Grobe Irreführung: Gran Masetto angeblich bester Rotwein Europas…

Collage Flasche Gran Masetto von Endrizzi und Patron Paolo Endrici
Per Pressemail teilte die Trentiner Kellerei Endrizzi letzte Woche mit, dass ihr Gran Masetto „der beste Rotwein Europas“ sei. Er habe auf dem Weinwettbewerb Mundus Vini die höchste Punktzahl aller angestellten Rotweine erreicht. Stimmt. Allerdings war die gesamte Rotweinelite Europas bei diesem Wettbewerb abwesend. Ein Großteil der Weinpresse verbreitete dennoch diesen Schwachsinn ungeprüft – von Yoopress bis Wein-plus. Von Jens Priewe

Genau 6.028 Wei­ne waren bei der gro­ßen Rot­wein­ver­kos­tung des Wein­wett­be­werbs Mun­dus Vini ange­stellt, der im ver­gan­ge­nen August in Neu­stadt an der Wein­stra­ße statt­fand. Wei­ne aus aller Her­ren Län­der, von Argen­ti­ni­en bis Zypern, ins­ge­samt 42 Natio­nen. Ver­kos­tet wur­den die Wei­ne, wie bei sol­chen Degus­ta­tio­nen üblich, blind. Eine viel­köp­fi­ge, inter­na­tio­nal zusam­men­ge­stell­te Jury aus Fach­händ­lern, Jour­na­lis­ten, Som­me­liers, Öno­lo­gen war ein­ge­la­den wor­den, um die Her­ku­les­ar­beit zu bewerkstelligen.

Auch für einen anatolischen Rotwein gab es Großes Gold

Bewer­tet wur­den die Wei­ne auf einer 100-Punkte-Skala. Bekommt ein Wein im Durch­schnitt min­des­tens 95 Punk­te, erhält er Gro­ßes Gold, die höchs­te Aus­zeich­nung von Mun­dus Vini. 95 Punk­te – das bedeu­tet nach inter­na­tio­nal gül­ti­ger Aus­le­gung Welt­klas­se. In die­sem Jahr hat­ten bei Mun­dus Vini 15 Rot­wei­ne Gro­ßes Gold erhal­ten, unter ande­rem ein tür­ki­scher Bordeaux-Verschnitt, eine grie­chi­sche Caber­net Sauvignon-/Agiorgitiko-Cuvée und ein Bar­ba­res­co der Groß­kel­le­rei Rober­to Sarot­to, die im Gam­be­ro Rosso, Ita­li­ens wich­tigs­tem Wein­füh­rer, nicht ein­mal erwähnt wird (obwohl die­ser 20.000 Wei­ne getes­tet hat).

Die höchs­te Punkt­zahl aller Rot­wei­ne erhielt offen­bar der Gran Maset­to aus der Tren­ti­ner Kel­le­rei End­riz­zi. Die­ser Wein besteht aus Teroldego-Trauben, die nach dem Amarone-Verfahren drei Mona­te lang getrock­net (appas­si­men­to) und dann gekel­tert wer­den. Ich habe die­sen Wein mehr­fach ver­kos­tet und gebe zu: ein opu­len­ter, gut gemach­ter Wein. Aber Welt­klas­se? Nur dann, wenn Welt­klas­se sich am Alko­hol­ge­halt bemes­sen wür­de. Der liegt beim Gran Maset­to näm­lich über 15 Vol.%.

Endrizzi – eines der gepflegtesten Weingüter des Trentino

End­riz­zi ist eines der gepfleg­tes­ten und am schöns­ten gele­ge­nen Wein­gü­ter des Tren­ti­no. Nicht zufäl­lig wäh­len vie­le Paa­re die­ses Wein­gut aus, um dort ihre Hoch­zeit zu fei­ern. Auch Mer­ce­des Benz, Fer­ra­ri, Duca­ti und der Fuß­ball­club Bay­ern Mün­chen haben auf die­sem Wein­gut schon Events für Pre­mi­um­kun­den orga­ni­siert. Ganz zu schwei­gen von den zahl­lo­sen Kon­zer­ten und Festen.

Aber nicht nur die Loca­ti­on ist schön. Auch die Endrizzi-Weine sind unta­de­lig, jeden­falls nach mei­ner Mei­nung. Nur den Spit­zen­wein habe ich nie ver­stan­den: den Gran Maset­to. Mir will sich ein­fach nicht erschlie­ßen, wes­halb das Wein­gut sei­ne Teroldego-Trauben, die im fri­schen Zustand bei ent­spre­chen­der Ertrags­re­du­zie­rung schon einen äußerst kraft­vol­len, alko­hol­rei­chen Wein erge­ben, unbe­dingt antrock­nen muss, um einen noch kräf­ti­ge­ren, noch alko­hol­rei­che­ren Wein zu bekommen.

