Neulich sprach ich mit einem Weinhändler über Cava. Seine Kundschaft, erzählte er, schätze den spanischen Schaumwein für gute Qualität zu einem günstigen Preis. Sobald die Kunden aber mehr Geld ausgeben, griffen sie stets zu Champagner. Um im höheren Preissegment zu bestehen, so seine Einschätzung, fehle es Cava in Deutschland an Prestige.
Gewiss. Champagner hat ein großes Renommee und wird von manchen Leuten gar als Luxusprodukt und Statussymbol angesehen. „Cava ist mehr als eine günstige Alternative“, will ich trotzdem allen zurufen, nachdem ich im November eine famose Weinprobe in Madrid besuchte. Sommelier Xavi Viles stellte sieben Top-Gewächse vor und sprach einleitend von einem „Moment des Wandels“, den Cava aktuell vollziehe.
Konkret spielt er auf ein 2021 verabschiedetes Regelwerk der DO Cava an, welches die Bedeutung von Terroir stärker als bisher in den Fokus rückt. „Cava ist kein Produkt, sondern eine Herkunft“, betont Xavi Viles. Was meint er damit?
Einerseits definiert sich Cava durch die Méthode Traditionelle. Doch nicht jeder Schaumwein aus klassischer Flaschengärung ist automatisch ein Cava. Der Name steht andererseits für ein Gebiet. Betrachtet man dieses auf der Landkarte, dann offenbaren sich vier Hauptzonen in Katalonien, Valencia, der Extremadura und entlang des Ebrotals. Diese Regionen verfügen über unterschiedliche Böden, Rebsorten und Klimas. Entsprechend vielseitig fällt das Angebot an Schaumweinen aus.
Das neue Reglement erlaubt Erzeugern nun die Zonen auf ihren Etiketten auszuweisen (was bislang nicht möglich war). Konsumenten können somit Cavas aus diversen Herkünften erkennen und vergleichen.
Das mediterrane Klima Kataloniens begünstigt den Typ Brut Nature
Die größte Zone heißt Comtats de Barcelona. Sie kommt auf 95 Prozent der Weinproduktion. Natürlich sind wir in Katalonien, der Wiege und dem Kernland von Cava. Hier finden sich die namhaftesten Erzeuger und besten Cavas, die Fülle, Feinheit und Rassigkeit in so wunderbarer Weise kombinieren. Die in Madrid präsentierten Schäumer stammen ausnahmslos von dort.
Comtats de Barcelona ist in fünf Subzonen unterteilt. Eine davon ist Serra de Mar. Das Gebiet liegt direkt am Mittelmeer, dessen Brisen die Weinberge im Sommer abkühlen. Ein charakteristisches Merkmal ist ferner der Granitsandboden „Saulo“, von dem es heißt, er verleihe den Weinen Mineralität und elektrisierende Säure.
Der quality leader in Serra de Mar ist das biologisch arbeitende Weingut Alta Alella. Den Basiswein für die Gran Reserva Alta Alella 10 2010 baut Familie Pujol-Busquets in Barriques aus. Es folgen die obligatorische Flaschengärung und ein langes Hefelager von 10 Jahren, das die Cremigkeit steigert und unverwechselbare Aromen hervorbringt. Der herrlich frische Schaumwein verfügt über enorme Spannung und Intensität, mit Noten von Kamille, Toast und Kaffee, dazu eine feine Salzigkeit im Abgang. Wie viele Cavas der Top-Kategorie ist es ein Brut Nature mit null Restzucker.
Diesbezüglich unterscheiden sich Cava und Champagner: Im mediterranen Katalonien liegt die Durchschnittstemperatur während der Vegetationsperiode um 4 bis 5°C höher als in der nordfranzösischen Champagne. Aufgrund des wärmeren Klimas enthält Cava in der Regel weniger Säure. Er eignet sich deshalb ausgezeichnet für den Stil Brut Nature (ohne dabei karg und minimalistisch auszufallen). Bei Champagner kommt dagegen häufiger eine Dosage zum Einsatz, um die hohe Säure auszubalancieren.
