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Goodbye, Hello Kitty. Oder: Es gibt auch seriöse Rosés

Zahlen belegen, was wir schon länger ahnten: Rosé liegt im Trend. Laut Fachmagazin „Weinwirtschaft“ waren etwa elf Prozent der in Deutschland getrunkenen Weine im letzten Jahr roséfarben. Das ist beachtlich. Vor zehn Jahren dümpelte der Roséwein-Anteil in Deutschland bei zwei bis drei Prozent.

Kitschweine à la Hello Kitty – das war einmal

Die gestiegene Nachfrage lässt sich nicht nur, aber auch mit den verbesserten Qualitäten im Roséwein-Segment erklären. Viele Weine sind handwerklich gut gemacht, sauber in Bouquet und Geschmack, vielschichtig, trocken, einige auch hochklassig. Natürlich gibt es sie noch, die Kitschweine à la Hello Kitty, die süßlich säuseln und perfekt zu den Hochzeiten bei Rosamunde Pilcher oder zu den Herzschmerz-Dramen des „Bergdoktor“ passen. Doch die Zahl der seriösen Weine ist deutlich gestiegen. Rosé ist erwachsen geworden.

Der Erfolg hat aber auch damit zu tun, dass die Optik beim Wein immer wichtiger wird: Das Auge trinkt mit. Manche mögen lachsfarbene Weine gern, andere ziehen kupfer-, zwiebel- oder pinkfarbene vor. Wieder andere lassen sich von einem knalligen Korallenrot oder einem leuchtenden Erdbeerrot animieren. Die Farbe gehört zum Marketing dazu. Sie signalisiert Leichtigkeit und Unkompliziertheit, auch wenn das eine oder andere manchmal gar nicht zutrifft.

Frankreich: Vinifizierung genau geregelt

Frankreich ist der größte Erzeuger von Roséweinen. Über 30 Prozent der weltweiten Rosé-Produktion kommt aus Frankreich. Genauso hoch ist auch der Konsumanteil der Franzosen. Rosé ist festverwurzelt in der französischen Seele. Die meisten Rosés kommen aus dem Süden des Landes. In dem warmen, mediterranen Klima gedeihen rote Rebsorten gut, aber bei hohen sommerlichen Temperaturen trinken viele Franzosen gerne etwa Kühles. Was liegt also näher, als die roten Trauben nur kurz zu mazerieren, damit zwar etwas Farbe aus den Schalen gelöst wird, aber kein Gerbstoff. Der so entstehende Wein ist dann roséfarben und kann aus dem Cooler serviert werden. Die Art und Weise der Vinifizierung ist nicht beliebig. Sie im Unterschied zu vielen anderen Ländern, in mehreren Appellationen Frankreichs genau geregelt.

Provence: die Mutter aller Rosés

Die Provence ist die Mutter aller Rosés. Der berühmteste Wein der Côtes de Provence ist der Miraval des (mittlerweile geschiedenen) Schauspielerehepaars Angelina Jolie und Brad Pitt („Brangelina“). Dieser Wein ist, wie fast alle Provence-Rosés, ausgesprochen hellfarben. Sie werden meistens aus Grenache, Syrah, Cinsault und Tibouren erzeugt – allesamt rote Trauben. Es dürfen aber bis zu 20 Prozent weiße Sorten mitverarbeitet werden, etwa Vermentino (die in der Provence Rolle heisst). Dadurch haben die Rosés von dort oft einen besonderen Schmelz. Ein Provence-Rosé ist zudem immer trocken ausgebaut. Das französische Weingesetz erlaubt einen Restzuckergehalt von nicht mehr als 4 g/l. Wer also trocken ausgebaute Rosés sucht, kann immer auf einen Rosé aus der Provence zurückgreifen. Kein anderer Wein passt übrigens so gut zur lokalen Küche, etwa zur legendären Fischsuppe „Bouillabaisse“, die mit verschiedenen Meeresfrüchten, Tomaten, Fenchel, Knoblauch und Safran zubereitet wird oder zum berühmten Salade Niçoise. Apropos Miraval: Wie alle Promi-Weine, so ist auch der Miraval meines Erachtens zu teuer. Ich würde vier andere Rosés empfehlen, aus Südfrankreich aber auch aus anderen Teilen des Landes.


2018 Côtes de Provence „Corail“, Château de Roquefort

 

Dieser Bio-Rosé überzeugt nicht nur mit seinem verträglichen Preis. Er läuft hell lachsfarben und leicht spritzig ins Glas. Das Bouquet ist geprägt von dezenten Aromen wie Cassis, Grapefruit, Orangenblüten, dunkle Kirschen, aber auch einer Würze, die an mediterrane Kräuter erinnert. Der Wein ist betont trocken ausgebaut und mittelkräftig. Die saftige Frucht unterfüttert die zarte Gerbstoffstruktur und die salzige Mineralität: ein eleganter Rosé, der angenehm herb daher kommt.