Im Val­po­li­cel­la macht die­ses Ver­fah­ren Sinn. Dort errei­chen die Amarone-Trauben Cor­vina, Cor­vi­no­ne, Ron­di­nella ohne Antrock­nen nicht die nöti­ge Struk­tur und Gra­da­ti­on. Im Hit­ze­kes­sel des Cam­po Rot­a­lia­no, wo die Teroldego-Traube wächst, aber ist ein appas­si­men­to nicht nötig, um struk­tu­rier­te Wei­ne zu bekommen.

Gran Masetto gut gemacht, aber eigenwillig

Pao­lo End­ri­ci, der Patron, hat mir ein­mal gesagt: Der Wein erhält durch das appas­si­men­to eine neue Geschmacks­di­men­si­on. Das stimmt. Sein Wein bekommt durch das Ver­fah­ren einen schokoladig-süßlichen Touch – ähn­lich wie ein Ama­ro­ne. Die Einen mögen das, die Ande­ren nicht. Ich zie­he End­riz­zis Terol­de­go Riser­va vor. Sie besitzt eben­falls viel Struk­tur, aber dar­über hin­aus mehr Fri­sche. Und sie kos­tet nur 12,50 Euro anstatt 34 Euro wie der Gran Masetto.

Allein ste­he ich mit mei­nem Urteil nicht. Im Wein­füh­rer von Luca Maro­ni (Miglio­ri Vini d’Italia) bekommt der 2005 Gran Maset­to 87 Punk­te, der 2006er im Gui­da L’Espresso 16,5 Punk­te. Das deut­sche Wein­por­tal Wein-plus gibt ihm 88+. Im Gam­be­ro Rosso hat der Gran Maset­to bis­lang immer 2 schwar­ze Glä­ser bekom­men. Das bedeu­tet: sehr guter Wein – aber nicht unter den tau­send Bes­ten des Landes.

Noch nie unter den besten Weinen Italiens

Auch in der neu­en Aus­ga­be des Gam­be­ro ran­giert der 2007er Gran Maset­to nicht unter den Top-Weinen Ita­li­ens. Immer­hin hat er erst­mals zwei rote Glä­ser bekom­men. Damit hat er zwar das Fina­le der bes­ten Wei­ne erreicht, erhielt aber im Fina­le nicht so viel Punk­te, dass ihm von der Jury das drit­te Glas zuge­spro­chen wur­de. Damit ist der Gran Maset­to nicht unter den 375 Bes­ten Italiens.

Sicher, jeder Wett­be­werb hat sei­ne eige­nen Geset­ze und Zufäl­lig­kei­ten: der Gam­be­ro Rosso eben­so wie Mun­dus Vini. Im Gegen­satz zu vie­len ande­ren, eher halb­sei­de­nen inter­na­tio­na­len Wein­wett­be­wer­ben ist Mun­dus Vini seri­ös. Man arbei­tet nach den O.I.V.-Regeln (Orga­ni­sa­ti­on Inter­na­tio­nal de la Vigne et du Vin, Paris) und nach den Prin­zi­pi­en der Uni­on Inter­na­tio­na­le des Oeno­lo­gues (U.I.O.E., Paris). Man kann sich, wie bei manch ande­rem Wein­wett­be­werb, nicht gegen Geld in die Jury ein­kau­fen. Sicher, auch Mun­dus Vini ist ein kom­mer­zi­el­ler Wett­be­werb. Die Teil­nah­me kos­tet 140 Euro pro ange­stell­tem Wein. Aber dass unter den vor­ge­ge­be­nen Bedin­gun­gen ord­nungs­ge­mäß ver­kos­tet wor­den ist, steht außer Zweifel.

Das Probenfeld bildet nicht den Gesamtmarkt ab

Das Pro­blem ist, dass bei Mun­dus Vini vor allem Wei­ne der zwei­ten und drit­ten Gar­ni­tur ange­stellt sind, die kaum eine Chan­ce haben, in den brei­ter ange­leg­ten Wein­füh­rern auf die vor­de­ren Rän­ge zu kom­men. Genos­sen­schafts­wei­ne, Mar­ken­pro­duk­te der Wein­in­dus­trie, Wei­ne aus weni­ger renom­mier­ten Län­dern, die gern in den deut­schen Markt möch­ten, oder Wei­ne von klei­nen, nur regio­nal ver­netz­ten Win­zern – sie machen den Haupt­an­teil der Mun­dus Vini-Probenweine aus.