Ein Star namens Xarel.lo und der Cava einer Einzellage
Die sechs weiteren Cavas stammen von Erzeugern aus der Subzone Valls d’Anoia-Foix. Diese deckt das bekannte Penedès-Gebiet ab, darf aus rechtlichen Gründen aber nicht so heißen, weil es bereits eine Herkunftsbezeichnung DO Penedès (überwiegend für Stillweine) gibt. Es ist eine abwechslungsreiche Landschaft mit Flusstälern, die verschiedene Mikroklimas hervorbringen, mit Lehm-, Kalk- und Kiesböden und Weinbergen auf 100 bis 800 Metern Höhe. Ein derart diverses Terroir ermöglicht zahlreiche Weinstile.
Kraft, Frische und Finesse vereint der biodynamische Cava Blanca Cusiné 2013 (Brut Nature) von Parés Baltà. Das Gewächs liegt 7 Jahre auf der Hefe, läuft seidig über den Gaumen und hat eine schöne Bitterkeit im Finish, wie es typisch für die autochthone Rebsorte Xarel.lo ist, die zu 80 Prozent in der Cuvée enthalten ist. Kaum zu glauben, dass ein Schaumwein von solcher Güte nur 20 Euro kostet.
Xarel.lo ist übrigens der aufkommende Star unter den spanischen Weißweintrauben. Es ist eine spätreifende Sorte, die Hitze und Trockenheit standhält, dabei Säure hervorragend konserviert und relativ wenig Zucker aufbaut. In anderen Worten: Wie gemacht für den Klimawandel, der das mediterrane Spanien besonders trifft.
Das Finale bildet ein sogenannter Paraje Calificado. Paraje ist das spanische Wort für Lage, Calificado für qualifiziert. Es handelt sich um die oberste Qualitätsstufe der DO Cava. Aktuell weist die Appellation nur zehn Weinlagen dieser Art aus. Sie gelten als herausragend und sollen Cavas mit einzigartigem Charakter ergeben.
Auf Can Scala 2008 (Brut Nature) von Vins Familía Ferrer trifft dieser Anspruch zu. Besagte Familie gründete, nebenbei bemerkt, den Cava-Giganten Freixenet. Dieser Stoff hat aber nichts mit Supermarktware zu tun, sondern ist eine andere Nummer: Das Hefelager beträgt 12 Jahre. Nur Basisweine von höchster Qualität können so lange auf der Hefe liegen, ohne überwältigt zu werden. Im Ergebnis zeigt sich ein äußerst subtiler und delikater Cava, dicht und cremig, der alles hat, was einen großen Wein auszeichnet: Balance, Intensität, Komplexität und Länge. Und natürlich Persönlichkeit. Wie alle nun folgenden Schaumweine …
Die sieben Cavas der Master Class
Die Degustation fand im Rahmen einer von Guía Peñin veranstalteten Weinmesse statt. Es wurden Cavas präsentiert, die im aktuellen Peñin-Guide mit 95 Punkten oder höher bewertet sind.
Pere Ventura, Tresor Anniversary 2017, Gran Reserva Brut
Klassische Cuvée aus Macabeo, Xarel.lo und Parellada. Jene drei Weißweintrauben machen über 80 Prozent des Anbaus in der DO Cava aus. Schäumer mit 4 Jahren Hefelager. Reife Frucht, knackig-frische Zitrusnoten und die für Hefekontakt typischen Gebäckaromen wie Brioche. Hervorragendes Preis-Genuss-Verhältnis. Um 22 Euro.
Agustí Torello Mata, Kripta 2013, Gran Reserva Brut Nature
Cava aus drei Parzellen, mit den für die Subzone Valls d’Anoia-Foix (Penedès) traditionellen Rebsorten: Je eine Lage mit Macabeo, Xarel.lo und Parellada bestockt. 50 bis 60 Jahre alte Reben. Weinberge auf 160 bis 650 Metern Höhe. 7 Jahre Hefelager. Voluminös und gut strukturiert. Toast, Honig, Trockenfrüchte. Langes Finish. Um 60 Euro.