Preis: 13 Euro
Bezug: www.weinhalle.de


2018 Bandol Rosé, Domaine Tempier

Bandol ist ein Landstrich an der provençalischen Küste, auf dessen Kalkstein-Hügeln vor allem die Rebsorte Mourvèdre heimisch ist. Bandol ist eigentlich berühmt für seine tiefgründig-würzigen Rotweine. Doch mittlerweile entfallen fast 70 Prozent der Erzeugung auf den Rosé. Dieser Rosé ist ein prächtiges, komplexes Gewächs, das man nicht nur saisonal im Sommer trinken muss. Hell-lachsfarben mit silbernen Reflexen läuft er ins Glas. Der erste Eindruck wirkt floral und fruchtig. Hinzu kommen Aromen von Kirschen, Pflaumen, getrocknete Kräuter, Pfeffer und Lavendel. Am Gaumen trocken ausgebaut, feiner Biss, sehr moderate Säure, dafür ein kraftvoller Körper und ein herzhaft herbes Finish.

Preis: 24,50 Euro
Bezug: www.weine-visentin.de


2018 Sancerre Rosé “Sibylle”, Domaine Gérard Boulay

In Sancerre gibt es nicht nur knackige Weissweine aus der Rebsorte Sauvignon Blanc, sondern auch ernstzunehmende Rot- und Roséweine aus Pinot Noir. Dieser Bio-Rosé kommt aus Chavignol und wurde in gebrauchten Barriquefässern ausgebaut. Schon der satte Himbeerton macht Appetit. Es zeigen sich feine Beerentöne im Bukett. Am Gaumen seidige Textur, cremiges Finish und insgesamt saftig, trotz trockenes Ausbaus.

Preis: 18,80 Euro
Bezug: www.weine-visentin.de


In Deutschland „weißherbstet“ es

Auch die deutschen Winzer haben die Liebe für die Farbe Rosa entdeckt. Eine besondere Kategorie ist dabei der Weißherbst, ein immer etwas hellfarbener Wein, der nur aus einer Rebsorte gemacht werden darf, egal welcher. Besonders beliebte Rebsorten sind Spätburgunder, aber vor allem der Portugieser. Letztere Rebsorte fällt – als Rotwein ausgebaut – meist zu leicht aus. Mit seiner frischen Säure und intensiven Kirschfrucht ist er aber wie geschaffen für die Rosé-Erzeugung. Rosé oder Weißherbst gibt es auch in Deutschland von trocken bis lieblich. Hier sind meine Entdeckungen der letzten Monate:

2018 Portugieser Weissherbst halbtrocken, Winzervereinigung Freyburg-Unstrut (Saale-Unstrut)

Dieser Wein kommt aus Ostdeutschland, was für eine Extraportion Frische und Frucht sorgt. Der Rosé ist Neon-Erdbeerfarben und läuft spritzig ins Glas. Im Bukett finden sich Aromen von Maulbeeren, Kirschen, Birnen, Holunderblüten und Orangenzesten. Am Gaumen ist er herrlich saftig und frisch, auch weil die dezente Restsüße die Fruchtaromen pusht. Es ist ein unkomplizierter, erfrischender, fruchtbetonter und mit 12% Alkohol leichter Rosé für heiße Sommertage.

Preis: 7 Euro
Bezug: www.saale-unstrut-wein.com


2018 Rotling, Juliusspital (Franken)

Es ist verboten, für Rosé Weiss- und Rotweine einfach zu mischen. Aber die Trauben gemeinsam vergären – das darf man schon. Solche Weine werden je nach Region Schiller, Badisch Rotgold oder eben Rotling genannt. In diesem Falle sind Riesling, Müller-Thurgau und die rote Dominatraube miteinander vergoren worden. Intensive Aromen von saftigen Kirschen, Bananen, Schokolade und Weingummi. Dieser Rotling ist nicht ganz trocken. Er hat eine leichte Restsüße. Sie verstärkt die Fruchtaromen: ein einfacher, aber gut gemachter Spaßrosé.

Preis: 7,95 Euro
Bezug: Jacques Weindepot


2017 „Mittenmang“ Blauer Spätburgunder, Weingut Bettina Schumann (Baden)

Einen Rosé als Essensbegleiter anzubieten – das ist der Anspruch von Bettina Schumann aus Baden. Schon die dunkle Lachsfarbe verrät, dass man hier keinen Süffel-Rosé vor sich hat. Im Glas zeigen sich intensive Aromen von Granatapfel, Kirschen, Echinacea, Toast, getrocknete Kräuter und Wacholder. Dieser Rosé ist betont trocken ausgebaut, verfügt aber über genug Frucht und Saftigkeit, um die Würze auszubalancieren. Ein feiner Gerbstoffbiss gibt dem Wein eine weitere Dimension. Langer Nachhall, kräftiger Körper und dezente Holzaromen schmecken auch zu würzigen Fleischgerichten oder zu Gegrilltem.