Erzeu­ger wie Dönn­hof, F.X. Pich­ler, Antino­ri, Leflai­ve, Veuve Cli­quot – um nur eini­ge bekann­te Namen zu nen­nen – ver­zich­ten dage­gen kon­se­quent auf die Teil­nah­me an sol­chen Wett­be­wer­ben. Die Eli­te braucht, ja will kei­ne Medail­len. Durch ihren Ver­zicht fehlt den ande­ren Pro­ben­wei­nen die Kon­kur­renz. Das Pro­ben­feld ist nur noch für sich selbst reprä­sen­ta­tiv – aber nicht für den gesam­ten Wein­markt. Wein­fach­leu­te wis­sen das. Das Wein­pu­bli­kum weiß es nicht. Des­halb ist es eine gro­be Irre­füh­rung, die Endrizzi-Meldung mit der anmas­sen­den Über­schrift vom „bes­ten Rot­wein Euro­pas“ unters Wein­volk zu streu­en, wie es gro­ße Tei­le der Wein­pres­se getan haben – und zwar von Yoo­press bis Wein-plus.

4 Kommentare

  • Ich schät­ze die Wei­ne aus dem Hau­se End­riz­zi sehr. Sie haben Tra­di­ti­on und wirk­lich klas­se. Herrn Pief­ke ken­ne ich nicht, aber sein Schreib­stil erscheint mir ein wenig grob. 

    DI Schil­ling

  • Geschätz­te Leser

    Als Wein­ken­ner der Norditalienischen-Regionen, kann ich nur dem WEINGUT “ENDRIZZI” ein dickes Lob aus­spre­chen. Den sie ver­ste­hen es, wie lei­der nur Weni­ge, das Herz­blut der Win­ze­rei ins Glas umzu­set­zen. Ein hohes Mass an Qua­li­tät, Hin­ga­be und Lie­be steckt in die­ser Fir­ma und in jedem ein­zel­nen Mit­ar­bei­ter, was sich in der sehr hohen Qua­li­tät die­ser Wei­ne abzeich­net. Sie ver­se­hen es der Indus­tria­li­sie­rung und Mas­sen­ab­fer­ti­gung der Win­ze­rei ent­ge­gen zu setzen-

    Ich Freue mich jedes mal auf ein Glas Teroldego :

    M.R. Di Scherini

  • San Miche­le all’Adige, 16.11.2011

    Sehr geehr­ter Herr Priewe,

    wir dan­ken Ihnen für die posi­ti­ve Ein­schät­zung unse­res Weingutes.
     
    Wie Sie rich­tig erkannt haben, han­delt es sich bei unse­rer Mit­tei­lung um eine Pres­se­mel­dung, in der wir klar geschrie­ben haben, dass es sich bei der Urkun­de von Mun­dus Vini um eine Aus­zeich­nung im Kon­text inner­halb die­ses Wett­be­werbs han­delt. Damit wur­de nie­mand irre­ge­führt, denn wir waren ein­deu­tig. Danach ging unse­re Mel­dung wei­ter mit ande­ren wich­ti­gen The­men. Der Wein – auch wenn er nicht Ihrem Geschmack ent­spricht – hat bereits so vie­le Lieb­ha­ber gefun­den, dass er bei uns im Kel­ler in der Nor­mal­fla­sche rest­los aus­ver­kauft ist und ein bes­se­res Zei­chen für Qua­li­tät (zu fai­ren Prei­sen) kann man wohl nicht bekommen. 

    Ger­ne möch­ten wir dar­stel­len, wel­che Idee hin­ter dem Gran Maset­to steckt.

    Vor zehn Jah­ren hat­ten wir uns über­legt, wie man die Qua­li­tät und die Inter­na­tio­na­li­tät des Terol­de­go und somit auch des Tren­ti­nos stei­gern könn­te. Nach eini­ger Über­le­gung war uns klar, dass wir Ver­su­che mit ange­trock­ne­ten Trau­ben machen woll­ten. Wir hat­ten an einen „kon­zen­trier­ten, neu­en Terol­de­go“ gedacht: die Hälf­te soll­te aus getrock­ne­ten Trau­ben sein (wie der Ama­ro­ne), die ande­re Hälf­te aus Wein­ber­gen mit stark redu­zier­tem Ertrag.

