Als Führer durch den Dschungel italienischer Weine hat sich der Gambero Rosso einen Namen gemacht. Dieses jährlich erscheinende, über ein Kilo schwere Opus bewertet die Weine von über 2000 Gütern auf dem italienischen Stiefel. Nun wird ein weiterer Weinführer in deutscher Sprache auf den Markt kommen. Er heißt slow wine und wird von der italienischen Slow Food-Bewegung herausgegeben. Als deutscher Lizenznehmer wird ab 2013 der Hallwag Verlag fungieren, der bislang für den deutschen Gambero Rosso verantwortlich zeichnete.
Eine kleinformatige, im Umfang reduzierte, aber immer noch 300 Seiten dicke Ausgabe des slow wine-Führers ist der Februar-Ausgabe des FEINSCHMECKER beigelegt. Weininteressierte haben so die Möglichkeit, den neuen Italien-Führer schon jetzt kennenzulernen. Dessen Konzept unterscheidet sich inhaltlich deutlich vom Gambero Rosso.
Fokus auf Nachhaltigkeit und biologischen Weinbau
Sind das Herzstück dieses Führers die Weinbewertungen mit den 3 Gläsern als krönende Top-Auszeichnung, so legt slow wine seinen Fokus mehr auf eine deskriptive Darstellung der einzelnen Weingüter. Abgestellt wird dabei vor allem auf biologischen Weinbau, Nachhaltigkeit und Handwerklichkeit der Weinerzeugung. Ergänzt werden die Beschreibungen durch genaue Adressen und die wichtigsten Angaben zur Größe und Produktion des Weinguts.
Besser als im Gambero Rosso sind die detaillierten Angaben zu den einzelnen Weinen. So erfährt der Leser die genaue Anzahl der abgefüllten Flaschen eines Weins ebenso wie den durchschnittlichen Verkaufspreis.
Wenig hilfreich sind dagegen die Beschreibungen der Weine. Sie sind zwar nicht so abgehoben und blumig wie im Gambero Rosso, aber nichtssagend („fruchtig und würzig“, „frisches, gefälliges Fruchtbukett“, „persistenter Nachhall“). Vor allem lassen sie keine Rückschlüsse auf die Qualität bzw. auf die Stellung des Weins in der Betriebshierarchie des Weinguts zu.
Bewusster Verzicht auf Punktebewertungen
Als Manko wird der Leser vermutlich auch das Fehlen jeglicher Bewertungsschemata empfinden. Eine Klassifikation durch Symbole oder Punkte gibt es bei slow wine nicht. Weinkritische Bemerkungen sind ebenfalls nicht vorgesehen. Die einzige Hervorhebung ist die gelbe Schmuckschrift, in der die Namen „großer Weine“ gedruckt sind. Diese Ehre wird jenen Gewächsen zuteil, die in der Verkostung am besten abgeschnitten haben. In welcher Verkostung, bleibt unklar.
„Wir glauben, dass die Zeit des Punktewahnsinns vorbei ist“, begründet Slow Food-Präsident Carlo Petrini den bewussten Verzicht auf detaillierte Weinbewertungen. „Der Konsument ist mündig geworden, kann selbst entscheiden, ob und wie gut ein Wein ist. Er ist aber neugierig zu erfahren, wie ein Winzer arbeitet. Deshalb haben wir Weingüter, die unserer Slow Food-Philosophie nahestehen, mit einer Schnecke ausgezeichnet, unserem Vereinssymbol.“
Slow wine profitiert von Slow Food
Um ein Minimum an Qualitätsorientierung zu bieten, werden Weingüter, die bei den Verkostungen durch „eine ausgezeichnete Durchschnittsqualität bei allen Etiketten“ aufgefallen sind, mit einem Flaschensymbol ausgezeichnet. Sonst gibt es nur noch blaue Weine, die ein besonders gutes Preis-/Qualitätsverhältnis aufweisen. Diese Farbe wird bei slow wine aber äußerst sparsam eingesetzt. Offenbar gibt es in Italien nur ganz wenige Weine, die preiswert und trotzdem gut sind.
Der vollständige, derzeit nur auf Italienisch erhältliche slow wine-Führer 2012 umfasst über 1200 Seiten und durchdringt Italien bis in die tiefste Weinprovinz. Möglich ist diese Herkulesarbeit nur durch das weit gespannte Netz von Mitarbeitern, über das Slow Food in seiner Heimat verfügt. So ist es möglich, jedes Weingut jedes Jahr zu besuchen und über dessen Besonderheiten zu berichten.
Gambero Rosso 2012 erscheint auch auf Deutsch
Trotz des Bruchs der langjährigen Partnerschaft zwischen Hallwag und den Herausgebern des Gambero Rosso wird deren Führer auch dieses Jahr wie gewohnt auf Deutsch erscheinen. Der neue deutsche Verlagspartner steht zwar noch nicht hundertprozentig fest. Doch die Ausgabe 2012 wird wie geplant im Februar oder März erscheinen. Auch für die nächsten Jahren sind, aller Turbulenzen in Italien zum Trotz, deutsche Ausgaben geplant.