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Griechenlands Weinwirtschaft: Die Krise ist der Dealer

Markus Stolz hat in Frankfurt und London als Banker gearbeitet und lebt heute in Athen. Er ist einer der besten Kenner der griechischen Weinszene und gesuchter Gesprächspartner für alle, die mehr über griechischen Wein erfahren wollen. In seinem Blogg Elloinos berichtet er regelmäßig über das, was sich in Griechenland tut.

„Der Zusammenbruch des griechischen Weinmarktes schreitet voran. Nachdem anfänglich vor allem die hochpreisigen Weine die Krise zu spüren bekamen, brechen jetzt die Preise des mittleren Segments weg. AB Vassilopoulos, Griechenlands größte Supermarktkette, wartet nun schon seit Monaten im wöchentlichen bzw. zweiwöchentlichen Rhythmus mit 40prozentigen Abschlägen bei Weinen auf. Die Abschläge betreffen sowohl die Produkte der großen Kellereibetriebe als auch die von mittelgroßen Erzeugern, darunter auch einige der bekannten Namen.

Ich weiß nicht, ob die Erzeuger dabei immer eingebunden sind. Doch fällt auf, dass einige Marken von dieser Discount-Politik ausgenommen sind. Sei’s drum: Die Preisabschläge betreffen jetzt auch Weine der 5- bis 8-Euro-Kategorie.

Auch die Weinpreise in den Restaurants fallen

Die Restaurants haben ebenfalls die Preise auf ihren Weinkarten gesenkt. Und dass der Weinhandel zusammenzubrechen droht, ist angesichts der schwierigen Marktlage wenig überraschend. Die Kassen vieler Händler sind leer, einige Firmen schon bankrottgegangen. Andere kämpfen um ihre Existenz. Eine wachsende Zahl von Weingütern ist dabei, den Vertrieb in eigene Hände zu nehmen.

Unschwer zu prognostizieren, dass mit der sich verschärfenden Finanzkrise die Preise weiter erodieren werden. Die auferlegten Sparprogramme haben Griechenlands Wirtschaft in eine Abwärtsspirale getrieben. Jede Familie kämpft ums Überleben. Wein ist Luxus geworden.

Silberstreif am Horizont

Einen Silberstreif am Horizont gibt es allerdings: Griechenland besitzt nach dem Preisrutsch eine große Anzahl von soliden, wettbewerbsfähigen Weinen auf der Eingangsstufe. An solchen Weinen herrschte vor der Krise ein Mangel. Hier tut sich etwas, was die Exportmärkte beflügeln könnte. Einige der Regalpreise, wie wir sie heute in Griechenland sehen, halten dem internationalen Wettbewerbsdruck durchaus stand.

Mehr noch: Die Wahrnehmung scheint sich zu ändern. Griechische Weine werden zunehmend als trendy angesehen. Trendig und preiswürdig – das ist eine hochwirksame Kombination von Marktfaktoren, die helfen könnte, das riesige Potenzial der griechischen Weinwirtschaft auszuspielen. Das gegenwärtige Untergangsszenario könnte der Beginn eines neuen Anfangs werden.

Auch innerhalb der Weinindustrie verschieben sich stillschweigend die Gewichte. Ich wäre nicht überrascht, wenn innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre neue, andere Namen auf der griechischen Weinbühne erscheinen. Die Karten werden neu gemischt. Der Dealer ist die Krise.“

Weintipp von Markus Stolz

Der geharzte Retsina wurde vor 50 Jahren durch den aufkommenden Griechenland-Tourismus populär. Dutzende von Kellereien überschwemmten die Märkte mit dünnen, schlechten, teilweise ungenießbaren Weinen. Die Folge war, dass bald kein Mensch mehr Retsina trinken wollte. Von dem Retsina-Trauma hat sich die griechische Weinwirtschaft Jahrzehnte lang nicht mehr erholt. Dabei kommen heute nicht nur ausgezeichnete Weiß- und Rotweine aus Hellas. Es gibt inzwischen auch eine Reihe von Betrieben, die einen hervorragenden Retsina erzeugen. Einer dieser Betriebe ist die Kellerei Kechris in Thessaloniki. Markus Stolz schreibt über sie:

„Normalerweise wird Retsina aus der Sorten Savatiano und, zu einem kleinen Teil, aus der Roditis-Traube gewonnen. Kechris benutzt für seinen Spitzen-Retsina The Tear of the Pine dagegen die noble Assyrtiko-Traube. Der Wein wird in kleinen Holzfässern vergoren und eine Zeit lang auf der Feinhefe ausgebaut. Der 2010er Jahrgang ist ein Unbedingt-Probieren-Wein. Zugegeben, er ist nicht billig. Er kostet in Griechenland etwa 13 Euro. Aber was für ein Tropfen: herrliches Limetten-Aroma plus die Harz-Noten, diese aber nicht dominant.  Dazu Zitronenschale, Lavendel, Vanille, ausgewogen am Gaumen mit feiner Säureader, mittlerer Körper, berstend von Zitrusfrucht- und Ingwer-Noten. Echt ein toller Wein!“

Auf der International Wine Challenge in London wurde dieser 2010er Retsina „The Tear of the Pine“ mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Die Verkoster notierten: „schöne Frucht und gute Textur, bestens integriertes Holz, burgundischer Charakter…“

Vor zwei Jahren erhielt die 2008er Ausgabe dieses Weins bereits bei den Decanter World Wine Awars eine Goldmedaille: „Helles Zitronengelb, reich, schön ausbalanciert mit kräuterwürzigen Aromen und einem zart-harzigem Abgang.“ Eine amerikanische Sommelière drückte ihre Begeisterung etwas weniger gestelzt aus: „Retsina ist normalerweise Scheiße, aber dieser Retsina ist reiner Nektar…“

Während der griechische Weinhandel jede Menge Sch…-Retsina anbietet, findet man „The Tear of the Pine“ in keinem Sortiment eines europäischen Weinhändlers.

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