    So ein Ver­fah­ren könn­te ein neu­er Weg für End­riz­zi, aber auch für ande­re Pro­du­zen­ten im Tren­ti­no sein. Euge­nio Rosi hat etwas ähn­li­ches mit dem Mar­zemi­no gemacht. Der Sfurzat im Valtel­li­na hat ähn­li­che Grundlagen.

    Es war nicht ein­fach unse­re Vor­stel­lun­gen zu rea­li­sie­ren. Fäul­nis und ande­re Pro­ble­me haben die ers­ten Jahr­gän­ge unbrauch­bar gemacht. Trotz­dem haben wir unse­re Idee wei­ter­ver­folgt und konn­ten mit dem Jahr­gang 2003 das ers­te gute Resul­tat prä­sen­tie­ren. Mit jedem wei­te­ren Jahr­gang hat sich unse­re Erfah­rung ver­grö­ßert und die Qua­li­tät des Wei­nes gestei­gert. Auf der Vini­ta­ly 2010 haben wir mit dem Jahr­gang 2006 die Sil­ber­me­dail­le – in der Kate­go­rie „Rot­wei­ne älter als 4 Jah­re“ – gewon­nen. In jeder Kate­go­rie wer­den ledig­lich 4 Medail­len ver­ge­ben. Mehr als 400 Wei­ne, dar­un­ter vie­le Ama­ro­ni und Bru­nel­li di Mon­tal­ci­no, wur­den in die­ser Kate­go­rie ange­stellt. Auch beim Mera­ner Wine Fes­ti­val 2011 wur­de unser Gran Maset­to 2007 von der Jury mit dem Titel „Sel­ec­tion der Sel­ec­tion“ aus­ge­zeich­net. Hier­für ist eine Bewer­tung über 90 Punk­te notwendig.

    Selbst­ver­ständ­lich neh­men wir kon­struk­ti­ve Kri­tik ernst und auch ger­ne an, beson­ders wenn sie von Leu­ten kommt, die uns näher kennen. 

    Aus Ihrer Beschrei­bung erse­hen wir, dass Sie sehr gut über unser Tun und über unse­re Wei­ne infor­miert sind. Seit etwa 30 Jah­re ken­nen wir uns von Mes­sen und Ver­an­stal­tun­gen. Wir wür­den uns aber auch freu­en, wenn Sie uns ein­mal in San Miche­le besu­chen wür­den, um unse­re Ideen und unse­re Lei­den­schaft näher kennenzulernen.

    Arri­ve­der­ci a San Michele!

    Pao­lo Endrici

  • Lie­ber Herr Priewe,

    die Aus­sa­ge, dass Wein-Plus die Mel­dung, der Gran Maset­to der Kel­le­rei End­riz­zi sei der bes­te Rot­wein Euro­pas, “unge­prüft über­nom­men” habe, ist nicht rich­tig. Was auf der Wein-Plus-Website ver­öf­fent­licht wur­de, ist die von Ihnen ange­spro­che­ne Pres­se­mit­tei­lung, die die Kel­le­rei End­riz­zi eigen­stän­dig unter der dafür vor­ge­se­he­nen und auch aus­drück­lich so gekenn­zeich­ne­ten Rubrik “Pres­se­mit­tei­lun­gen” ein­ge­stellt hat. Es han­delt sich dabei – und zwar durch­aus erkenn­bar – also nicht um eine redak­tio­nel­le Mel­dung, und hier bit­ten wir ein­deu­tig zu differenzieren.

    Im übri­gen tei­len wir Ihre Ansicht, dass die Aus­zeich­nung als “bes­ter Rot­wein Euro­pas” hier irre­füh­rend ist. Aus den von Ihnen beschrie­be­nen Grün­den las­sen die Ver­gleichs­wer­te in dem betref­fen­den Wett­be­werb ein sol­ches Urteil kaum zu, und gera­de des­halb hät­ten wir die frag­li­che Pres­se­mit­tei­lung nie­mals im redak­tio­nel­len Rah­men über­nom­men – zumal wir prin­zi­pi­ell kei­ne Beur­tei­lun­gen von Drit­ten über Wei­ne ver­öf­fent­li­chen und uns allein auf unse­re selbst durch­ge­führ­ten Ver­kos­tun­gen für den Wein-Plus-Weinführer ver­las­sen. Die Mit­glie­der unse­res Netz­werks haben jedoch die Mög­lich­keit, unse­re Platt­form in klar gekenn­zeich­ne­ten Berei­chen für ihre Pres­se­ar­beit zu nutzen.

    Mit kol­le­gia­len Grüßen

    Cars­ten M. Stammen
    Redak­ti­on Wein-Plus

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