Unter den grossen Champagnerhäusern gehört Laurent-Perrier zu den Stillen im Lande. Dabei gäbe es allen Grund laut zu sein. Denn seine Spitzenchampagner sind eine Klasse für sich.
Man hat schon billigeren Champagner getrunken: Ein Glas Grand Siècle würde im Restaurant mindestens 40 Euro kosten. Und wie viele es am Ende jenes heissen Juniabends waren, zu dem Laurent-Perrier und der Feinkosthändler Michael Käfer in die Münchener Villa Stuck geladen hatten, weiss ich nicht mehr. Die Finger beider Hände reichten jedenfalls nicht aus, um sie zu zählen. Auch wenn München schon lange nicht mehr die Champagner-Hauptstadt Deutschlands ist, die sie mal war und die dies zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten auch demonstrierte: An diesem Abend floss der schäumende Wein mal wieder in Strömen – diskret allerdings, ohne Getöse, fast hanseatisch zurückhaltend. Und ich bekenne: Spannendere Champagner habe ich dieses Jahr noch nicht getrunken.
Nicht vor zehn Jahren auf den Markt
Der Reihe nach: Grand Siècle ist die Prestige Cuvée von Laurent-Perrier, der Nummer 4 unter den großen Champagnerhäusern, und unter diesen das einzige, das sich noch (überwiegend) im Familienbesitz befindet. Grand Siècle kommt nicht vor zehn Jahren auf den Markt, und wenn man sie dann im Glas hat, präsentiert sie sich immer noch so frisch wie der Morgentau. Keine Unfrische, keine Altersfirne, auch nicht farblich in Goldgelbe abgestürzt. Ein fast wasserheller, mitreissender Champagner mit ausserordentlicher Substanz. „Beaucoup de richesse“ sagt Alexandra Peyrere de Nonancourt, die mit ihrer (jüngeren) Schwester Stéphanie die Mehrheit an dem börsennotierten Unternehmen besitzt und extra nach München gekommen war. Und: „Avec une finesse extrème.“ Braucht man nicht übersetzen.
„Ein Champagner zum Saufen“
Wir begannen mit dem jüngsten auf dem Markt befindlichen Grand Siècle: ein sehr cremiger Champagner, geschmacklich irgendwo zwischen Zitronen-Macaron und Austernschalen angesiedelt, dabei ziemlich trocken, im Abgang mit einer verspielten, rauchig-mineralischen Note. Und das Schöne ist: Er trinkt sich trotz aller richesse ungeheuer leicht. Selbst hartnäckige Champagner-Verächter könnten sich, glaube ich, mit ihm anfreunden. Mit rund 150 Euro müssten sie allerdings tief in die Tasche greifen. „Die Idee zu diesem Champagner kam von meinem Vater“, erzählte Alexandra de Nonancourt in ihrer kurzen Ansprache: „Er wollte einen Champagner zum Saufen.“
Protzer hätten keine Freude am Grand Siècle
Trotz der derben Worte – in Kennerkreisen wird der Grand Siècle hoch geschätzt – auch deshalb, weil er leise auftritt und nicht so stark im Rampenlicht steht wie Dom Pérignon, wie die Grande Dame von Veuve Cliquot oder Dom Ruinard zum Beispiel. Der Grand Siècle ist kein Angeber-Champagner. Protzer hätten keine Freude an ihm. Es fehlt der Neid-Faktor.
Nur aus Chardonnay und Pinot Noir
Grand Siècle gehört zu den ganz wenigen Exemplaren seiner Kategorie, die nicht als Jahrgangschampagner auf den Markt kommen, sondern als Jahrgangsverschnitt. Der aktuelle Grand Siècle besteht beispielweise aus den Jahrgängen 2007, 2006 und 2004. Seit 1959, als er erstmalig aufgelegt wurde, glaubt man bei Laurent-Perrier, dass es für eine Prestige Cuvée die bessere Option ist, Jahrgänge miteinander zu verschneiden als Jahrgänge separat zu füllen. So sind in jeder Version des Grand Siècle drei Jahrgänge enthalten (natürlich nur grosse beziehungsweise sehr gute Jahrgänge). Der Rebsortenmix besteht ungefähr zur Hälfte aus Chardonnay und Pinot Noir. Ausgebaut wurden und werden die Grundweine grundsätzlich nur im Edelstahl. Nach dem Verschnitt und der Füllung liegt der Grand Siècle dann mindestens zehn Jahre auf der Hefe. Die älteren in ihm enthaltenen Jahrgänge sind dann meist 12 bis 14 Jahre alt.
