnerviger Wein, geschmeidig, hefefrisch, lagengeprägt | 90 | € 39,90 |
Schäfer-Fröhlich | Schloßböckelheim, Felsenberg |
Etwas spröder, vegetabiler Wein, Noten von grünem Apfel und Klee, in der Tiefe mineralisch geprägt, vermutlich großes Potenzial, aber derzeit noch schwer zu beurteilen | 90-92 | € 39,90 |
Prinz Salm | Wallhausen, Johannisberg |
Frischer, lebendiger Wein mit guter Säurestruktur, gehaltvoll und trotzdem gaumenfreundlich: schon jetzt relativ unkompliziert zu trinken | 89 | € 30,67 |
Gut Hermannsberg | Schloßböckelheim, Kupfergrube |
Viel Zitrusfrucht, Pfirsich, Bodenkrume, ein Hauch von gekochtem Apfel: dichter, aromentiefer, aber etwas rustikaler Wein | 89 | € 29,90 |
Kruger-Rumpf | Münster Sarnsheim, Pittersberg |
Stoffig, reif, rassig: durch Restsüße leicht abgerundet | 88 | € 25,00 |
Prinz Salm | Roxheim, Berg |
Etwas rustikaler, durch seine schöne Säure aber packender, authentischer Wein | 88 | € 36,00 |
Schlossgut Diel | Burg Layen, Schlossberg |
Dezent fruchtig, erdig-würzige Aromatik, unterlegt von einer alles beherrschenden Säurestruktur: ausgezeichnete Substanz, ŕ la longue eine sichere Bank | 88-90 | € 28,00 |
Kruger-Rumpf | Münster Sarnsheim, Kapellenberg |
Einfacher, unspektakulärer Wein, etwas unharmonisch durch herausstehende Säure | 87 | € 32,80 |
Kruger-Rumpf | Münster Sarnsheim, Dautenpflänzer |
Reife Frucht, eher Pfirsich als Apfel, aber Säure nicht perfekt eingebunden | 87 | € 36,00 |
Prinz Salm | Wallhausen, Rotenfels |
Reifer, zu strukturierter Wein, Grapefruit- und Orangennoten, durch die spürbare Restsüße allerdings übertüncht | 87 | € 31,00 |
Dr. Crusius | Traisen, Rotenfels |
Ohne Fehl und Tadel, aber auch ohne Höhepunkte: ein braver Wein, wenig Spiel, relativ spannungslos | 87 | € 33,50 |
Große Gewächse 2009 – Mittelrhein
Karte der Weinregion Mittelrhein, Quelle: VDPAuf den kargen Blauschieferböden und im kühlen Klima des Mittelrheins wachsen keine hedonistisch-üppigen, sondern eher karge, schlanke Weine, die von ihrer tiefen Mineralität leben. Im Jahrgang 2009 ist diese Mineralität besonders ausgeprägt – jedenfalls bei den Großen Gewächsen.
Zwar sind es wenige Rieslinge, die in diesem kleinen Anbaugebiet die Anforderungen an die Großen Gewächse erfüllen. Aber diese wenigen Weine sind von großer Finesse. Vor allem fällt die konsequent trockene Ausbauweise auf, die diese Weine von vielen allzu gefälligen Rheingauern unterscheidet.
Es sind Weine für Riesling-Puristen, die den harten Klang des Schiefers lieben und gern auf süßliche Hintergrundklänge verzichten. Kennerweine also, die übrigens zu wahrhaft animierenden Preisen angeboten werden.
Weingut | Gemeinde und Erste Lage | Charakteristik | Punkte | ca. Preis |
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Matthias Müller | Boppart Hamm, Ohlenberg |
Sehr schiefrig, sauber, schnörkellos: spürbar ambitionierter Wein | 90 | € 16,00 |
Ratzenberger | Bacharach, Wolfshöhle |
Saftig, mineralisch-fruchtig, mit vielen Zwischentönen, hohe Säure: individuell und gut | 90 | € 24,00 |
Ratzenberger | Steeg, St.Jost |
Mineralisch-herber Wein, karg, aber punktgenau: kein Allerweltswein, sondern anspruchsvolles Hochgewächs | 89 | € 21,00 |
Bastian | Bacharach, Wolfshöhle |
Zurückhaltend, erdig, karg: noch etwas glanzlos und spröde, aber authentisch und mit viel Potenzial | 89-91 | € 21,00 |
Bastian | Bacharach, Posten |
Karger, erdig-mineralischer Wein, kristalline Säure, klare Frucht, sehr trocken | 89-91 | € 21.00 |
Toni Jost – Hahnenhof | Bacharach, Posten |
Stark mineralisch-erdig geprägter, urwüchsiger Wein: derzeit noch auseinander strebend und uneindeutig | 88 | € 21,00 |
Lanius-Knab | Oberwesel, Oelsberg |
Kräftiger, etwas grobfruchtiger Wein, trotzdem solide und durchaus genussvoll zu trinken | 88 | € 18,50 |