Preis: 10,90 Euro
Bezug: www.schumann-wein.com


Spanien und Portugal: überwiegend süffig

Spanien ist der zweitgrößte Roséerzeuger weltweit. Vor allem aus den Regionen Penedes, Navarra und Rioja kommen bisweilen große Mengen an süffigen Sommerweinen. Eine Kategorie für sich sind die fast neonfarbenen Rosés aus Navarra mit intensiver Beerenfrucht und moderater Säure. Bei den Stichworten Portugal und Rosé kommt vielen Weingenießern der Mateus Rosé in den Sinn. Einst war das spritzige und liebliche Getränk in der Bocksbeutel-ähnlichen Flasche der meistverkaufte Rosé der Welt. Heute rümpft der Kenner bei dem Namen die Nase. Spannende portugiesische Rosés schmecken anders. Sie kommen heute aus der Region Vinho Verde, aus dem kühlen Nordwesten des Landes.


2018 Garnacha Rosé Artazuri, Bodegas Artadi (Navarra)

Schon die knallige Erdbeerfarbe lässt einen aromatisch fruchtigen Wein vermuten. Intensive Aromen von reifen Kirschen, Liebesapfel, Rhabarber, aber auch von Pfeffer und mediterranen Kräutern steigen in die Nase. Nicht ganz trocken wird der Wein durch eine angenehm frische Säure und feinen Gerbstoffbiss balanciert. Typisch für Garnacha Rosé ist das füllige Mundgefühl: ebenso fruchtbetonter wie gehaltvoller Rosado.

Preis: 8,85 Euro
Bezug: www.gute-weine.de


2018 Dom Diogo Padeiro Rosé, Quinta da Raza (Vinho Verde – Portugal)

Dieser Wein wird aus der Rebsorte Padeiro bereitet, die aufgrund der hellen Farbe und frischen Säure nicht für die Erzeugung von Rotwein, aber dafür umso besser für Rosé geeignet ist. Der Wein bezaubert mit Leichtigkeit, ohne dabei simpel oder gar langweilig zu sein. Das Bukett verführt mit Aromen von Himbeeren, Erdbeeren, Sauerkirschen und dezenten Kräuternoten. Die frische Säure wird durch die Kohlensäure noch verstärkt. Im Finish zeigen sich noch einmal die Aromen des Buketts sowie ein zarter animierender Tanninbiss.

Preis: 6,90 Euro
Bezug: www.shop.weinlade.de


Italien: viel Rosé, aber senza amore

Rosé – oder italienisch: Rosato – gibt es in Italien von Norden bis Süden. Entsprechend groß ist die Geschmacks- und Stilvielfalt. Die größten Mengen kommen vom Stiefelabsatz und aus Sizilien. Traditionell präsentieren sich die Rosés dort in kräftigem Erdbeerrot, sind stoffig, sehr saftig, meist delikat – aber nicht mehr. Der Ehrgeiz der Italiener hält sich bei diesem Weintypus in Grenzen. Für sie ist Rosé nur ein vinello, ein Weinchen. Also kein ernst zu nehmendes Gewächs. Sie selbst trinken ihn kaum. Aber sie haben begriffen, dass Rosé im Ausland sehr geschätzt wird, und sie produzieren ihn mit sicherer Hand. Bedeutende Rosés sind allerdings selten. Die bekannteste Ausnahme ist der Cerusuolo d’Abruzzo von Valentini aus der Region Abruzzen. In der rotweinlastigen Toskana sind Rosés eher ein Nebenprodukt der Rotweinerzeugung. Am Gardasee, wo der Rosé Chiaretto heißt, ist er meist ein Bardolino light. In Venetien wird er aus allen vorhandenen Rebsorten erzeugt, ist aber oft nur ein kümmerliches Überbleibsel der industriellen Rotweinproduktion. Neuerdings gibt es sogar einen Prosecco Rosé. Rosé-abstinent ist eigentlich nur das Piemont.


2018 Alìe Rosé „Tenuta dell’Ammiraglia“, Marchesi Frescobaldi (Toskana)

Dieser Wein kommt aus der Maremma, dem Küstenstreifen der Toskana. Entstanden sind einst kräftige Rotweine sowohl aus Sangiovese als auch aus internationalen Rebsorten. Auf der Tenuta dell’Ammiraglia hat man das erkannt und setzt nun auf die Bereitung von Rosé. Für den Alìe Rosé wird Syrah gekeltert, der jedem Rosé eine besonders stabile Pinkfarbe verleiht sowie ein herbes, kräftiges Rückgrat. Besonders klug ist die Kombination mit der weißen Rebsorte Vermentino. Sie bringt den nötigen Schmelz. So schmeckt dieser betont trocken ausgebaute Rosé raffiniert saftig und einfach genial.
Preis: 12,95 Euro
Bezug: www.belvini.de

Romana Echensperger MW wird unter dem Titel „Hello Kitty war gestern“ im Hotel Überfahrt in Rottach-Egern eine Masterclass zum Thema Rosé veranstalten. Anschließend gibt es ein vielgängiges Menu mit den verkosteten Wein, bereitet von Drei-Sterne-Koch Christian Jürgens.

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