Derzeit auf dem Markt: die 24. „Iteration“
Seit einigen Jahren wird auf einer Banderole am Hals der Flasche angegeben, um die wievielte Ausgabe dieser Prestige Cuvée es sich handelt. Dazu werden die Jahrgänge genannt, die in ihr enthalten sind. Nur sagt man bei Laurent-Perrier nicht „Ausgabe“, auch nicht „Edition“ (wie bei Krug), sondern „Iteration“. Der jetzt im Verkauf befindliche Grand Siècle ist die 24. Iteration. Nach ihr tranken wird die 22. Iteration, bestehend aus den Jahrgängen 2004, 2002 und 1999. Sie war genauso frisch, aber etwas exotischer: mehr rosa Grapefruit, mehr Minze, weniger Zitrus. Und zum Schluss die 17. Iteration, die – wie alle Iterationen – aus der Magnumflasche serviert wurde. Auf dem Etikett steht zusätzlich „Les Réserves“, weil sie aus den Jahrgängen 1995, 1993 und 1990 verschnitten und erst vor kurzem degorgiert wurde. Das heißt: Sie hat 22 Jahre auf der Hefe gelegen. Für einen solchen Champagner braucht man eigentlich ein eigenes Vokabular. Auf jeden Fall ein sehr weiniger Champagner mit ersten Reifenoten in Richtung Mandarine, Vanille und Ingwer sowie einer jodigen Mineralität im Hintergrund, dabei extrem lang. „Eine Symphonie“, sagte Alexandra de Nonancourt. Ich widerspreche nur ungern ihrem Vater: Aber dieser Champagner ist nichts für Säufer.
Die legendäre Cuvée Alexandra
Wir tranken – in Frankreich nicht unüblich – das ganze Abendmenu hindurch Champagner. Bobby Bräuer, Chef des 2 Sterne-Restaurants „Esszimmer“ in der Münchener BMW-Welt, hatte sich entsprechende Gerichte einfallen lassen. Ausserdem gab es noch ein paar andere Champagner aus dem Laurent-Perrier-Sortiment, etwa den brandneuen 2008er Millesime. Als letztes der grossen Champagnerhäuser bringt Laurent-Perrier diesen grossen Jahrgang auf den Markt (330 Euro). Luxuriöser kann eine Begrüssung kaum ausfallen. Und dann die legendäre Cuvée Alexandra, ein Rosé-Champagner, der durch Maischegärung (statt durch Verschnitt) entsteht und so rar ist, dass man lange in Deutschland rumtelefonieren muß, um ihn zu finden und ein Fläschlein von ihm zu ergattern (80% Pinot Noir, 20% Chardonnay). Bernard de Nonancourt, der Vater von Alexandra, hatte diesen Champagner heimlich zur Hochzeit der Tochter 1987 kreieren lassen und ihn, statt einer Brautvaterrede, der verdutzten Hochzeitsgesellschaft servieren lassen – eine Demonstration, was Champagner in der Spitze kann (295 Euro).
„Einen solchen Abend wird es nicht so schnell wieder geben“, versichert Thomas Schreiner, Laurent-Perrier-Statthalter in Deutschland. Schade. Übrigens: Die Basis-Cuvées von Laurent-Perrier wurden an jenem Abend nicht ausgeschenkt. Der Vollständigkeit halber muss aber hinzugefügt werden: Es gibt sie, und sie sind – wichtige Botschaft – preislich weniger exklusiv.