Parés Baltà, Blanca Cusiné 2013, Gran Reserva Brut Nature
Schaumwein aus biodynamischem Anbau. Aus Xarel.lo (80%), Pinot Noir und Chardonnay. Letztgenannte „Champagner“-Trauben kommen in der DO Cava auf etwa zehn Prozent im Anbau. 7 Jahre Hefelager. Raffinierte, superfrische Nase mit Zitrusnoten. Am Gaumen mit Kraft, Fülle und Spannung. Animierende Bitterkeit im Abgang. Außergewöhnlich für einen Preis um 20 Euro.
Codorniu, Ars Collecta 459 2010, Gran Reserva Brut
Aus der Premiumrange des traditionsreichen Erzeugers. Codorniu besitzt drei „Paraje Calificado“. Dies ist ein Blend jener Lagen. Cuvée aus Chardonnay, Pinot Noir und Xarel.lo. Die Zahl 459 steht für die Jahre seit Gründung des Weinguts. Ergo ist die Nummerierung fortlaufend. Cava mit 10 Jahren Hefelager. Floral und mineralisch. Cremig, lustvoll und elegant. Große Klasse. Um 170 Euro.
Juvé & Camps, Milesimé Magnum 2008, Gran Reserva Brut
Sortenreiner Chardonnay aus biologischem Anbau. Die 0,75-l-Normalflasche ist eine Reserva mit 24 Monaten Hefelager. In der Magnumflasche liegt der Wein dagegen 10 Jahre auf der Hefe und übertrifft die Anforderung an eine Gran Reserva (mind. 30 Monate) um Längen. Fleischige, delikate Textur. Röstaromen und reife Frucht. Anklänge von Toffee und Ananas. Insgesamt opulent und lang. Um 50 Euro.
Alta Alella, 10 2010, Gran Reserva Brut Nature
Das Weingut befindet sich in einem Naturpark, einen Steinwurf vom Mittelmeer und von Barcelona entfernt. Typisch für die Subzone Serra de Mar ist der Granitsandboden „Saulo“. Schaumwein, sortenrein aus Chardonnay. Der Basiswein ist in Barriques vergoren. Über 10 Jahre Hefelager. Viel Power und Persönlichkeit. Salzig-mineralisch. Kamille, Röstaromen und mehr. Not your usual Cava. Um 120 Euro.
Vins Familia Ferrer, Can Scala 2008, Paraje Calificado Brut Nature
Cava einer Einzellage. Der Weinberg befindet sich im hochgelegenen Teil von Penedès und ist mit Xarel.lo und Parellada bestockt. 12 Jahre Hefelager, während dessen die Flasche mit einem Naturkorken verschlossen ist, was einen minimalen Luftaustausch erlaubt und u.a. die Perlage des Weins verfeinern soll. Aromen von Honig und reifer Frucht. Ebenso frische Zitrusnoten und florale Anklänge. Subtil, elegant und kraftvoll. Langes Finish. Insgesamt top balanciert. Um 80 Euro.
Lieber Herr Götz,
Was ist mit dem einen Yquem?
Herzlich grüßt
Ihr HPG
Lieber Herr Gavagai,
der Yquem gehört zweifellos zu den großen Süßweinen der Welt und würde garantiert eine wunderbare Dosage für so manchen (Cava-)Schäumer in der Brut-Kategorie abgeben. Sollte es einmal zu einer solchen Kombination kommen, werden wir auf Weinkenner darüber informieren. Tatsächlich hat Jens Priewe gerade in seinem Dezember-Weintagebuch über den Yquem berichtet:
https://www.weinkenner.de/weintagebuch-dezember-von-supertuscans-gruenem-veltliner-und-einem-yquem/
Beste Grüße, Ihr Thomas Götz